Marianne Faithfull

“Horses And High Heels“

Marianne Faithfulls Biographie ist popkulturelles Allgemeingut. Die Musik der 64-jährigen ist untrennbar mit ihrer Lebensgeschichte verbunden – unmöglich, einen ihrer Songs zu hören, ohne ihre aristokratische Herkunft, ihr wildes Leben in den Sechzigern, ihre frühe Karriere, ihre Liebschaft mit Mick Jagger, ihre Heroinsucht, ihren Absturz, ihr Comeback mit „Broken English“, ihre Krankheiten, Filme, Brecht/Weill-Interpretationen etc. pp. im Hinterkopf zu haben. Das rührt unter anderem auch daher, dass Faithfull sehr regelmäßig neue Platten veröffentlicht, zu denen regelmäßig Rezensionen erscheinen, in denen regelmäßig ihr Lebenslauf wiederholt wird. Und dennoch wird man nie müde, der Grand Dame zuzuhören, denn ihre Stimme ist so sagenhaft verlebt, vernarbt, kaputt und weise, dass sie auch dem schlichtesten Song, dem unbedarftesten Text eine gehörige Portion memento mori einhaucht. Seit Jahren arbeitet Faithfull mit dem Produzenten Hal Willner zusammen, der ihren heiseren Sprechgesang ins Zentrum stellt und die Musik sachte drumherum arrangiert. Berühmte Freunde wie Lou Reed und Wayne Kramer dürfen Gitarre spielen, sich aber nicht zu sehr in den Vordergrund drängen. Das ist auch auf „Horses And High Heels“ so, auf dem Faithfull wieder hauptsächlich Songs anderer Künstler wie Elton John („Love Song“) interpretiert, vier Stücke hat sie gemeinsam mit Doug Pettibone geschrieben. Anders als auf den letzten Platten aber gibt es keine Auftritte von Gastsängern wie Antony Hegarty oder Rufus Wainwright. „Horses And High Heels“ ist Faithfull in Reinform, obwohl die meisten Songs von anderen erdacht wurden. Es klingt banal, aber es ist so: Marianne Faithfull macht jedes Lied zu ihrem eigenen. Und so kann man sich Greg Dullis Ballade „The Stations“ nicht anders als in Faithfulls düsterer Darbietung vorstellen, dito Allen Toussaints Schnulze „Back In Baby´s Arms“, selbst den recht müden Country-Blues „No Reason“ von Jackie Lomax füllt sie noch mit Bedeutung. Und doch sorgen die Eigenkompositionen wie der Titelsong oder „Why Did We Have To Part“ für die stärksten Momente – vielleicht weil Faithfull doch selbst am besten weiß, wie man sich als Überlebende einer solchen Biographie, siehe oben, fühlt.

CD, 2011, 13 Tracks, Label: naïve

Christina Mohr

06.02.2011