Sandra Grundel, drums

Portrait einer jungen Musikerin

Viele junge Mädchen träumen von einer Karriere als Popstar und möchten so reich und berühmt werden wie Rihanna, Lady Gaga oder Ivy…. In den Castingshows der Fernsehsender wird ein Bild vermittelt, dass es jede schaffen kann, die das Glück hat, entdeckt zu werden, aber es fehlen reale Vorstellungen über die wirklichen Hintergründe und Karrierewege einer Popmusikerin. Deshalb möchten wir genau dies einmal näher beleuchten anhand eines Portraits einer jungen Berufsmusikerin aus Frankfurt, der Schlagzeugerin Sandra Grundel.

Liebe Sandra, Du hast im letzten Jahr Dein Musikstudium abgeschlossen und lebst nun als selbständige Berufsmusikerin, d.h. Du spielst in Bands und unterrichtest viel. Wie sieht Dein Berufsalltag aus?

Er sieht genau so aus wie du gesagt hast. Momentan unterrichte ich viel und spiele in Bands. Diese beiden Berufsfelder ergänzen sich hervorragend und zum Glück lässt sich beides super kombinieren. Ich spiele vor allem in festen Formationen, aber manchmal kommen auch Jobs zustande, bei denen man sich mit MusikerInnen spontan für Aufträge zusammenschließt.
Was das Unterrichten betrifft, arbeite ich hauptsächlich an Musikschulen und gebe regelmäßig Workshops.
So kann ich viel mit Kindern arbeiten, was mir sehr viel Spaß macht, aber auch mit meinen Freunden zusammen Musik machen und auf der Bühne stehen, was ich liebe.

Foto: Annegret Arnold

Du hast schon sehr früh mit dem Schlagzeugspielen angefangen, das ist immer noch ungewöhnlich für ein Mädchen, wie kam es dazu?

Schon als ich klein war hat mich die Musik fasziniert. Da in meiner Familie auch schon immer viel musiziert wurde, war der Kontakt zum Instrument immer schon da. Angefangen habe ich allerdings mit der Gitarre. Ich habe lange Gitarrenunterricht gehabt und wollte auch sehr schnell mit Freunden eine Band gründen. Irgendwie gab es nie jemand, der Schlagzeug spielen wollte und da habe ich mich eines Tages einfach mal drangesetzt und es war großartig! Von diesem Tag an hat mich dieses Instrument nicht mehr losgelassen.

Wir kennen Dich schon seit über 10 Jahren, und zwar warst Du damals selbst Teilnehmerin von Bandcoaching-Projekten für Mädchen, die wir organisiert hatten. Wie beurteilst Du diese Förderungen heute?

Sun Drip bei „Girls That Rock“ 2003, Sandra unten 2.v.l.

Ich finde diese Förderung sehr wichtig und sinnvoll. Damals, als Teilnehmerin, stand für mich der Spaß und das gemeinsame Spielen mit Freundinnen im Vordergrund. Heute weiß ich wie viel wir damals gelernt haben und wie wichtig die Kontakte sind, die ich zu dieser Zeit knüpfen konnte. Es haben sich einfach ganz neue Möglichkeiten dadurch ergeben, die mich damals weitergebracht haben und mir bis heute noch helfen.

Du hast schon damals in Bands gespielt, das waren meistens reine Mädchenbands. Inzwischen bist Du die einzige Frau in der Band Kolor. Zeigt das, dass es sozusagen in der „Profiliga“ einfach weniger Frauen gibt, die
solange durchhalten?

Natürlich gibt es, gerade was bestimmte Instrumente betrifft, weniger Frauen, die diese spielen. Ich denke aber nicht, dass dies nur am Durchhalten liegt, sondern auch daran, dass sich viele Mädchen oder Frauen schon von vornherein nicht „trauen“ gewisse Instrumente zu spielen, weil sie als Männerdomäne wahrgenommen und so schon im Vorfeld abgehakt werden. Dazu kommt, dass viele Instrumentalistinnen sich zu Frauenbands zusammenschließen. Solche Konstellationen wie bei Kolor sind, wie du schon sagtest, eher selten. …Warum das so ist? Keine Ahnung! Ich fühle mich sehr wohl mit meinen Jungs!

Gibt es für Dich einen Unterschied, ob Du mit Frauen oder Männern Musik machst oder hat es keine Bedeutung für Dich?

Nein, es geht für mich nicht darum, ob ich mit Männern oder mit Frauen Musik mache, sondern nur um Sympathie und dass man sich auf der gleichen Wellenlänge bewegt. Es muss musikalisch passen – das Geschlecht ist dabei doch vollkommen egal.

Weißt Du, was aus den anderen Mädchen geworden ist, mit denen Du damals gespielt hast, machen die auch noch Musik?

Das ist ganz unterschiedlich. Viele machen noch Musik, allerdings hat keine dies zu ihrem Beruf gemacht.

