Meike Goosmann’s Tender Tales

Interview mit der Berliner Musikerin

Meike Goosmann wird als Geschichtenerzählerin gerühmt, die die ZuhörerInnen mit ihrer Musik und Spielweise einfängt und berührt. Leichtfüßig und entspannt entfaltet sich ihre Musik und kann die unterschiedlichsten Stimmungen erzeugen. Diese Leichtigkeit zeigte sich schon zu Beginn ihrer Karriere: „Bereits damals schienen ihre Improvisationen wie ein ständiger Strom, in den sie nur einzutauchen brauchte.“ (NDR Info, Mauretta Heinzelmann) Nun hat sie auf ihrem neuen Album wieder einige neue Geschichten in Musik verwandelt.

Liebe Meike, Deine neue CD heißt „Tender Tales“ und ist im April erschienen. Sind alle Kompositionen von Dir und welche zärtlichen Geschichten erzählst Du?

Ja auch auf der neuen CD „Tender Tales“ sind alle Kompositionen von mir. Ich denke die Kompositionen sind wieder eine Art von Portrait. Sie sollen aber nicht die Person, Situation, die Inspirationsquelle abbilden. Es ist eher wie ein Dialog mit dieser, die Musik drückt auch meine Liebe zu ihr, der Inspirationsquelle, aus.

Darunter sind auch Stücke über Personen und zwar Juden, die vom Holocaust betroffen waren. Hängt das mit der Klezmer-Musik zusammen, mit der Du Dich schon früh beschäftigt hast?

Zwei der Portraits sind für und von jüdischen Überlebenden. Die Existenz des Holocaust hat mich als Person so tief irritiert, zerstört, verunsichert, dass die Geschichten um ihn, von Menschen in ihm, mich immer wieder fesseln, bewegen, auffordern, beeindrucken. Das durch Musik ausdrücken zu können, zu dürfen empfinde ich als Geschenk.

Wovon handeln die anderen Stücke auf der CD, geht es auch um Personen oder mehr Situationen, Stimmungen?

Die Kompositionen handeln von außergewöhnlichen Stimmungslagen, von vertrauten, geliebten Menschen. Ein Gedicht von Nâzım Hikmet ist Inspirationsquelle eines Stückes und in einem anderen geht es um das wunderschöne Phänomen des Meeresleuchten.

Wie kommen Dir die Ideen für Deine Musik und wie gehst Du beim Komponieren vor?

Ich brauche zu allererst Muße, ungestörte Zeit. Dann brauche ich etwas, das mich wirklich tief bewegt. Und dann versuche ich zu hören – welche Melodien klingen in der Geschichte, Person, Atmosphäre in meinem Kopf, Herzen, in meiner Fantasie? Meist ist eine Melodie die erste und wichtigste „Information“, die zu mir kommt.

Deine Instrumente sind die Bassklarinette und das Sopransaxophon. „Hörst“ Du schon beim Komponieren, welches Instrument Du dann spielen wirst?

Meistens komponiere ich zumindest Teile des Stückes mit dem Instrument, mit dem ich es dann auch spiele. Manchmal allerdings muss ich dann doch zum Klavier wechseln, oder nur hören, ohne Instrument. Und manchmal ändert sich die Instrumentierung auch im Laufe des Prozesses des Arrangierens.

Du arbeitest schon viele Jahre (seit der Gründung Deines Quintetts in 2000) mit Deinen MitmusikerInnen (Jeanfrancois Prins – Gitarren, 
Julia Hülsmann – Piano,
 Stefan Weeke – Bass,
 Uli Moritz – Drums, Percussion) zusammen, die auch bei dieser CD dabei sind. Was ist für Dich das Besondere bei dieser Zusammenarbeit?

Ich habe die MusikerInnen um mich herum gefragt, die ich besonders schätze und freue mich, dass wir schon so viele Jahre miteinander arbeiten. Die Verständigung beim Spielen ist dadurch sehr intuitiv und vertraut. Vieles muss nicht mehr erklärt werden. Das gemeinsame Geschichten erzählen ist in einer ganz feinen Kommunikation möglich und eine besondere Freude.

Spielt Ihr auch viele Konzerte zusammen und macht Touren?

