Rox

“Memoirs“

„Mehr Soul als 100 Motown-Platten“, verkündet das neue Intro-Heft hysterisch – eine ganz schön gewagte Behauptung über die 21-jährige Roxanne Tania Tataei, wenn man bedenkt, dass Marvin Gaye, die Supremes und Stevie Wonder auf Motown veröffentlicht haben. Na ja, zurzeit ist es nicht so schwer, der neue (Retro-)Soul-Hype zu sein: aktuelle Platten von Amy Winehouse, Duffy oder Adele? Fehlanzeige, nix in Sicht, nirgends. Leichtes Spiel also für Rox, die Westlondonerin mit jamaikanisch-iranischen Wurzeln, die ihre Stimme in Kirchenchor und
Musicalaufführungen trainierte und schon als junges Mädchen in Jazzcombos sang.

Klingt bis hierhin ziemlich despektierlich, oder? Dabei macht Miss Rox alles richtig: Sie hat eine kräftige, mehrere Oktaven umspannende Stimme, elegant, aussdrucksstark und wandelbar. Optisch orientiert sie sich an Lauryn Hill, was nicht die schlechteste Referenz ist. Rox komponiert und textet selbst und weder verwundert es, dass Rough Trade auf sie zukam und ihr namhafte Producer und Musiker an die Seite stellte, noch, dass Paul Weller und Mark Ronson explizite Rox-Fans sind. Und sie hat ein Album voller Hits abgeliefert: auf „Memoirs“ zeigt Rox, was sie kann, und das ist eine Menge. Sie überzeugt in dramatisch tremolierten, an Whitney Houstons beste Zeiten erinnernden R’n’B-Balladen mit Gospeleinschlag („Oh My“, „Page Unfolds“) genauso wie in fröhlichen catchy Popsongs wie „My Baby Left Me“ und „I Don’t Believe“ oder lässigem Reggae („Rocksteady“). Rox flirtet heftig mit der Vergangenheit (ja, auch mit Soul á la Motown) und doch ist immer klar, dass „Memoirs“ ein Produkt aus dem London der Jetztzeit ist – HipHop und Rap schwingen an den Rändern mit, wenn auch nicht explizit ausgespielt. Dazu klingt „Memoirs“ an keiner Stelle überladen, denn Rox hat ein sicheres Gespür für den richtigen Ton. Fast schon zu sicher für eine Debütantin.

CD, 2010, 13 Tracks, Label: Beggars

Christina Mohr

16.06.2010