Haight-Ashbury

“Here in the Golden Rays“

Haight-Ashbury – diese Kreuzung zweier Straßen in San Francisco war in den späten 1960er Jahren der Nabel der Welt – aller derer, die von der verlogenen Spießigkeit der Nachkriegsjahre und dem Korea- und Vietnamkrieg genug hatten und sich deshalb der Hippie-Bewegung anschlossen. In diesem Schmelztiegel entstanden Ideen musikalischer, gesellschaftspolitischer und philosophischer Art, die später oft belächelt wurden, die aber heute noch aktiv nachwirken, wie z.B. in der Anti-Atomkraft- oder der Vegetarier-Bewegung. Da darf man gespannt sein, was einem eine junge Band aus Glasgow zu bieten hat, die sich so einen geschichtsträchtigen Namen ausgesucht hat. „In die goldenen Strahlen“ der Hippie-Ära fühlt man sich in der Tat schon beim ersten Lied, „Freeman Town“, versetzt. Zwei mädchenhafte Stimmen (Kirsty am Bass und Jen an der Percussion), bisweilen mit dem Harmonizer hippiesk verbreitert, zaubern mit ihrem eindringlich-hypnotischen Quinten-Harmoniegesang eine so verträumt-entspannte Stimmung, als läge man im Summer of Love 1967 bei einem Free Concert im Gras des Golden Gate Parks. Bruder und Schwester Scott an Gitarren und Sitar schrammeln fröhlich drauflos, so dass das Ganze mal Scottish folkig („Sympathetic Strings“), dann wieder sehr psychedelisch („Alphalpha“) klingt. „Als ob Velvet Underground die Mamas & Papas als Backupband begleiten“, hat ein Kollege geschrieben. Trifft es fast – mich erinnert das Ganze jedoch angenehm an die San Franciscoer Band It’s a Beautiful Day, die mit „White Bird“ auch bei uns 1969 bekannt wurden. Was sie jedoch sowohl von ihnen als auch den Mamas & Papas trennt – und hier sind wir auch schon bei dem Manko der Band: die Songs sind nicht als „Kompositionen“ zu bezeichnen. Die durchwegs hübschen Melodielinien bewegen sich ständig um eine (okay, manchmal auch eine zweite) Grundharmonie. Das macht die anfangs begeisternde Musik so circa ab dem fünften Song dann doch etwas eintönig. Na gut – ich liege beim Anhören leider nicht im Gras, sondern sitze am Computer; der Effekt wäre bestimmt ein anderer. Deswegen auch nur ein klitzekleiner Punktabzug für das interessante Debüt der erst vier Jahre jungen Band.

CD, 2011, 12 TRacks, Label: Lime Records

Fee Kuhn

27.04.2011