Die „one woman production“

Das Debut von Sandrina Sedona

Die Live- und Studiosängerin Sandrina Sedona, die schon für Paul Young, Alannah Myles, Nik Kershaw, Nina Hagen, Udo Lindenberg und viele andere gesungen hat, Sprecherin und Schauspielerin mit über 20jähriger Berufserfahrung ist, macht jetzt mit einer „one-woman production“ von sich reden. Für ihr Herzensprojekt und Debüt „Songs For The Y-Lien – A Fairytale About Love“, ein Konzeptalbum, das aus sage und schreibe 30 Tracks besteht, arbeitete sie ein Jahr lang wie besessen: sie komponierte, arrangierte, spielte ein, nahm auf und mischte alles selbst. Auch das CD-Booklet gestaltete sie selbst und dazu gründete sie noch ihr eigenes Label SOS Records. Dabei hätte sie eigentlich die besten Kontakte gehabt, um so eine Produktion nicht allein stemmen zu müssen.

Du hast in Deiner „one-woman-Produktion“ alles selbst komponiert, arrangiert, programmiert, eingespielt, aufgenommen, produziert und abgemischt, kaum vorstellbar. Hast Du Dir das alles selbst beigebracht und angeeignet?

Ich habe bereits vor vielen Jahren, als es noch keine Musikcomputerprogramme gab, mit den damaligen Aufnahmegeräten (4-Spur, 8-Spur und dann 16-Spur) angefangen zu komponieren und die Aufnahmetechnik zu erlernen, alles im Do it yourself Verfahren. Meine Eltern haben mich da immer unterstützt, denn bei uns zu Hause hieß „Lern was Gescheites“ übersetzt: lerne Tanz, Schauspiel und Musik!!! So ein Glück… somit wurde Musik und alles, was damit zu tun hat, von früh an spielerisch durch Ausbildungen gefördert, aber ohne Druck, dass ich das beruflich machen müsste – was aber dann freiwillig nach der Schule geschah und bis heute so ist und mich sehr glücklich macht.

Was waren das für Kompositionen und wie bist Du da rangegangen?
In jungen Jahren hab ich Filmmusik und Pop- und Rockmusik-Stücke für meine damaligen Bands und später auch als Auftragskomponistin für andere Künstler geschrieben. Das Komponieren an sich hab ich auf keiner Schule gelernt, sondern es einfach getan, unter Missachtung sämtlicher sonstigen Regeln die man auf einer Musikschule lernt! Diese unbefangene Art zu komponieren habe ich ausgefeilt und so aufbereitet, dass ich sie nun seit Jahren in meinen Kursen in der Toskana unterrichten kann, für jedermann, egal ob Profi oder Laie und… es funktioniert 🙂

Vom 4 Spur-Gerät zur professionellen Studioproduktion ist es ja ein langer Weg, wie ist der verlaufen?
Im Lauf der Jahre kamen dann die Musikcomputerprogramme und ich lernte immer weiter und kann nun sagen, dass ich nach all den Jahren alles kann, was mit Studio- und Aufnahmetechnik zu tun hat. Seit einigen Jahren habe ich mir auch noch den Traum vom eigenen Tonstudio erfüllt, in dem ich auch meine selbstgegründete School-of-singers habe und Gesang, Präsentation, Komposition und Musikprogramme unterrichte. In den letzen Jahren habe ich mich viel mit Arrangement und Produktion beschäftigt und war oft bei Produktionen im Studio dabei, um zu lernen und mir alles abzuschauen. Ich habe von Anfang an an diesem Traum gearbeitet und gezielt Stück für Stück alle Fertigkeiten erworben über all die Jahre für das große Ziel: ALLES alleine machen zu können. Vom ersten Ton an bis zur Veröffentlichung. Mein Motto war stets : Learning by watching and learning by doing und mein Credo immer: Bless the present, trust yourself and expect the BEST! Also, stets zu würdigen, wie weit ich schon gekommen bin, stets mir selbst zu vertrauen, egal was andere mit mehr Erfahrung dazu sagen und stets das Beste von mir zu erwarten, wodurch ich den Bewerter in meinem Kopf ausschalten konnte, der vieles nicht entstehen lassen würde, weil es oft schon vorher durch zu strenge Selbstkritik verworfen wird.

