Dinky

“May Be Later“

Gibt es „weiblichen“ Techno? Kann man Musik ohne Gesang überhaupt das Geschlecht des/der Urheber/in anhören? In den meisten Fällen wohl nicht. „May Be Later“, das neue Album der in Chile geborenen und heute in Berlin lebenden Alejandra Iglesias alias Dinky, hingegen legt doch den Schluß nahe, dass es einen genuin weiblichen Zugang zu Club- und Dancemusic gibt: Dinky, die sich bis vor kurzem noch /Miss Dinky/ nannte und mit Technolegende Ricardo Villalobos zusammenarbeitete, ist zwar wie viele Techno-DJs und -Producer dem geraden Beat verpflichtet, schöpft aus den Traditionen des Chicago-House und Detroit-Techno. Aber Dinky leistet sich den Luxus, Pausen und Verzögerungen in ihre Tracks einzubauen, Leerstellen, die sie mit fantasievollen Details füllt: hier zarte Piano-sprengsel, dort orientalische Elemente, dann wieder kaum identifizierbare Samba- und Salsarhythmen oder Samples von mehr als fünfzig Jahre alten Bluesplatten. Der Groove ist oft nicht mehr als ein Fingerschnipsen, steigert sich von einfachem Handclapping zu dynamischen Dancefloor-Beats; Gitarren- und Mundharmonika-Samples fügen sich harmonisch ins elektronische Gerüst. Besonders eindrucksvoll ist Dinkys Umgang mit der menschlichen Stimme: bis zur Unkenntlichkeit verfremdet sie die Einsätze von Gastvokalisten wie Big Bully, ihrem langjährigen Freund und Mitstreiter Jorge González und sich selbst, unterlegt die Stimmen mit Hall und Echo, bis sie sich körperlos, fast geisterhaft anhören. Dinkys Clubvision ist warm, organisch und ungemein tanzbar – und viel eleganter als so manche testosteronstrotzende Technoproduktion.

CD, 2008, 9 Tracks, Label: Vakant

Christina Mohr

30.10.2008