Sophie Hunger

“Monday’s Ghost“

Als „Hexe aus gutem Hause“ und „widerspenstig“ wurde die Bernerin Emilie Jeanne-Sophie Welti Hunger unlängst bezeichnet – wie es eben so geht, wenn eine junge Musikerin quasi aus dem Nichts erfolgreich wird (ihr neues Album führt seit Wochen die Schweizer Charts an, das Debüt „Sketches on Sea“ verschaffte ihr erste Lorbeeren) und sich dazu in Interviews gängigen Konventionen widersetzt. Die 1983 geborene Diplomatentochter, aufgewachsen in London, Teheran und Bonn, antwortet zum Beispiel nicht auf Fragen vom Schlage „wie sie denn zur Musik gefunden habe“. Das ist herzerfrischend, ebenso wie die Aussage der Pianistin und Gitarristin, dass sie eigentlich gar keine Musikerin sei – das klingt umso seltsamer, wenn man die dreizehn Songs auf „Monday’s Ghost“ hört, kammermusikalische Kleinode zwischen Folk und Chanson, mit expressiven Vocals und kühnen Brüchen und Wendungen: „Shape“ beginnt mit geheimnisvollem Sphärengesang, um in der Mitte einen unvorhersehbaren Richtungs- und Stimmungswechsel vorzunehmen, Sophie singt lebhaft, fröhlich, dazu ausgelassenes Händeklatschen. In „The Tourist“ läßt Sophie Hunger ihrer rockigen Ader freien Lauf, dramatische Balladen wie „Drainpipes“ und der Titeltrack verstören durch im Hintergrund trillernde Flöten und beinah tribale Percussion, „Round and Round“ ist durchaus mainstreamkompatibler Pop und „Birth-Day“ inklusive schräger Mundharmonika eine unverschleierte Hommage an Bob Dylan, den sie erst vor kurzem nach dem Konzert eines Dylan-Coversängers (!) für sich entdeckt hat. Sophie Hunger ist schwer einzuordnen – mit dem Storytelling einer typischen Folksängerin hat sie nichts am Hut, sie ist nicht so fragil und düster wie ihre österreichische Kollegin Soap & Skin und für eine waschechte Jazzerin hat sie zuviel Pop im Leib. Genau das macht Hunger so einzigartig und unverwechselbar: sie ist eben eine „widerspenstige Hexe“.

CD, 2009, 14 Tracks, Label: Emarcy Records

Christina Mohr

20.02.2009