Dann hast Du – neben einem guten Selbstbewusstsein – ein Faible für Technik?
Ja, Sounddesign, Programming und Arrangement sind zur Leidenschaft geworden. Ich habe die Produktionen und Arrangements meiner Vorbilder studiert und daraus viel gelernt. Und die Technik liebe ich und hatte mich von jeher fasziniert. Ich fand es immer doof, wenn ein Mädchen NUR singen kann und wollte immer alles ganz toll können, was sonst meist nur die Jungs checken :-)… und ich war wie besessen, alle Studiotechnik- und Musikfachzeitschriften zu lesen.

Du hast ja auch alle Instrumente selbst eingespielt…
Mit 14 habe ich begonnen, Schlagzeug zu spielen und war auf der bekannten Drummers Focus Schule. Ich lernte auch einigermaßen Klavier, mein Vater ist Pianist. Nebenbei lernte ich E-Gitarre und vor kurzem lernte ich auch noch Bass, somit kann ich alle Instrumente alleine einspielen.

Du bist ja schon lange als Sängerin im Showgeschäft unterwegs und hast mit vielen Musikgrößen zusammengearbeitet, also sicherlich auch viele Kontakte. Warum hast Du die nicht für Dein Debut genutzt?
Ja, durch die Arbeit mit großen Stars waren natürlich alle tollen Musiker „verfügbar“. Alle wollten gerne und sogar umsonst auf meiner CD spielen, aber als ich das anfangs versuchte, habe ich gemerkt, dass das dann niemals die Musik ergibt, die in mir drinnen klingt. Es wurde immer anders, als ich das in mir hörte und manchmal saß ich weinend vor den Spuren, die bekannte Musikergrößen geschickt hatten, weil ich Angst hatte, ihnen zu sagen, dass es mir nicht gefällt.

Bist Du nie an Deine Grenzen gestoßen?
Ja und nein. Da diese Musiker natürlich ALLES supergut spielen können und ich nicht sooo perfekt auf jedem Instrument bin, hatte ich Limitationen. Die erwiesen sich aber als Himmelsgeschenk, denn dadurch musste ich manchmal andere, sehr unkonventionelle Lösungen finden, wie zum Beispiel eine Gitarrenfigur, die ich nicht spielen kann, einfach zu singen und dabei einen Gitarrensound nachzuahmen und ähnliches… dadurch wurden meine Sachen immer eigener und ausgefallener und gefielen mir immer besser!

Hast Du jetzt erst Dich selbst verwirklichen können?
Am Anfang denkt man ja, wenn es nach einem selber klingt und nicht nach dem, was man so hört, ist es schlecht, bis ich kapierte, dass das, was ich „komisch“ finde, eben gerade gut ist, weil es eigen und kongruent mit mir ist und das war dann letztendlich auch das, was den anderen plötzlich gut gefiel. Das ist ein laaaanger Prozess gewesen 🙂 Denn ich habe ja bereits viele CD`s gemacht und hatte auch Plattenverträge, aber ich war mit nichts glücklich und hab mir immer insgeheim gewünscht, dass ich damit nicht erfolgreich werde, weil ich das erst will, wenn es so klingt wie ICH das höre.

Das klingt, als hättest Du nicht nur gute Erfahrungen im Musikbusiness gemacht…
Ich bin eigentlich jetzt erst bereit, mit einem eventuellen ganz großen Erfolg umzugehen, selbigen unbeschadet und gefestigt zu überstehen und als durchweg positive Erfahrung erleben zu können. Auf meinen Tourneen für viele große Künstler hatte ich ja so einiges gesehen, was mir nicht gefallen hatte und das mich oft zweifeln ließ, ob ich denn überhaupt so leben will wie viele von denen. Um erfahren und gefestigt genug zu sein, braucht es halt einige Jährchen und dann ist man in dem Business eh meist zu alt, was einfach verrückt ist! Auch das war mit ein Grund, alles selbst zu machen, denn ich lass mir nicht noch mal von einer Plattenfirma vorschlagen, meine Nase zu operieren oder meinen süßen, von mir geliebten Vampirzahn zu opfern oder ähnliches. Das kann es ja nicht sein! Gut, dass ich nie drauf eingegangen bin!

Das war ja wohl noch ein Grund mehr, alles selbst in die Hand zu nehmen.
Ja, ich will doch keine Modepuppe sein oder ein zu vermarktender Joghurtbecher, der ein beliebiges momentan gewünschtes Design verpasst bekommt! Ich bin keine 20 oder 30 mehr und weiß auch selbst, was ich anziehen will und wie ich mich sehen will und darum war ich mit den Covers auch immer sehr unglücklich. Aus diesen Gründen hab ich ja dann auch meine eigene Platenfirma gegründet, damit ich alles alleine bestimmen und kontrollieren kann. Und die Grafikprogramme hab ich mir dann auch noch draufgeschafft, damit mir auch beim Cover keiner reinpfuscht in meine Visionen.

