Lucia Cadotsch
“Speak Low“
„Acoustic-retro-futurism“ – so nennt die Jazz Sängerin Lucia Cadotsch die Musik, die sie auf dieser CD präsentiert. Ich würde noch ein „minimalistic“ vorne dran hängen. Das beschreibt die Musik m.E. noch ein Stückchen besser. Ohne viel Schnickschnack, auf das Wesentliche beschränkt, lediglich von zwei Instrumenten begleitet (Petter Eldh am Kontrabass, Otis Sandsjö am Tenorsaxophon), singt die Wahlberlinerin aus Zürich 10 bekannte Standards aus dem Jazz und Musical-Songbook.
Der Grundton ihres ersten Solo-Albums ist tief, dunkel und schwermütig. Ausgewählt hat Cadotsch Standards mit überwiegend traurigen Texten. Sie handeln von Einsamkeit, Leid, Trauer, Tod. Das Album eröffnet mit Didgeridoo-artigen Klängen, Bass und Sax in einer rätselhaft klingenden Disharmonie vereint. Zu diesen abwechselnd versetzten Tönen fügt sich die klare Stimme der Sängerin ein, die sich mal rauchig tief, mal schwebend leicht mit den schrägen Instrumentaltönen verwebt. „Willow Weep For Me“ und „Gloomy Sunday“ verbreiten alleine schon im Titel eine schwermütige Stimmung. Kommen dann die dunklen Töne vom Kontrabass dazu, zu denen sich die tiefen, klagenden, sich im Loop wiederholenden Klänge des Saxophons gesellen, kann man sich gleich eine Packung Tempotaschentücher parat legen. Am Stärksten hat mich die Interpretation von „Strange Fruit“ beeindruckt. Dieses düstere Lied, das von der Lynchjustiz in den Südstaaten handelt, interpretieren die drei MusikerInnen auf eine Weise, dass einem eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Schließt man die Augen, werden die im Songtext beschriebenen Gräuel fast sichtbar. Wenn die Stimme der Sängerin schon verklungen ist, spielen Bass und Saxophon ihre Melodien verstörend weiter, dunkel und duster. Doch gleich im nächsten Stück wird die Stimmung weicher, das Saxophon klingt sanft und warm und auch Cadotsch singt etwas heller – obwohl auch dieses Lied „Ain’t Got No“ nicht gerade vor Fröhlichkeit sprüht. Das entspannteste Stück auf dem Album ist Kurt Weill’s Titel gebender Song „Speak Low“. Es klingt fast fröhlich im Vergleich zu all den anderen Songs, und auch die Instrumente werden hier spielerischer und beschwingter eingesetzt. Mit „Moon River“ endet der futuristische Ausflug in die Vergangenheit. Auch hier, tief, duster, klagend, die Instrumente. Dafür klingt die Stimme Cadotschs etwas heller, ihr final gehauchtes „meee“ fast so etwas wie ein hoffnungsvolles Versprechen an die Zukunft.
CD, 2016, 10 Tracks, Label: Enja/Yellowbird
Tina Adomako30.03.2016