CocoRosie
“Grey Oceans“
„Grey Oceans“? Von wegen! Mit ihrem vierten Studioalbum entführen CocoRosie in eine magische Zwischenwelt, die alles andere als grau ist. Die unbeschreibliche Mischung aus elektronischen Samples, außergewöhnlichen Stilmitteln wie Kinderspielzeug, klassischen Instrumenten wie Harfe, Flöte und Trommel und der einzigartige Gesang verbinden sich zu zeitlos schönen Melodien, die aus einem unbekannten Geisterreich zu stammen scheinen. So müssen die Sirenen in der Odyssee geklungen haben. Womit wir beim zweiten Teil des Albumtitels wären: Ozeane. In der Tat hat „Grey Oceans“ auch etwas von sehnsuchtsvoll am Strand stehen und dem Rauschen der Wellen zuhören. Der Blick schweift in die Ferne und ganz gewiss befindet sich irgendwo am Horizont CocoRosie Island.
Etwas weniger pathetisch ausgedrückt entsteht die Faszination von „Grey Oceans“ vor allem durch Sierra und Bianca Casadys Gesang, Gael Rakotondrabes Klavierspiel und unaufdringliche Soundcollagen. „Smokey Taboo“ spielt mit dem Dualismus der Stimmen, baut die Differenz zwischen einer inneren und äußeren Welt auf. Sierras zerbrechlich-choraler, für die Seele sprechender Operngesang verschmilzt fast mit den Instrumenten und Klangteppichen. Biancas kindliche Intonation trägt den Text hingegen nach außen. In Songs wie „Hopscotch“ und „Lemonade“ klingen die Stimmen dank Verzerrungen wiederum wie sehr alte Tonaufnahmen. „Hopscotch“ ist gleichzeitig der verspielteste und vielleicht ein wenig schizophrene Track des Albums. Assoziationen zu kindlichen Geistern aus einer längst vergangenen Zeit kommen auf; ob sie Gutes oder Böses wollen, bleibt unklar. Besonders stolz sind die Casady Schwestern auf das in homerecording aufgenommene „Undertaker“. Während sie Kisten ihrer Mutter durchkramten, fanden sie einen Song der Frau Mama. Diese Kassettenaufnahme wurde dann zum Grundgerüst des Tracks. Hier singen nicht die Töchter, sondern die Mutter!
Bei all dem bleibt der Wechsel von Touch and Go Records zu Sub Pop unbemerkt. Trotz neuem Plattenlabel zaubern CocoRosie wie eh und je ein buntes Kaleidoskop ihres unverwechselbaren Klanguniversums, das in sich stetig geblieben ist. Schwebend werden die HörerInnen durch das Album getragen und vergessen die reale Welt. „Grey Oceans“ glänzt also wieder einmal mit konstant guter Musik, die die HörerInnen in einen hypnotischen Bann ziehen.
CD, 2010, 11 Tracks, , Label: Sub Pop
Janine Andert10.05.2010