Wann hast Du Dich entschlossen, Musik zu studieren und wirklich die Musik zu Deinem Beruf zu machen?

Drummerin bei miss covery

Mein Hauptinteresse galt schon immer der Musik und sie hat fast meine gesamte Freizeit ausgefüllt. Es war für mich also schon früh klar, das was mir Spaß macht auch zu meinem Beruf zu machen. Mir war einfach wichtig einen Beruf auszuüben, der mich glücklich macht und bei Musik ist das der Fall.

Galt es Hindernisse zu überwinden oder hattest Du die Unterstützung von Deinen Eltern, Freunden oder Lehrern?

Ich hatte das Glück immer die vollste Unterstützung von meinen Eltern, meiner Familie und Freunden zu haben. Das heißt natürlich nicht, dass alles immer glatt lief, aber es ist ungalublich wichtig, den Rücken gestärkt zu bekommen.

Und wenn Du das mit Deinem Berufsalltag heute vergleichst, waren Deine Vorstellungen realistisch und bist Du zufrieden?

Ja, meine Vorstellungen waren realistisch und ich bin zufrieden, weil ich das machen kann, was mir Spaß macht.

Kannst Du uns etwas über Deine Erfahrungen im Studium erzählen. Und welche Möglichkeiten gibt es heute überhaupt, Popmusik zu studieren, da ist ja in den letzten Jahren viel passiert?

Bei der Auswahl des Studienortes bzw. der Studienausrichting gibt es wirklich sehr viele Möglichkeiten, sodass jede/r sein Studium nach seinen individuellen Vorstellungen ausrichten kann. Ich denke, in dieser Region sind wir sehr gut aufgestellt, was Jazz- und Popularmusik betrifft. Man sollte sich vorher allerdings im Klaren sein, in welchem Bereich man später arbeiten möchte. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei mir persönlich war es damals so, dass mir die Fmw (Frankfurter Musikwerkstatt) empfohlen wurde und ich schon Kontakte dorthin hatte, sodass für mich die Entscheidung, dort zu studieren, schnell getroffen war.

Bist Du im Laufe Deines Studiums/Deiner Karriere anderen Schlagzeugerinnen begegnet?

Ja, natürlich! Allerdings schon eher selten. In meinem Studium zum Beispiel war ich leider von meinem ersten bis zum letzten Semester immer die einzige Schlagzeugerin. Man trifft vorwiegend Sängerinnen, Instrumentalistinnen sind leider eher selten. Aber dank einer so tollen Institution, wie dem Frauenmusikbüro, gibt es zum Glück die Möglichkeit sich mit anderen Musikerinnen zu verknüpfen.

Fandest Du es schwierig, Dich als Frau in der Männerdomäne Schlagzeug zu behaupten?

Kolor, Foto: Annegret Arnold

Die Antwort auf diese Frage ist sehr schwer, da ich sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht habe.
Positiv ist natürlich, dass man als Frau am Schlagzeug mehr auffällt. Das rückt einen in den Vordergrund und kann daher von Vorteil sein, weil die Aufmerksamkeit häufig erst einmal auf mich gerichtet ist. Das kann spannend sein.
Auf der anderen Seite sinkt teilweise die Erwartungshaltung beim Zuhörer und zusätzlich wird man kritischer bewertet. Manchmal wird man als Frau nicht ganz ernst genommen, aber dennoch an den gleichen Maßstäben gemessen. In solchen Situationen fühlt man sich unter Druck gesetzt. Zum Glück ist das aber selten der Fall und die eben genannten positiven Seiten überwiegen in meinen Erfahrungen.
Ich denke, ich bekomme viel mehr Resonanz als meine männlichen Kollegen. Für mich persönlich ist das eigentlich gar kein so großes Thema, da es für mich normal ist, einfach das Instrument zu spielen, das mir Spaß macht.

Was macht Dir mehr Spaß, das Unterrichten oder das Auftreten?

Das sind zwei ganz verschiedene Welten und nicht miteinander zu vergleichen. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen, aber es macht mir auch Spaß zu unterrichten.

Welche Pläne hast Du oder was möchtest Du gerne erreichen?

Ich habe noch viele Pläne und es gibt noch viele Ziele, die ich mir gesteckt habe. Gerade als MusikerIn ist es ja wichtig nicht stehen zu bleiben, sondern sich immer weiterzuentwickeln und immer offen für Neues zu bleiben. Das habe ich mir vorgenommen und ich bin gespannt, was passiert.

Und zum Schluss, was würdest Du Mädchen oder jungen Frauen mit auf den Weg geben, die auch Musikerinnen werden wollen?

Sticks. 🙂

Titelfoto: Annegret Arnold

www.myspace.com/sandragrundel
Autorin: Hildegard Bernasconi

28.04.2012