Caroll Vanwelden

“Sings Shakespeare Sonnets 2“

Zwei Jahre sind vergangen, seit Caroll Vanwelden ihr erstes Album mit vertonten Sonetten des berühmten englischen Dichters herausbrachte. Da der Barde von Stratford upon Avon über 150 solcher „Klinggedichte“, wie sie im Barock genannt wurden, geschrieben hat, blieben noch genügend übrig, um ein zweites Album zu bestücken. Für ihr erstes Shakespeare Album hat die belgische Musikerin ausschließlich sogenannte „Prokreations-Sonetten“ gewählt, die thematisch von der Unbeständigkeit aller Dinge und der Vergänglichkeit des Lebens handeln. Nachdem Mister Shakespeare sich also in seinen ersten 17 Sonetten über die Tragödie des Temporären beklagt hatte, widmete er sich in den restlichen Gedichten anderen Themen wie Liebe und Schönheit, aber auch Status, Verzweiflung und Eifersucht. Aus diesem breiten Fundus hat Vanwelden erneut 16 Sonette gewählt, die sich mit allen „möglichen und unmöglichen“ Beziehungen befassen. Dabei steht die Liebe stets im Vordergrund, auch wenn sich Themen aus dem Prokreation-Zyklus wiederholen, wie etwa auf den Tracks 3 (Sonnet 65) oder 5 (Sonnet 106), in dem es um den Zerstörungsdrang der Zeit geht.
Interessant ist, dass die Tracks auf der CD anders betitelt sind, als auf der CD-Hülle. So heißt z.B. das sehr lebendig umgesetzte Sonnet 65 (Since Brass nor Stone) hier „Marriage of True Minds“ oder das als ruhige Ballade vorgetragene Sonnet 128 (How Oft, When Thou My Music Play’st) heißt „Not From The Stars“. Warum Vanwelden das so macht, weiß ich nicht. Vielleicht, um durch die neu vergebenen Titel die Gedichte leichter aus dem 17 Jahrhundert ins 21. Jahrhundert zu holen, denn die von Shakespeare beschriebenen Gefühle bleiben zeitlos. So kommt das Sonnet 145 (auf der Hülle: Those Lips) als kleine ChaChaCha-Nummer mit dem Titel „Who Will Believe“ daher. Luftig arrangiert und mit unterschiedlichen Jazz-Elementen versehen, vertont Vanwelden den Barden. Wie auf dem ersten Album steht ihre Stimme im Vordergrund, klar und kräftig, umrahmt von angenehmen Klavierläufen und Trompetensoli. Doch auch dieses Mal sind die Texte schwer zu verstehen, weshalb man schnell nur Melodie und Gesang als Inhalt lauscht. Das ist sehr angenehm, doch bedeutet es auch, dass Shakespeare ziemlich flöten geht. Denn leider springt bei keinem Stück etwas von der bewegenden Bandbreite der Gefühle über, die das Lesen der Gedichte Shakespeares hervorzurufen vermag.
Mit der melancholischen Liebesklage, die auf der CD den Titel „Forty Winters“ trägt (Sonnet 147: My Love Is As A Fever) endet der zweite Ausflug in Shakespears Dichtwelt. Ein Gedicht, das von Gefühlen handelt, die so gewaltig sind, dass sie rasenden Wahnzuständen (wie im Fieber) ähneln, klingt bei Vanwelden sanft, lieblich und höchstens leicht traurig. Wie gesagt, die Wucht der Emotionen kommt bei mir nicht an. Trotzdem ist das ein wohlklingendes Jazz Album, das perfekt zur etwas dunkleren Jahreszeit passt.

CD 2014, 16 Tracks, Label: JazzNArts Records

Tina Adomako

17.12.2014