Mariza

“Fado Tradicional“

In den verruchten Kneipen des  Armenviertels Mouraria in Lissabon ist der Fado Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Spontan trugen dort Sängerinnen ihre traurigen Balladen vor, begleitet nur von einer portugiesischen Gitarre. In den Liedern ging um das harte Leben, um unglückliche Liebe, schwere Zeiten und unerfüllte Sehnsüchte. Auf ihrem neuen Album „Fado Tradicional“ kehrt Mariza, die derzeit als erfolgreichste Fadista weltweit gilt, zu den alten Fado-Wurzeln zurück und präsentiert Klassiker des Weltschmerz-Genres. Sänger wie Reinaldo Varela und Alfredo Marceneiro oder Instrumentalisten wie Carlos da Maia, Jaime Santos und Miguel Ramos haben diese Songs in den 20er bis 50er Jahren des letzten Jahrhunderts populär gemacht. Mariza nimmt sich auf dieser Scheibe all jener klassischer Melodien an, die zum traditionellen Fado Songbook gehören und interpretiert sie zum Teil ganz neu, teilweise sogar gewagt-experimentell.  
Die Sängerin eröffnet mit einem Fado von Francisco Viana, in dem sie das Ende, die Vergänglichkeit aller Dinge besingt. „Tudo aquilo que começa, Tarde ou cedo há-de acabar”. Erwartungsgemäß beginnt das Lied schwermütig, melancholisch, doch dann wird es in der zweiten Strophe plötzlich leicht wie ein Tanzliedchen. Solche Überraschungen hält die Fadista auf dieser Scheibe mehrmals bereit. Ihre Interpretationen von Fernando Pessoas  „Donna Rosa“ und Frederico de Brito und José Duartes  „Rosa Da Madragada“ zum Beispiel klingen so fröhlich, das sie kaum als Fados zu erkennen sind. Die Sängerin gibt den Songs einen neuen, ausgelassenen Anstrich. Natürlich hat auch das Traurig-Morbide in dieser Song-Sammlung seinen Platz. Zusammen mit Artur Batalha lässt Mariza mit dem herzzerreißenden „Promete, Jura“ (Versprich es mir, schwöre), das Album in bester Fado-Herzschmerz-Manier ausklingen. Wenn auch bei manchen Tracks das Gefühl „schon oft gehört“ hochkommt (und das ist bei einer Zusammenstellung von traditionellen bzw. gecoverten Songs ja kaum anders zu erwarten) sorgt Marizas expressive Stimme dafür, dass selbst hundertmal Gehörtes wunderbar tönt. Es muss ja auch nicht immer alles neu sein, finde ich. 

CD, 2011, 12 Tracks, Label: EMI / Capitol

Tina Adomako

08.03.2011