Jolly Goods
“Walrus“
Der allwissende Internethandel amazon informiert, dass Kunden, die Jolly Goods’ „Walrus“ kauften, auch „Mutual Friends“ von BOY erworben haben – doch nichts ist abwegiger, als diese beiden Bands in einen Topf zu werfen, die nichts außer der Tatsache gemein haben, ein aus zwei Frauen bestehendes Duo zu sein. Hier die völlig unqueeren, braven Mädchen von BOY, die mit ihren modisch-melancholischen Popballaden die Welt zu einem behaglicheren Ort machen möchten; dort die Schwestern von Jolly Goods, die niemandem gefallen wollen, sondern der abgefuckten Nachbarschaft ein dickes fettes Walross in den Gartenteich werfen. Tanja Pippi und Angy brachen vor ein paar Jahren aus dem Odenwald-Kaff Rimbach auf, das zu klein und eng war für den Zorn, den sie in ihrem Debütalbum „Her.barium“ entluden. Nach ein paar Jahren in Berlin sind Jolly Goods noch immer wütend, stachlig und an Integration in irgendeine Szene gänzlich desinteressiert. „Walrus“ ist ein monolithisches Monster, geschaffen aus Riot Grrrlsm, Noise, Blues, Folk (ja!) und feministischer Rock-Poetry vom Schlage einer Patti Smith oder Courtney Love. Produziert wurde „Walrus“ von Hans Unstern und Dirk von Lowtzow, der sich laut eigener Aussage wie „ein Produktionspraktikant“ vorkam – aber die Producerfrage ist letztlich unerheblich. Songs wie „Travel“ und „Black“ sind tiefschwarze, grollende, dabei höchst sensible Riot-Epen, Sleater-Kinney und Babes in Toyland sind hier die Schwestern im Geiste. Das vordergründig versöhnliche „If I Were A Woman“ könnte in einer Bar laufen, die von Lydia Lunch geführt wird – lasziv ist hier nur der Groove. Was Tanja Pippi und Angy aus Stimme, Schlagzeug und Gitarre rausholen, ist mit dem Begriff Intensität nur unzureichend beschrieben. „Walrus“ ist sperrig, völlig unmodisch und unangepasst. Für Fans von BOY nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.
CD, 2011, 12 Tracks, Label: Staatsakt
Christina Mohr04.10.2011