The Gossip

“Music for Men“

Beth Ditto auf allen Kanälen: sogar im „ARD-Morgenmagazin“ war sie unlängst zu sehen. Doch bei aller berechtigten Skepsis bezüglich des drohenden „Ausverkaufs“ kann man gar nicht laut genug loben, was The Gossip seit ihrem Auftauchen in der Yellow Press erreicht haben: die Sichtbarmachung ausgegrenzter Freaks, das stolze Herzeigen all dessen, was im popkulturellen Mainstream verpönt ist. Und The Gossip agieren (noch) selbstbestimmt: die Band setzte durch, dass das Cover des neuen, vierten Albums „Music for Men“ nicht von der kugelrunden Beth geziert wird, sondern von Schlagzeugerin Hannah Blilie, einem Tomboy wie aus dem Gender-Blender-Lehrbuch. Vor lauter medialem Gewirbel könnte man glatt vergessen, dass The Gossip eine Band ist, deren Wurzeln im Riot Grrrl-/Punkumfeld liegen – aber auch das reibt einem das Trio aus Portland unter die Nase: Musik ist nur ein Bestandteil von Pop. Pop ist immer auch Image, Oberfläche, Bilder.

„Music for Men“ nimmt unverhohlen Kurs auf die Charts, aufgenommen in den legendären Shangri-La-Studios in Malibu und produziert von Rick Rubin, powern die zwölf Songs so hochglanzpoliert und vollmundig aus den Boxen, dass das Ergebnis mit Punk kaum noch etwas zu tun hat (sofern The Gossip sich überhaupt jemals als Punkband definierten). „Punk“ ist hier die Haltung, musikalisch allenfalls in einer aufmüpfig schneidenden Gitarre oder einem dunkel wummernden Bassintro spürbar. Beth Ditto ist die Big Fat Mama des Soul’n’Roll; wie sehr sie eigentlich eine Soul-, viel mehr als eine Rocksängerin ist, hört man in den Discohymnen „Love Long Distance“ und „Men in Love“ – sie selbst sagt, Gladys Knight sei schon als Kind ihr großes Vorbild gewesen. Auch die Texte, die fast ausschließlich von Liebe handeln, verhandeln soulige Themen: „I made it this far without you“ singt Beth im Opener „2012“, oder an anderer Stelle so schlicht wie emanzipatorisch: „Dance like no one’s looking“; in „Love Long Distance“ huldigt sie mit der Zeile „I heard it through the Bassline“ gleichzeitig Marvin Gaye und den Slits. Dass manche Songs („For Keeps“, „Four Letter Word“) so glatt geraten sind, dass man befürchtet, gleich würde Beth Ditto „Black Velvet“ oder einen ähnlichen Adult-Orientated-Rockhit schmettern, wird durch gewaltig ausholende, stampfende Tracks wie „Dimestore Diamond“, ein Stück über eine arme, aber stolze junge Frau, oder die intensive, leidenschaftliche Single „Heavy Cross“ ausgeglichen. The Gossip, angekommen im Mainstream? Der Mainstream zumindest kann sich drüber freuen.

CD, 2009, 12 Tracks, Label: Columbia

Christina Mohr

17.06.2009