Die Arbeit an Deinem 1. Solo-Album hat ein Jahr gedauert, geschah das alles quasi nebenher – in der Zeit musstest Du ja sicherlich auch Geld verdienen? Wie hast Du das finanziert (Presswerk, Mastern usw.)?
Ich war ja von Anfang an gut im Business als Chorsängerin. Ich hab bestimmt auf über 500 CD`s Chorstimmen gesungen und auch als Tourneesängerin für bekannte Künstler gut verdient und somit gab es noch genug Zeit für meine musikalische Weiterentwicklung.
Als Songwriterin hab ich auch Gema und als Studiosängerin GVL bezogen und zusätzlich noch ein Tonstudio und eine Gesangsschule eröffnet.
Außerdem brauche ich nicht so viel, um mich reich zu fühlen und…, ich habe keine Angst wegen Geld. Ich war immer bereit, alles für die Musik zu verlieren und in meinem Wohnmobil oder sonst wie zu leben. Aber vermutlich war genau deswegen, weil ich keine Angst hatte, immer genug Geld da und ich hab mein kleines Häuschen und mein Tonstudio immer gut finanzieren können.
Für die Pressung, Mastern und die teure Print- und Radiopromo hab ich eine Riesensumme auf den Tisch gelegt, obwohl man nicht wirklich vorher weiß, was das dann bringt. Es gab die Möglichkeit viele CD`s an Freunde und Fans privat zu verkaufen und damit zu verdienen – jedoch hätte das nicht viel in meinem Kosmos verändert, außer dass alle, die mich kennen, meine neue CD gehabt hätten.
Aber es gab auch die Möglichkeit, weniger einzunehmen durch den Verkauf in Läden und Amazon und obendrein viel Geld auszugeben für Promotion. Und wieder habe ich den Risikoweg gewählt und angstfrei mein letztes Erspartes investiert, um mir die Möglichkeit zu eröffnen, dass viele Menschen, die mich noch nicht kennen, meine Musik hören, verbreiten und weitertragen.
Das Geld ist dabei nicht so wichtig. Es geht darum, dass man seine Musik teilt. Geld ist ein angenehmer Nebeneffekt, über den ich mich sehr freue. Musik ist für mich ein Geschenk und ich wollte schon als Kind immer gerne selbst „ein Geschenk“ sein. Wenn man etwas mit dem Gedanken herstellt, dass man es der Musik und der Freude willen macht, dann fühlen die anderen diese Freude meist genauso wie ich selbst bei der Herstellung und dann ist auch „Bewertung“ nicht mehr schlimm. Ich hab es ja nicht gemacht, damit man mir auf die Schulter klopft und sagt wie toll es ist – was nicht heißt, dass ich mich nicht riesig freue über das viele Lob, das ich nun bekomme! Aber das war nicht der Grund für das Herstellen meiner Musik.

Hat sich die teure Investition gelohnt?
Ich finde JA. Ich habe durch die Print-Promo sehr viele Presseartikel, die ich bestimmt gut gebrauchen kann, auch für meine zukünftigen Projekte, und es freut mich zu wissen, dass nun schon mehr Menschen, die mich vorher nicht kannten, mich nun kennen und immer mehr dazu kommen. Im Radio wird es auch gespielt, aber leider nicht so oft, als dass es in die Charts kommen würde. Da muss man noch ein paar wichtige Dinge beachten, die ich vorher nicht wusste, aber jetzt durch die Feedbacks gelernt habe. Man ist immer am Lernen und das ist gut so und macht Spaß. Man muss halt am Ball bleiben mit der Promo und noch sooo viel selbst machen, auch wenn man dafür Firmen engagiert hat… das reicht einfach nicht. Am Ende läuft es immer wieder darauf hinaus: alles was man nicht aus eigener Kraft macht oder selbst initiiert, wird entweder gar nicht gemacht oder nicht so gewissenhaft und akribisch wie man das selbst machen würde !

