Caroll Vanwelden singt Shakespeare
Eröffnungskonzert bei den 21. Hildener Jazztagen
17 Konzerte wurden an vier Tagen geboten. Das Konzept ist ähnlich wie bei der Düsseldorfer Jazz Rally – mit einem Button am Revers darf man (fast) alle Konzerte besuchen. Während die Jazz Rally in der nur 15 Autominuten entfernten Landeshauptstadt inzwischen zu einem Großevent mutiert ist, bei dem man von einer Location zur anderen hetzt, oft wegen Überfüllung nicht mehr reinkommt, und am Ende völlig erschlagen vom riesigen Angebot ist, sind die Hildener Jazztage überschaubarer. Die Konzerte finden meist nacheinander statt, so dass man sich nicht unter mehreren gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen entscheiden muss. Der vielleicht wichtigste Punkt aber, bei einem Musikfest, dass „Jazz“ im Titel trägt: der Jazz-Begriff besinnt sich hier mehr auf seine Ursprünge, ist nicht so weit gefasst und beliebig wie in Düsseldorf. So auch am Eröffnungsabend.
Im bis auf den letzten Platz ausverkauften Saal im Kunstraum Gewerbepark präsentierte das Caroll Vanwelden Quartett Sonetten von Shakespeare und verwandelte den Ort in einen wahrhaften Raum der Kunst, in dem sich Ton, Text und Bild zu einer angenehmen Einheit fügten. Denn während man den jazzigen Arrangements lauschte, konnte man zugleich Gemälde und Collagen zum gleichen Thema bewundern. Im Kunstraum findet nämlich derzeit auch die Ausstellung „William Shakespeare: Sonette und Bilder“ statt (noch bis zum 2. Juni). An den weißgetünchten Wänden des Saals hängen Interpretationen des Künstlers Harald Forst zu Sonetten Shakespeares. Daneben sind Übersetzungen von Hans-Werner Scharf ausgestellt. Ein völliges Eintauchen in Shakespeare, der Barde reloaded, sozusagen.
Auch Vanwelden ist von den Gedichten des Dichters von Stratford-upon-Avon fasziniert und hat bisher 32 seiner Sonette auf zwei Alben vertont. Da Shakespeare über 150 solcher Gedichte verfasste, ist noch genug Stoff für weitere musikalische Interpretationen vorhanden. Und in der Tat, das dritte Album ist bereits in Planung und soll 2017 erscheinen, wie Caroll Vanwelden nach dem Konzert erzählt. Doch davor bringt sie noch ein anderes Album mit einer ganz anderen Musikrichtung heraus. Denn neben Shakespeare’s Stücken singt sie auch gerne Songs aus den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Aber zurück zu Shakespeare: Mit dem Sonnet 116 „The Marriage Of True Minds“ eröffnet der Abend. Vanwelden füllt den Saal mit ihrer kristallklaren Stimme, die umrahmt wird von angenehmen Klavierläufen und Trompetensoli, während sie über die ewigen Gefühle von Liebe, Vergänglichkeit, Freude und Schmerz singt. Die Songtexte sind schwer zu verfolgen, doch dafür hat man sie an den Wänden hängen. Die Musiker harmonieren perfekt, spielen vor der Pause einen „easy listening“ Sound, immer wieder unterbrochen vom schwermütigen Klang der Trompete. Ein Sound, der m.E. nicht so recht zu den weiß getünchten Wänden und dem hellen Raum passt, sondern eher nach einem schummrigen Kellergewölbe verlangt. Mal klingt’s, als ob Minnie the Moocher gleich um die Ecke käme, mal klingt es sanft und balladig.
Nach der Pause geht es dann etwas fetziger zu, südliche und lateinamerikanische Färbungen mischen sich in die jazzigen Arrangements, ein bisschen Bolero, etwas Cha-Cha-Cha, ein furioses Drum-Solo von Ralf Gustke, das Publikum ist begeistert. Nach dem Geburtstagsständchen am Ende gibt es noch eine Zugabe – Sonette 147: „My Love Is As A Fever“ – ein rockig arrangiertes Stück, laut und stark, bei dem alle vier Künstler gleichermaßen zur Geltung kommen. Ein tolles Finale. Live machen die musikalisch vertonten Gedichte des Meisters deutlich mehr Spaß als auf einer CD gepresst.
(Fotos: Zbyszek Lewandowski)
Autorin: Tina Adomako
30.05.2016