Tender Forever

“No Snare“

Es wird nicht leicht für Melanie Valeras alias Tender Forever, sich im allgegenwärtigen Surren und Brummen der Vuvuzelas Gehör zu verschaffen – mit einem Album, das auf den Einsatz der Snare-Drum verzichtet und nur eine knappe halbe Stunde lang/kurz ist. Darum wollen wir „No Snare“ umso dringender empfehlen: Valeras lässt auf ihrer dritten Platte nicht nur die Trommel weg, sondern erfindet sich musikalisch gleich ganz neu. Waren ihre ersten beiden Alben „The Soft and the Hardcore“ und „Wider“ (beide auf K Records) stark Elektronika-geprägt und dancefloor-tauglich, feiert „No Snare“ Ruhe und Innerlichkeit. Und das mit Hingabe: auch wenn keine Snare den Beat vorantreibt, „fehlt“ dieser Platte nichts. Tender Forever schöpft aus einem Füllhorn unterschiedlichster Instrumente und Soundeffekte, die Auflistung aller Gerätschaften und Gegenstände („1 can of rice“, „A glass of water and a pen“) beansprucht fast eine ganze Seite des Booklets. Die Songs sind skizzenhaft kurz und loten die Schönheit der Stille aus, ohne allzu melancholisch zu wirken. Im Gegenteil, die 33-jährige Songwriterin aus Oregon lädt auch den leisesten Ton mit Spannung und Intensität auf; Valeras Stimme erinnert an Sineád O’Connor, allerdings ohne deren theatralische Reliigiosität. Folk und Americana sind die Grundlage der neun Tracks, bis aufs Skelett ausgezogener Soul und R’n’B schleichen sich hier und da ein und bringen unterschwellig mäandernden Groove mit, auch ohne Snare. Selbst ein dunkel-dramatischer Song wie „Nowhere Good Enough“, der die Unmöglichkeit des Zuhause-Seins thematisiert, versinkt nicht in Depression, wirkt vielmehr aufrührerisch energiegeladen. Vielleicht ist die offen queere/lesbische Melanie Valeras daran gewöhnt, zu kämpfen – ihre Musik und Texte jedenfalls strahlen Unerschrockenheit und Unbeugsamkeit aus.

CD, 2010, 9 Tracks, Label: K Records

Christina Mohr

21.06.2010