Was hat Dich beim Schreiben der Songs inspiriert?
Ich hatte viel erlebt und viel Schmerz und Gefühle in mir und die habe ich zu Klang verarbeitet und wollte sie teilen, weil andere bestimmt auch solche Gefühlsbäder kennen. Wie oft war ich dankbar, wenn Künstler Lieder in die Welt getragen haben, deren Emotion und Text genau für mich gepasst hat! Damit so etwas Wundervolles passiert, muss der Künstler aber auch willens sein, die tiefsten Gefühle und Emotionen zu teilen. Ich will anderen Mut machen, ihre Gefühle auszudrücken und auch KünstlerkollegInnen ermutigen, alles selbst zu machen, und darum trage ich das auch weiter in meinem Unterricht, der mir viel Freude bereitet und den ich auch weiter machen werde, wenn ich ganz reich werde.

Wie hast Du es geschafft, das Jahr durchzuhalten?
Oft habe ich die Nächte durchgearbeitet und wenig geschlafen und gegessen, aber das hat mich nicht angestrengt. Schließlich war es ja für meinen großen Traum. Da kann man ungeahnte Kräfte und Energien mobilisieren und vieles gleichzeitig managen und Zeitlöcher kreieren und vor allem Energie zielgerade bündeln. Ich mach ja auch immer Verträge mit mir selbst und der Vertrag hieß: Ein Jahr für die Fertigstellung der Musik des Albums, inklusive mischen und keinen Tag mehr! Hab’s knapp auf den Tag genau geschafft!
Und ich war ja so unhappy in einer Liebesgeschichte (darum geht das ganze Album) und das war einfach die ganze schlechte Energie und die Trauer, die ich umgewandelt und transformiert habe in schöne Musik. Dabei hab ich meine Selbstliebe gefunden und ich erzähle das musikalisch auf meinem Album, wie der Traum der bedingungslosen Liebe mit den Ängsten kollidiert und wie man am Ende zu sich selbst findet.

Deine Platte heißt „Songs For The Y-Lien – A Fairytale About Love“, was bedeutet der Titel?
Haha….:-) Der „Y-lien“ ist das besungene Objekt, also ein Mann, und zwar einer der sich wie ein Alien benimmt ! Warum es nicht „Songs for the A-lien“, sondern „Songs for the Y-lien“ heißt? Tja… das ist das Rätsel des Abums, das man aber leicht lüften kann, wenn man das Cover genau studiert 🙂

Wie kamst Du auf die Idee, ein Konzeptalbum mit 30 Tracks, 15 sog. Interludes und 15 eigentlichen Songs aufzunehmen?
Ich wusste am Anfang nicht, dass da ein ganzes Album draus werden würde, da ich ja auch nicht wusste, was ich durch diese Liebesgeschichte für große Entwicklungsprozese erleben werde. Da alle Lieder zusammenhängen und in der Reihenfolge entstanden sind, wie ich alles erlebte, ist es ein Konzeptalbum geworden. Es gibt einen Anfang, die Entwicklungsphasen und verschiedenen Stadien dieser Liebesgeschichte und einen Abschluss mit einem sehr ergiebigen Ergebnis für mich, obwohl die Liebesgeschichte ja eigentlich nicht gut verlief. Es gab also zuerst die 14 Songs.
Als alles fertig war, wollte ich ein Intro haben, so wie das Pink Floyd immer machen und hatte die Idee, das Kennenlernen und die Verführung musikalisch umzusetzen. Dann fand ich so großen Spaß an dieser Art erzählerischer Mini-Filmmusik, mit Atmosphären, die die Gefühle widerspiegeln, dass ich beschloss, vor jedem Song ein Gespräch zwischen mir und meinem Unterbewusstsein als musikalisches Interlude aufzunehmen. Das war eine Riesenarbeit, aber ein irrer Spaß und ich lernte wieder soviel Neues. Somit wird die Geschichte wie ein Film erzählt und darum auch das CD-Cover mit dem Kino, das meinen Namen trägt und den Filmstreifen, da ja jeder sein eigenes Kino hat, in dem die ganz eigenen Filme laufen.
Problematisch wird es dann, wenn draussen in der Vorschau ein anderer Film gezeigt wird, als der, der im eigenen Kino auf der Leinwand läuft und obendrein der Kinobesitzer keinen Eintritt gewährt, sich aber wundert, dass niemand den Film zu verstehen scheint :-). Ich habe für mich gelernt, dass es wichtig ist, die Menschen in sein Kino hineinzulassen und Ihnen den wahren ungeschnittenen Film zeigt. Und das habe ich mit meiner CD getan. In diesem Sinne… you are so welcome 🙂

CD „Songs For The Y-Lien – A Fairytale About Love“ (VÖ: 01.06.2012)

www.sandrina.it
Autorin: Mane Stelzer

26.07.2012