Wallis Bird

“Wallis Bird“

Wer Wallis Bird einmal live gesehen hat, wird das nicht so schnell vergessen: die irische Gitarristin und Sängerin ist zwar winzig klein, aber ein wahres Energiebündel, das auf der Bühne zum Derwisch wird. Ihre Stimme ist enorm ausdrucksvoll, ihre Spiellaune gewaltig: „Expect anything from humming bird to strumming bird“, ruft Wallis ihren Fans entgegen und macht damit kein hohles Versprechen. Im Konzert machen ihre Stimmungs-, Stil- und Tempowechsel Spaß, auf Platte ist das allerdings zuviel des Guten: Das Spektrum auf Wallis’ drittem, selbstbetitelten Album reicht von intensiven Powerballaden wie „Ghost of Memories“ und „I Am So Tired Of That Line“ über stampfenden Rock bei „Who´s Listening Now?“, chartkompatiblen Fingerschnips-Pop („Heartbreaking City“) bis zu klavieruntermaltem Sechzigerjahre-Folk mit Kunstliedcharakter („But I´m Still Here, I´m Still Here“). Eine eigene Linie zeichnet sich kaum ab, abgesehen von Birds wirklich tollem, virtuosen Gitarrenspiel, das umso beeindruckender ist, wenn man weiß, dass sie als Kind bei einem Unfall einige Finger der linken Hand verlor, die wunderbarerweise wieder angenäht werden konnten. Vielleicht war dieser Vorfall der Auslöser für Wallis’ unerschütterliche Haltung, alles mitnehmen und ausprobieren zu wollen – am Schönsten und Anrührendsten aber sind ihre Songs, wenn sie ganz reduziert und minimalistisch daherkommen wie das lässig-verträumte „Feathered Pocket“, auf dem Wallis Bird klingt wie die kleine Schwester von Edie Brickell.

CD, 2012, 11 Tracks, Label: Karakter Worldwide

Christina Mohr

11.03.2012