Leila
“Blood, Looms & Blooms“
Die 1971 in Teheran geborene und später mit ihren Eltern nach London ausgewanderte Elektrokünstlerin Leila Arab bezeichnet sich selbst als kompromisslos. Ihre Musik sei nicht dazu da, den Erwartungen anderer Menschen gerecht zu werden, sondern einzig und allein, „dem Noise zu huldigen“. Ihre ersten Platten „Like Weather“ und „Courtesy of Choice“ verschafften ihr Respekt und Anerkennung, so wurde Leila beispielsweise von Björk eingeladen, um diese live zu unterstützen. Als kurz hintereinander erst ihre Mutter, dann der Vater starben, war Leila so wütend und traurig über die Unkontrollierbarkeit von Krankheit und Tod, dass sie beschloss, nie wieder Musik zu machen. Doch weil Leila Arab eine getriebene Musikbesessene ist, brach sich die Musik von selbst Bahn. Leila kehrte ins Studio zurück, drehte an den Maschinen und entdeckte wieder den Spaß am Kreieren neuer Sounds. Sie lud alte Freunde wie Specials-Sänger Terry Hall, Trickys Muse und Kooperateurin Martina Topley Bird, Andy Cox (Fine Young Cannibals, The Beat), Verwandte und Kinder ins Studio ein, um in mehreren Livesessions „Blood, Looms & Blooms“ aufzunehmen. Die so entstandenen 14 Tracks gehören zum Spannendsten und Interessantesten, was man in diesem Jahr bisher zu hören bekam: Noise spielt nicht mehr die erste Geige, nur manchmal dräut und lodert es von hinten und von unten, wie bei der Soundlawine „Mettle“, die mit plätschernden Wassertropfen, singender Säge und enormer Dynamik an die Anfangstage des Bristoler TripHops erinnert. Insgesamt überwiegen versponnene Experimente mit dunklem Grundton, aus den Geräten kommt kaum noch Lärm, dafür poetischer Pop. Leila lässt Tangorhythmen durch ein jazziges Chanson stolpern („Teases Me“) oder schiebt eine massive Bassdrum mitten in ein von Vogelgezwitscher untermaltes Kinderlied („Daisies, Cats and Spacemen“). Luca Santucci, die bei „Teases Me“ zu hören ist, singt außerdem auf der schrägen Coverversion des Beatles-Songs „Norwegian Wood“ und zu den Spinettklängen von „Ur Train“. Überhaupt, die Gastvokalisten: Martina Topley Bird macht aus „Deflect“ ein berührendes Modern-Soul-Stück, Leilas Schwester Roya Arab klingt auf „Daisies, Cats…“ wie ein Kind, das die Hauptrolle in einem Gruselfilm spielt. Den schönsten Gastauftritt aber hat Terry Hall, dessen unverkennbare Stimme das verschrobene „Time to Blow“ mit seinem verschlepptem Walzerrhythmus und gesampelten Trompeten schon jetzt zu einem Klassiker macht.
CD, 2008, 14 Tracks, Label: Warp
Christina Mohr04.08.2008