Alexandra Lehmler
Interview mit der Saxophonistin aus Mannheim
Die sympathische Musikerin an Alt-, Bariton-, Sopransaxophon sowie Bassklarinette wurde 1979 in Bad Ems an der Lahn geboren, war Absolventin der Musikhochschule Mannheim und machte schon früh von sich reden. Mehrfach war sie Preisträgerin bei „Jugend Jazzt“, zuerst Mitglied in den Landesjugendjazzorchestern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, später im Bundesjazzorchester, sie machte Konzertreisen durch ganz Europa, nach Korea und Russland. Zum Talent als Musikerin kam die musikalische Inspiration, bereits mit 16 schrieb sie ihre ersten Kompositionen. Im Jahr 2000 begab sich Lehmler mit Daniel Prandl (pn), Matthias Debus (bs) und Max Mahlert (dr) auf den Weg ihres „strictly european and world“ Jazz, ab 2004 ergänzt durch den aus Kolumbien stammenden Percussionisten Farouk Gomati. Für ihr drittes Album „No Blah Blah“ konnte sie die Förderung der Initiative Musik gewinnen und zählt damit zu den „erfolgversprechenden und zukunftsweisenden Musikprojekten Deutschlands“. Die Platte wird als „facettenreiches (…) geschickt arrangiertes Füllhorn an auf den Punkt gebrachten Ideen“ (NDR) gelobt, Balkan- und Latin-Einflüsse sind zu hören, ein erfrischender Mix aus Jazz und Weltmusik. Kurz vor Beginn ihrer Herbsttour sprachen wir mit der Bandleaderin über ein Leben mit Kind, Kegel und – Jazz.
Wann kreuzte der Jazz Deinen Weg?
Mit 12 oder 13, in der Schule. Da gab es viele ältere Schüler, die bei Konzerten in verschiedenen Formationen Jazzstücke gespielt haben. Das hat mich von Anfang an sehr fasziniert. Glücklicherweise durfte ich dann selbst auch ziemlich schnell in der Big Band mitspielen und ab dem Moment war ich infiziert!
Was gefällt Dir am Jazz?
Die Freiheit zu machen, was ich möchte. Jazz ist so unglaublich vielschichtig. Man wird ja häufig gefragt: „Was ist Jazz?“ Das Schöne am Jazz ist, dass man diese Frage eigentlich gar nicht beantworten kann.
Du spielst in einer Band mit Deinem Ehemann Matthias Debus, Ihr habt zwei Kinder. Ist es ein schwieriger Spagat oder sogar von Vorteil, mit dem Lebenspartner gemeinsam Musik zu machen?
Es ist überwiegend ein Vorteil. Zumindest empfinde ich es momentan so. Klar, wir gehen uns auch ab und zu mal gegenseitig auf die Nerven, aber das gibt es ja bei den meisten Paaren. Wir haben viel Spaß, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. Wir ergänzen uns gut, wenn wir Stücke schreiben. Manchmal fliegen dabei die Fetzen, aber das Ergebnis wird meistens so, wie wir es uns vorgestellt hatten.
Der einzige Nachteil ist der organisatorische Teil. Dadurch, dass wir zwei Kinder haben, müssen wir manchmal logistische Meisterleistungen vollbringen. Aber bisher hat alles immer irgendwie funktioniert.
Ihr komponiert ja beide und auch zusammen; ist das ein kreativer Prozess, der bei Euch zuhause stattfindet oder braucht Ihr dafür eine disziplinierte Arbeitsatmosphäre?
Wir arbeiten ja auch zuhause, insofern stimmt beides. Wir haben unseren Proberaum in unsere Wohnung integriert. Wir haben hier alles, was wir brauchen: einen Flügel, ein Rhodes, Schlagzeug etc. Wie man anfängt ein Stück zu schreiben ist ganz unterschiedlich. Manchmal am eigenen Instrument, manchmal am Flügel oder im Zug am Computer.
Deinem Mann und Dir fällt es als Eltern wahrscheinlich schwerer, Euch Zeit für die Musik und das Komponieren zu nehmen und Ihr müsst „die Muse“ öfter warten lassen. Wirkt das eher inspirierend oder blockiert das den kreativen Prozess?