Wir spielen Konzerte und Touren, aber ich finde das Booking für meine Band unglaublich mühselig. Aber ich höre das von so vielen Seiten, ich denke ich muss einfach weiter machen und vielleicht habe ich sogar irgendwann das Glück jemanden zu finden, der ins Booking für meine Band mit einsteigt. Das wäre mein größter Traum, was diese Frage betrifft. Viel, viel mehr spielen. Das würde mich am aller glücklichsten machen.

Ja genau, wie die LeserInnen auf deiner CD hören können: „I wanna play“ in 2 Variationen!

In Deiner Vita habe ich gelesen, dass Du als Kind schon eine klassische Ausbildung auf Klavier und Blockflöte genossen hast. Der Wunsch, Musik zu studieren, ging daraus hervor und war für Dich keine Frage?

Ich hatte zu dem Zeitpunkt, als ich mit der Schule fertig war, noch nicht begonnen Klarinette/Saxophon zu spielen. Meinen Musikleistungskurs hatte ich noch mit der Flöte (Klavier) bestritten. Ich wollte nicht Blockflöte studieren, das war dann zunächst das „aus“ für ein Musikstudium direkt nach der Schule. Ich habe dann während meines ersten Studiums mit Klarinette und Saxophon begonnen. Ganz kurz nach diesem ersten Studium machte ich dann die Aufnahmeprüfung an der „Hanns Eisler“ und wurde glücklicherweise zum Studium aufgenommen.

Von 1994 bis 1999 hast Du dann an der Musikhochschule Hanns-Eisler in Berlin Popularmusik und Jazz studiert. Auffallend ist, dass Du schon parallel viel gespielt hast, z.B. warst Du 1993 bei der Gründung des „United Women’s Orchestra“ dabei. Also bist Du zu dieser Zeit schon viel aufgetreten und warst sozusagen in der Jazzszene verankert?

So viel bin ich da noch nicht aufgetreten, aber ich hatte schon Spaß daran und einige tolle Gelegenheiten Musik zu machen.

Dass Du vor 20 Jahren beim UWO mitgemacht hast, zeugt doch auch von einem Bewusstsein, sich als Frauen in der Jazzszene durchsetzen zu wollen. Trifft das für Dich zu?

Für mich war das UWO ein ganz toller Nährboden. Ich bin dankbar, dass ich in diesem Kontext „wachsen“ und besser werden konnte. Ich wollte viel Spielen und Lernen und mir gefiel die Musik von Christina und Hazel und die Erfahrungen in dieser Band hat mich alles in allem sehr ermutigt.

Und was meinst Du, hat sich seitdem etwas verändert?

Ich denke es hat sich viel verändert. Ich habe das Gefühl, dass Frauen selbstverständlicher ihren Platz in der Musikszene einnehmen und ausfüllen, als noch vor 20 Jahren.

Neben Deinem Quintett hast Du noch einige andere Formationen, was gibt es da für Pläne oder Projekte?

Im Moment ist die zweite CD mit und von Anka Hirsch in Arbeit. Wir haben im Trio mit dem Schlagzeuger und in diesem Fall Percussionisten Christoph Hillmann aufgenommen, und ich glaube das wird eine sehr schöne Produktion.

Du unterrichtest auch, komponierst für Tanz- und Theateraufführungen, machst das Booking für Deine Band und hast auch eine Tochter, wie bekommt frau das alles unter einen Hut?

Es ist eng unter meinem Hut… Wenn etwas wirklich wichtig ist, dann passt es doch noch mit darunter.

Du lebst in Berlin, ist Berlin ein guter Platz für JazzmusikerInnen?

Berlin ist ein sehr inspirierender Ort, was die Stadt und die Kultur, die Musik betrifft. Was das Geld verdienen betrifft, ist es nur bedingt ein guter Ort. Für mich ist es auch Heimat, weil meine Familie hier lebt.

Hast Du einen Traum, wo oder mit wem Du unbedingt mal spielen willst?

Ich würde wahnsinnig gerne mal ein Konzert in einem natürlichen Klangraum, wie dem Grand Canyon z.B. spielen in Kommunikation mit den Lebewesen (Tieren) des Ortes wie vor Ewigkeiten Paul Winter.

Und das würden wir wahnsinnig gerne hören! Viel Glück, dass sich dieser Traum irgendwann erfüllt und vielen Dank für das Interview!

CD Meike Goosmann Quintett „Tender Tales“
siehe auch Melodiva-Rezension

www.meikegoosmann.de
Autorin: Hildegard Bernasconi

04.08.2013