Nadine Shah

“Love Your Dum and Mad“

Es kann um die (Pop-)Welt doch nicht so schlecht bestellt sein – jedenfalls nicht, wenn man die verdiente Aufmerksamkeit zum Maßstab nimmt, die der aus Newcastle stammenden Singer-/Songwriterin Nadine Shah zuteil wird. Am ehesten lässt sich Shah mit Mirel Wagner und Anna Calvi in eine Reihe stellen, denen sie stilistisch, inhaltlich und musikalisch nahe ist. Die Tochter norwegisch-pakistanischer Eltern nennt Maria Callas, Nina Simone, Mariah Carey und Whitney Houston als Vorbilder – und genauso beeindruckend ist auch Nadines variationsreiche Stimme: dunkel, kräftig und selbstbewusst. Shah zieht ihre Inspiration aber auch aus den Werken Frida Kahlos oder William Hogarths, was vielleicht das Bildhafte, Plastische in Shahs Texten erklärt. Shahs Hang zur düsteren Moritat lässt an Nick Cave und PJ Harvey denken, aber man täte Nadine keinen Gefallen, wenn man ihre Musik nur im Vergleich mit anderen beschriebe. Auf ihrem Album „Love Your Dum and Mad“ schlüpft sie in verschiedene Rollen, zum Beispiel in die der betrogenen Ehefrau, die in „Runaway“ ihrem Gatten hinterherruft, er solle doch zu seiner Hure gehen, sie bliebe schon bei den Kindern, klar. Oder „To Be A Young Man“: offensichtlich brauchte es eine junge Frau, um die Seelennöte eines jungen Mannes in Worte zu fassen. Musikalisch ist „Love Your Dum and Mad“ voller interessanter Details, die sich oft erst beim zweiten Hören so richtig entfalten: die eiskalt-metallischen Industrialbeats vom Opener „Aching Bones“, das vordergründig sanfte Piano auf „All I Want“ oder das Kälte und Leere ausstrahlende Arrangement vom „Winter Reigns“. Nadine Shah hat mit modischem Mainstream-Chartpop rein gar nichts gemeinsam und ist trotzdem erfolgreich – das gibt Hoffnung, auch wenn ihre Songs traurig und verstörend sind.

CD, 2013, 11 Tracks , Label: Apollo/Alive

Christina Mohr

07.08.2013