Es natürlich manchmal schwierig, weil man etwas, was man angefangen hat, oft tagelang nicht zu Ende bringen kann. Inspirierend ist der Alttag zwischen Kindergarten, Kinderarzt und Proberaum auch nicht immer, AAAABER ich kann mir das eine ohne das andere nicht mehr vorstellen. Ich genieße es oft sehr, mich aus der Musikwelt verabschieden und mit meinen Kindern „abtauchen“ zu können. Ich glaube, nur dadurch ist es wiederum möglich, dass ich es so genieße, mit meiner Band unterwegs zu sein.
Dein Titel „No Blah Blah“ ist ja ein Statement für authentische und ehrliche Musik auf der einen Seite, aber auch ein Statement gegen Kritiken, die sich mehr mit Äußerlichkeiten und der „Verpackung“ beschäftigen. Ist Dir das als Musikerin persönlich passiert, dass sich die Reviews mehr mit Deinem Äußeren als mit Deiner Musik befassten?
Mich hat das bei vielen Artikeln über andere Musikerinnen beschäftigt, bzw. geärgert. Und man kann machen, was man will, das „Frau sein“ wird einfach immer betont. Und das ist auch eigentlich gar nicht so schlimm, weil ich ja nunmal eine Frau bin und gar nichts anderes sein möchte. 🙂 Aber in der Musikerwelt wird man eben gerne darauf reduziert. Unter Kollegen heisst es: „Ganz nett, für ’ne Frau“. Oder: „Die hat die Aufnahmeprüfung nur geschafft, weil sie Brüste hat“ und im Artikel über die neue CD geht es nur um das Coverfoto und das Bühnenoutfit. Das passiert bei Männern definitiv nicht in dem Maße.
Gibt es Deiner Erfahrung nach einen Unterschied im Umgang der Presse und Öffentlichkeit im Gegensatz zu (männlichen) Musikern?
Ja! Wenn man einen Artikel über einen Musiker liest, geht es da doch eher selten darum, dass er ein Mann ist.
Obwohl, das wäre ja eigentlich mal eine sehr schöne Idee. Man liest bei einem männlichen Kollegen auch seltener etwas darüber , ob er Kinder hat und wie er Berufs- und Privatleben miteinander vereinbaren kann.
Du organisierst den Neuen Deutschen Jazzpreis mit. Was ist der Grundgedanke des Preises?
Der Preis soll fest bestehende Bands fördern. Und das ganz ohne Genre- und Altersbegrenzung. Mit dem Gewinn von 10.000€ kann man schon mal die nächste Studiosession oder was auch immer finanzieren.
Ausserdem soll möglichst fair ausgewählt werden. Das heißt, wir hören uns CDs an, ohne zu wissen wer darauf spielt. So kann man schon mal ausschließen, von Namen beeinflusst zu werden. Das Auswahlverfahren ist mehrstufig. Zuerst wählen verschiedene Musiker aus der IG Jazz Rhein Neckar aus allen Einsendern ca. 50 Bands aus, dann wählt eine Jury aus Musikern und Journalisten aus ganz Deutschland aus, dann wählt der Kurator (jedes Jahr ein anderer, 2013: Louis Sclavis) aus und zu guter Letzt hat das Publikum die Wahl. Es soll möglichst fair zu gehen und alle sollen Spaß dabei haben – Bands und Publikum.
Ihr (IG Jazz) habt im März die Band Schneeweiß & Rosenrot zum Gewinner gekürt, eine Band, die ebenfalls eine sehr freie, eigenwillige Auffassung von Musik und Genres hat; die Schlagzeugerin Lizzy Scharnofske bekam den Preis als beste Solomusikerin. Wie waren die Reaktionen?
Das war natürlich nicht ganz unumstritten. Das war jedes Jahr so, dieses Jahr waren die Wellen aber am höchsten. Teilweise hat man sich darüber aufgeregt, dass das Publikum nicht in der Lage sei, eine so wichtige Entscheidung zu treffen. Alle Bands sind aber durch ein mehrstufiges Auswahlverfahren bis ins Finale gekommen. Das Publikun kann also gar nichts falsch machen, da jede der auftretenden Bands ihre Qualitäten hat. Und es stimmt nicht, dass immer der größte Clown oder die kommerziellste Band gewinnt – da unterschätzt man das Publikum!
