Neneh Cherry & The Thing

“The Cherry Thing“

Es ist schon bezeichnend, dass selbst das Presseinfo zu „The Cherry Thing“ nur auf Neneh Cherrys Vergangenheit als Hitsängerin in den 1990’ern („Manchild“, “Seven Seconds” mit Youssou N’Dour) abhebt und ihre musikalischen Anfänge nicht erwähnt. Dabei begann die Karriere der Stieftochter von Jazzmusiker Don Cherry äußerst aufregend: sie sang in der Bristoler Postpunkband Rip, Rig & Panic, die experimentellen Jazz, New Wave und Funk mixte und in den frühen Achtzigern drei wegweisende Platten („God“, „I Am Cold“ und „Attitude“) veröffentlichte. Nach längerer Veröffentlichungspause – abgesehen von Gastgesang auf Platten der Gorillaz, Speech und ihrem Halbbruder Eagle-Eye Cherry – kehrt Neneh Cherry mit dem skandinavischen Free-Jazz-Trio The Thing zu ihren Wurzeln zurück. Die acht Tracks auf „The Cherry Thing“ sind allerdings noch radikaler, furioser und wilder als es Rip, Rig & Panic jemals waren und werden „Seven Seconds“-Fans extrem irritieren. Saxophonist Mats Gustafsson und die PercussionistInnen Ingebrigt Haker Falten und Paal Nilssen-Love sind geniale Avantgard- und Dekonstruktivisten, die sich Songs von Don Cherry, Martina Topley-Bird, MF Doom, den Stooges oder Ornette Coleman aneignen, um sie genüsslich zu zerschreddern oder aus dem Prä-Noise-Stück „Dream Baby Dream“ von Suicide ein hypnotisch-intimes Erlebnis zu machen. Neneh Cherry wirkt übrigens keineswegs wie die nur aus Prestigegründen eingeladene Starsängerin – ihre charakteristisch heisere Stimme fühlt sich im krachigen Umfeld so richtig wohl, ein Eindruck, der sich beim einzigen Deutschland-Konzert von The Cherry Thing in Berlin mehr als bestätigte.

CD, 2012, 8 songs, Label: Smalltown Supersound (Soulfood)

Christina Mohr

07.08.2012