Joss Stone

“LP 1“

Vor sechs Jahren erschütterte eine Stimme die gesamte Rock-, Blues- und Soulwelt: Ein gerade mal 16-jähriges Naturtalent aus dem beschaulichen Devon im Süden Englands errang mit ihrer Erstveröffentlichung „The Soul Sessions“, Coversongs meist unbekannter R&B-Songs, Goldstatus in Deutschland, in den USA und Großbritannien Platin, zwei Brit-Awards sowie drei Grammy-Nominierungen. Auf EMI veröffentlichte sie in den Folgejahren drei weitere Alben, allesamt von Publikum und Kritik höchst gelobt, die sich weltweit 11 Millionen Mal verkauften. „Aretha Joplin“ nennt sie Smokey Robinson – zu Recht, groovt und soult sie doch wie Aretha Franklin, schreit, faucht und flüstert wie die unvergessene Queen of white Blues, Janis Joplin. Sie selbst war mit ihrem Label jedoch unzufrieden – um die Veröffentlichung ihres vierten Albums „Colour me free“ stritt sie zwei Jahre! Als Konsequenz gründete sie nun ihre eigene Firma und nannte die erste Platte LP 1.
Aufgenommen mit dem Produzenten Dave Stewart (Eurythmics) in Nashville/Tennessee, mit Stewart zusammen selbst geschrieben, bieten die zehn Songs eine Mischung aus Rock, Blues, Soul und Pop. Druckvoll, mitreißend, immer wieder atemberaubend die Stimme. Rockig treibend bei „Newborn“, soulig-beatig bei „Karma“, überwältigend emotional bei „Last One To Know“, soulig-countryesk federnd bei „Somehow“. „Boat Yard“: eine wunderschöne Melodie, ein Refrain, der sich öffnet wie der besungene Regenbogen – Angst vor großen Emotionen darf die Hörerin nicht haben, die Joss Stone auf der Achterbahnfahrt ihrer Gefühle folgt. Und die Reaktion der Kritiker auf dieses Album? Nun, „zu wenig Neues“, wo sie doch nun frei von Labelzwängen ist, wird ihr angelastet. „Zu glatt“ die instrumentale Begleitung und das Arrangement. Für mich bekannte Argumente, wenn man sonst nichts zum Mäkeln findet, und noch dazu „Nashville“ auf dem Cover liest. Findet man dort doch, neben LA, die besten Studiomusiker der Welt, die sich blitzschnell auf jede gewünschte Musikrichtung einstellen und jeder Emotion blind folgen können. So auch auf LP 1: dicht, spannungsgeladen, einfühlsam, nie aufdringlich folgen Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards der Wunderstimme, setzen Pedal Steel-Gitarre und zwei Backing Vocals mal Country-, mal Gospelakzente. Für mich das beste Bluesrock-Album des Jahres.

CD, 2011, 10 Tracks, Label: Stone’d Records

Fee Kuhn

07.09.2011