Karen Elson
“The Ghost Who Walks“
Wieder einmal übt sich ein erfolgreiches Model im Singen. Seit der Hochzeit mit dem White-Stripes-Frontmann Jack White 2005 wagt sich Karen Elson offiziell auf jobfremdes Terrain. Schon zwei Monate nach der Trauung veröffentlicht R.E.M.s Michael Stipe ein Stück von ihr. Im Jahr darauf covert sie zusammen mit Cat Power „Je t’aime… moi non plus“ von Serge Gainsbourg. Aber am Ende geht es über „hübsche Frau trällert ganz nett Liedchen“ leider nicht hinaus. Outfit und Make-up im glamourösen Gothic-Style sind dennoch entzückend anzuschauen. Ganz abgesehen davon, dass Ehemann Jack White auf dem Debüt trommelt und die halbe Besetzung von The Dead Weather als Begleitband mit von der Partie ist.
Artig versucht Frau Elson Außergewöhnliches zu präsentieren. Mal orgelt es durch die Songs, mal steht die singende Säge im Vordergrund, mal mischen Akkordeon, Geige und Klarinette mit. Zu all dem gesellen sich Kabarett-Einflüsse, als wollte sie Amanda Palmer Konkurrenz machen. Soweit geht das in Ordnung. Immerhin ist Karen seit 2006 Mitglied einer Kabarett-Truppe. Aber dann übertreibt sie. Elson hat bis auf das Rachelle-Garniez-Cover „Lunasa“ alle Songs selbst geschrieben und muss nun auch noch beweisen, wie umfangreich ihre musikalischen Kenntnisse sind. Die Melodie von „Stolen Roses“ ist bei Marianne Faithfull („Scarborough Fair“) geklaut. Die Intonation in „Garden“ orientiert sich an klassischen Frauenstimmen des 90er-Jahre-Rocks. „Cruel Summer“ gleicht einer Country-Nummer, die so auf eine Kirmes im Mittleren Westen Amerikas passt. Sollte das eine misslungene Anspielung auf Dolly Parton sein? Elson imitiert ausdrucksstarke Damen. Das spricht für ihren Musikgeschmack. Aber ihrer Stimme fehlt Präsenz, Ausdruck und das besondere Etwas.
Theoretisch könnte das Konzept trotzdem aufgehen. Doch sowohl das Styling als auch der musikalische Grundtenor des Albums kommen wie ein Relikt aus den frühen 2000ern herüber. Zudem ist „The Ghost Who Walks“ viel zu amerikanisch für den europäischen Markt. Kaum zu glauben, dass Karen Elson Engländerin ist.
Mehr als nett ist dieser Longplayer nicht und verliert sich vor allem stimmlich in Belanglosigkeit. Es reicht, die Single-Auskopplung „The Ghost Who Walks“ zu kaufen, die uns noch mehr als einmal aus dem Radio entgegenschallen wird.
CD, 2010, 12 Tracks, Label: Xl/Beggars Group
Janine Andert15.06.2010