Laia Genc Liason Tonique 5
“Polyfangastronosia“
Die deutsche Jazzpianistin Laia Genc landete ihren ersten größeren Coup mit ihrem Album „Strandgut“ (2008), das von der Presse als außergewöhnliches französisch-deutsches Improvisationsprojekt gepriesen wurde. Nun legt Genc ein weiteres Album mit ihrer Band „Liason Tonique“ vor, die sie um drei weitere französische Musiker erweitert hat. Das Album fällt mit dem griffigen Titel „Polyfangastronosia“ auf. Damit gemeint ist eine frei erfundene Herz-Magen-Erkrankung, die sich auf die musikalischen Sinne und Fähigkeiten auswirken und in eine unheilbare Obsession münden soll. Die witzige Extravaganz des Titels ist auch ein programmatischer Vorgeschmack auf die Musik. Die Titel sind alle bis auf „Unanswered Questions“ Instrumenals und bestechen durch ihre Experimentierfreudigkeit. So beginnt das erste Stück „Polyfangastronose“ mit Arpeggien von Saxofon und Posaune, die den traditionellen dur-moll-tonalen Rahmen mittels dissonanter Intervalle sprengen. Diese nicht-mehr-tonalen Läufe stellen sich im weiteren Verlauf als beliebtes Stilmittel dieser Musik heraus. Allerdings verhält es sich mit diesen gebrochenen Akkorden so wie mit einem exotischen Gewürz beim Kochen. Ein zu häufiger Gebrauch nutzt sich ab und man wird ihm schnell überdrüssig. Dieses Stilmittel würde neben traditionell tonalen Akkorden besser zur Wirkung kommen. Die frei-atonale, etwas kühle Extravaganz der Musik entsteht, und das ist wirklich verblüffend, vom drummer Nils Tegen. Dieser außergewöhnliche Musiker – übrigens auch ein versierter Pianist – behandelt seine percussions wie ein Tonhöhen-Instrument und sorgt für überraschende, manchmal auch irritierende Momente. Insgesamt verfolgt Laia Genc mit diesem Album – übrigens ein Auftragswerk der Musiktriennale Köln – die eingeschlagene Richtung des „Strandgut“-Albums. Improvisationsfreudiger, frei-atonaler Jazz, der die Grenzen zur zeitgenössischen Neuen Musik gerne überschreitet und den Hörer herauszufordern versteht.
CD, 2009, 9 Tracks, Label: Jazzhausmusik
Sandra Müller-Berg07.12.2010