Esperanza Spalding
“Chamber Music Society“
Prinzipiell gilt festzuhalten, dass die Musikerin Esperanza Spalding für die weibliche Musikwelt in vielerlei Hinsicht unsympathisch ist: Sie ist mit 26 Jahren nicht nur jung, sondern noch nahezu unverbraucht. Sie sieht wunderbar aus. Sie spielt mindestens zwei Instrumente perfekt (Violine und Kontrabass). Außerdem singt sie auch noch ziemlich gut. Sie wurde mit zwanzig Jahren jüngste Professorin aller Zeiten am renommierten Berklee College in Boston. Ihr zweites Album wurde als kleine Sensation eingestuft und hielt sich 70 Wochen in den Jazz Charts. Sie spielte auf der Nobelpreis-Zeremonie von Barack Obama. Und – für alle LeserInnen des deutschsprachigen Raums – sie hat sogar einen Eintrag in Wikipedia… Nun ist natürlich das Interesse an einer solchen Ausnahmemusikerin groß und die Erwartungen an ihr drittes Album entsprechend hoch.
Mit dem Titel ihrer dritten CD „Chamber Music Society“ erinnert Spalding an ihre musikalische Herkunft, den gleichnamigen Kammermusikverein in Oregon, in dem sie ihre ersten wichtigen Erfahrungen als Violinistin machte. Und lässt anklingen, dass sie mit ihrem eigenen musikalischen Stil eine ganz eigene Art von „Kammermusik“ kreiert hat, der sich stilistisch nicht oder kaum einordnen lässt. Mit transzendenter Luzidität verwandelt sie ihren Kontrabass in ein federleichtes melodiöses Instrument. Die aussdrucksstarken Basslinien verzahnt sie in sechs Titeln mit Vokalisen, in die sie wie in einen Traum hinein zu gleiten scheint. So entsteht ein mehrdimensionales Musikgebilde, das trotz aller Komplexität und Kreativität groovig swingt. Allerdings geraten die Stücke mit den Vokalisen auf Grund Spaldings Experimentierfreudigkeit manchmal aus der Form – man hat Mühe, die gewagten Modulationen nachzuvollziehen. Eine in sich geschlossenere Form ist in den drei Titeln „Little Fly“, „Wild Is The Wind“ und „Apple Blossom“ zu finden, die vielleicht zu den stärksten Momenten dieser CD gehören. Witzig und lässig ist die Instrumentaleinlage „As A Sprout“, die mit einer Kürze von 41 Sekunden dem Titel alle Rechnung trägt. Insgesamt präsentiert diese CD Musik von der besonderen Art, die – mit aller gebotenen Vorsicht – das Zeug haben könnte, ihre Zeit zu überdauern und zu einem „Klassiker“ zu werden.
CD, 2010, 11 Tracks, Label: Heads Up
Sandra Müller-Berg15.09.2010