Gaby Moreno
“Still the Unknown“
Noch unbekannt – so hat die 29jährige Guatemaltekin ihr Debütalbum genannt, und das trifft, zumindest für Deutschland, zu. In ihrer Wahlheimat USA konnte sie schon etliche wichtige Preise und begeisterte Pressestimmen einheimsen. Beim Hören erfreut zunächst eine sehr angenehme Unaufgeregtheit und Unaufdringlichkeit. Ihre rauchzarte Stimme wird umrahmt von kammermusikalischer Bandbegleitung, wobei sie selber Gitarre und Klavier spielt. Die Songs, selbst geschrieben bis auf ein Traditional, wirken zunächst einfach, haben aber immer diesen gewissen harmonischen Dreh. Ja – Komposition und Gesang hat sie studiert am renommierten Musicians Institute in Los Angeles, und das merkt man. „Little Sorrow“, das erste Stück, ist wirklich „Indie-Soul“, wie ihr Stil gerne bezeichnet wird – schön bluesig-groovig gesungen, dazu eingängig, das könnte die Single-Auskoppelung werden. Die nachfolgenden Songs zeigen ihre musikalische Bandbreite: „It’s been a Pleasure“ erinnert in Gesangsharmonie und Gitarrensound tatsächlich an die Beatles, „Letter to a mad Woman“ swingt old time-jazzig, und beim titelgebenden „Still the Unknown“ rumpelt das Schlagzeug schön indiemäßig. Noch mehr überzeugt Moreno mich, wenn sie in ihrer Muttersprache Spanisch singt – die letzten zwei Lieder auf der CD. „La vez que no me pude atrever“ (Das eine Mal, als ich mich nicht traute): Durch ganz direkte Gesangsaufnahmetechnik flüstert sie uns ins Ohr, während in der Ecke die Schießbude entspannt und dezent bearbeitet wird… eigenartig berührend. Beim bluesig-souligen „No estoy tan mal“ mit Hammondorgel zeigt sie, dass sie nicht nur schnurren kann, sondern durchaus Shouter-Qualitäten besitzt, wie auch auf Live-Videos zu erkennen. Die Presse hat sie mit Norah Jones und Rickie Lee Jones verglichen; da ist was Wahres dran. Vielleicht haben die großen Kolleginnen doch noch etwas eingängigere Lieder geschrieben, da der Marktwert bei der Musikindustrie und somit der Bekanntheitsgrad eben nach der Hitsingle taxiert wird. Ich würde der sympathischen Musikerin wünschen, dass die Industrie ihren Wert erkennt und sie bald das eine nicht mehr ist: noch unbekannt.
CD, 2011, 11 Tracks, Label: World Connection
Fee Kuhn04.06.2011