Planningtorock
“W“
„W“, Double U hat Janine Rostron alias Planningtorock ihr zweites Album genannt und tatsächlich gibt es auf „W“ mehr als nur ein Ich, eine Stimme, ein Geschlecht oder ein Universum. Auf ihrem Debütalbum „Have It All“ (2006/Chicks on Speed) mixte die ausgebildete Violinistin Rockoper-Elemente, HipHop und an den Nerven zerrende Sound- und Textmonstren á la Kevin Blechdom zu einem so anstrengenden wie umwerfenden Kunstwerk. „W“ wirkt düsterer, nachdenklicher, aber auch sehr offen und zugänglich. Paradox? Ja und nein. Planningtorock experimentiert auf „W“ sehr stark mit ihrer Stimme, sie grollt und hallt, hört sich mal an wie Gloria Gaynor auf Morphinen, mal wie der Geist von Elvis in einer sehr weit entfernten Galaxie. Zeit-, Raum- und Geschlechtsdefinitionen spielen keine Rolle auf „W“, Planningtorock spiegelt und verzerrt Sichergeglaubtes auf tausendfache Weise. Spektakuläre Verkleidungen sind im Werk der in Bolton, Nordengland aufgewachsenen und in Berlin lebenden Künstlerin unverzichtbar, sie dienen ihr nicht zum Verstecken, vielmehr zum Sichtbarmachen von Gefühlen, Zuständen, Themen. Trug sie zu „Have It All“-Zeiten hauptsächlich eine übertriebene barocke Halskrause, sieht man auf dem Cover von „W“ ein Foto von Rostron mit einer Phantom der Oper-ähnlichen Maske. Und doch ist man nicht verwirrt oder gar genervt von zu viel Kunstwillen, im Gegenteil. „W“ strahlt eine obskure und beruhigende Schönheit aus, als hätte man von einem freundlichen Alien ein sehr seltsames und wertvolles Geschenk erhalten. Planningtorock hat dreieinhalb Jahre in ihrem (sehr irdischen) Kreuzberger Studio an „W“ gebastelt, dicke Geigenteppiche ausgerollt und Saxofone darübergeträufelt, zur dunkeltechnoiden Single „The Breaks“ und dem Space-House-Track „Living It Out“ kann man sogar tanzen. „Janine, don´t go with those guys, what´s in it for you?“ flüstert es warnend in Planningtorocks Coverversion von Arthur Russells „Janine“ – und wirklich, was sollte Janine Rostron von den „Jungs“ schon haben können, was sie alleine nicht viel besser könnte?
CD, 2011, 12 Tracks, Label: Cooperative Music
Christina Mohr19.05.2011