Ihr wurdet von der Initiative Musik als eines der wenigen Projekte in der Sparte Jazz ausgewählt und konntet bei der Produktion Eures dritten Albums auf die Förderung der Initiative Musik zurückgreifen. Hat es für die komplette Produktion gereicht? Hattet Ihr Euch zum ersten Mal beworben?
Wir hatten uns dafür zum ersten Mal beworben und es war großartig, dass es geklappt hat! Andernfalls hätte ich wahrscheinlich auf Sponsorensuche gehen müssen. Die Initiative Musik übernimmt 40% der anfallenden Kosten, das heißt, dass man trotzdem noch den Großteil selbst bezahlen muss.
Damit zählt Deine Band zu den „erfolgsversprechenden und zukunftsweisenden Musikprojekten Deutschlands“. Spiegelt sich das auch schon in Anfragen und Engagements, im Booking wider?
Ich weiß nicht, inwiefern der Stempel der Initiative Musik geholfen hat. Was definitiv geholfen hat, ist das Geld. Dadurch musste ich nicht sparen und konnte alles genauso durchziehen, wie ich es wollte. Wir hatten eine Promoterin, die großartige Arbeit geleistet hat. Und das Gesamtpaket hat auf jeden Fall was gebracht. Wir haben 2012 mehr als 30 Konzerte mit der Band gespielt und 2013 geht es weiter.
Stellst Du uns noch die Musiker vor, mit denen Du jetzt auf Tour sein wirst?
Wir sind jetzt seit einem Jahr in genau dieser Besetzung unterwegs und wir haben unglaublich viel Spaß zusammen. Zuerst der Frankfurter: Max Mahlert, Schlagzeug, hat an der FMW studiert und ist momentan gern auf Mädchenflohmärkten oder ähnlichem unterwegs mit seiner Band „The C-Types“. Sollte man gesehen und gehört haben! Außerdem kann man ihn in Frankfurt oft hören mit „Geräuschlabor“.
Matthias Debus (www.matthiasdebus.de), unser Bassist, Komponist und… wir machen seit 12 Jahren gemeinsam Musik und das ist gut so!
Rodrigo Villalon, unser Percussionist, ist der Musiker mit der spannendsten Vita. Er ist Sohn eines Chilenen und einer Kolumbienerin, geboren in Tübingen, aufgewachsen in Kolumbien. Mit 17 ist er nach Hamburg gekommen, hat dann in Mannheim und in Köln studiert und lebt nun glücklich verheiratet in Ludwigshafen. Er ist Schlagzeuger und Percussionist, mit vielen tollen anderen Musikern unterwegs und hat auch viel zum Entstehen unseres Bandsounds beigetragen.
Oliver Maas, ist jetzt seit einem Jahr dabei. Er hat in Essen Klavier studiert, hat schon viele CDs veröffentlicht (u.a. Oliver Maas Trio, Jörg Brinkmann Trio, Invisible Change) und ist eine unglaubliche Bereicherung für die Band.
Ich würde sagen: wir haben uns gesucht und gefunden. Wir wissen alle die Qualitäten der Anderen zu schätzen und freuen uns über jedes Konzert, dass wir gemeinsam spielen. Meiner Meinung nach macht es auch nur so Sinn!
(Fotos: Frank Schindelbeck)
CD „No Blah Blah“ (2012), Label: Jazz’N’Arts
Tourtermine:
17.10. Frankfurt, Artbar
18.10. Tübingen, Jazz-und Klassiktage
19.10. Erfurt, Jazzclub
20.10. Berlin, B-Flat
21.10. Pohrsdorf bei Dresden, Saxstall
10.11. Ravensburg, Trans4Jazz Festival
19.11. Heidelberg, Jazzclub, DAI
23.11. Ludwigsburg, Jazztage
Autorin: Mane Stelzer
09.10.2012