Tiny Vipers

“Life on Earth“

Stille — mehrere verstörende Sekunden lang. So beginnt „Eyes Like
Ours“, der Opener von „Life on Earth“, Jesy Fortinos zweitem Album unter
ihrem Künstlernamen Tiny Vipers. Dann, leise, fragil, introvertiert
schälen sich Fortinos Stimme und ihre Akustikgitarre aus der Stille,
fragend singt sie, „Do you remember when the world was still young /
just a small town, just a small town…“. Tiny Vipers stammt aus
Seattle, ihre dunkle, meditative Vision von Country und Folk hat sie mit
dem Produzenten Andrew Hernandez in einem analogen Studio in
Austin/Texas umgesetzt: sparsamer, nackter arrangiert und instrumentiert
geht es kaum, nur Stimme, Gitarre, vereinzelte Klaviereinsätze und
Halleffekte sind zu hören, nichts lenkt von Tiny Vipers‘
melancholischen, düster-avantgardistischen Campfiresongs ab. Manchmal
klingt Tiny Vipers wie in Trance, als würde sie die Geister ihrer Ahnen
beschwören, sich von allem Irdischen abkehren wollen. Dann wieder, zum
Beispiel im Titeltrack, ist ihre Stimme fest und entschlossen und man
kann sich sogar vorstellen, dass Tiny Vipers ihre Musik elektronisch
verstärkt auf einer Bühne vor Publikum präsentiert. Tod,
Vergänglichkeit, Raubbau an der Natur sind die Themen auf „Life on
Earth“ – und doch schimmert immer wieder Hoffnung durch, wie ein
Silberstreif am Horizont. Tiny Vipers ist eine moderne Schamanin,
vielleicht die einzige, die die Götter wieder mit der Erde versöhnen kann.

CD 2009, Label: Subpop/Cargo

Christina Mohr

19.07.2009