7. „Women in Jazz“-Festival in Halle
vom 4. bis 12. Februar 2012
WOMEN IN JAZZ – AROUND THE WORLD
Zum Auftakt des Festivals tritt am 5. Februar die Sängerin Efrat Alony auf. Sie wurde in Haifa als Tochter jüdisch-irakischer Einwanderer geboren und ging für ihr Musikstudium in die USA und nach Berlin an die „Hanns Eisler“-Hochschule. Dort lebt sie auch heute und beim Hineinhören in ihre beiden Alben „Dismantin Dreams“ und „Unarmed and Dazed“ erkennt man schnell, dass die Musik von Efrat Alony durchaus Anleihen an den derzeitigen Trends im europäischen und amerikanischen Jazz aufnimmt. Sie verleugnet auch nicht eine Ambivalenz zum Rock und zur elektronischen Musik. „Unarmed and Dazed“ ist allerdings etwas unkonventioneller gestrickt. Dort spielt Alony mit der gesamten Breite ihrer stimmlichen Fähigkeiten, neigt mehr zur Improvisation. Sie selbst sagt von sich, Jazz sei das Medium, in dem sie sich frei bewegen könne, ohne Grenzen.
Ebenfalls aus Israel kommt die Jazzpianistin und Sängerin Julia Feldmann nach Halle. Im Gegensatz zu Efrat Alony ist sie aber eine Einwanderin, lebt auch in Israel und sieht das Land als ihre musikalische Heimat. Feldmann wurde im russischen Samara geboren. Jazz wurde ihr praktisch schon in die Wiege gelegt, ihr Vater spielte Piano in einer Jazzband. 1990 wanderte die Familie nach Israel aus. Dort begann Julia Feldmann an der High School of Arts ein Jazzstudium. Ihre Debüt-CD „Words are Worlds“ erschien 2006. In Titeln wie „Coda“ schwingt dabei eine Fülle von Klängen arabischer und jüdischer Musik mit. In Hebräisch gesungene Texte zeigen ihre Verbundenheit mit der neuen Heimat. Das zweite Album „The Secret Door“ entstand während eines Studienaufenhaltes in New York; es lebt vom sanften, aber durchaus nicht konventionellen Gesang Julia Feldmanns.
Die Türkei und den Kosovo hat man als Jazzfan nicht unbedingt auf dem Zettel. Aus diesen beiden Ländern präsentieren sich zwei Sängerinnen 2012 auf dem Festival: Ayse Tütüncü und Irina Karamarkovic. Beide Künstlerinnen beweisen: Jazz und die musikalische Tradition der Heimat müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.
Schon 1983 gründete Ayse Tütüncü ihre erste Gruppe, „Mozaik“, und veröffentlichte bis 1995 vier Alben. Ihre Improvisationen wirken dabei sehr eindringlich, manchmal fast wütend in der Verbindung von Rock, westlicher klassischer Musik, Jazz und traditionellen türkischen Klängen.
Irina Karamarkovic wurde 1978 in Pristina geboren. Das Leiden, das ihre Heimat in den letzten dreißig Jahren durchlitten hat, spürt man in dem 2009 veröffentlichen Album „Songs for Kosovo“. Karamarkovic verfolgt in der Fusion des Jazz mit Texten in ihrer Muttersprache und der Musik des Balkan das klare Konzept, Traditionelles zu vergegenwärtigen und damit nicht in Vergessenheit zu geraten zu lassen.
Komplettiert werden die Ausflüge in die weltweiten Gestade des Jazz durch die Harfinistin Cristina Braga aus Brasilien. Südamerika gilt in Sachen Jazz nun wirklich nicht als „terra incognita“ und Cristina Braga ist auch keine Unbekannte. 14 Alben hat sie bereits veröffentlicht. Sie ist eine Wanderin zwischen den musikalischen Welten der Klassik und des Jazz. Immerhin ist sie Mitglied des Sinfonieorchesters von Rio de Janeiro. Das Ungewöhnliche ist vielleicht das Instrument; Harfe gilt nicht unbedingt als klassisches musikalisches Werkzeug in der Welt des Jazz. Braga kombiniert ihre großartige Spielweise auf der Harfe dabei mit einem wunderschönen, zumeist melancholischen Gesang. In Halle wird sie bei ihrem Konzert von Jesse Sadoc auf dem Flügelhorn, Arthur Dutra am Vipraphone, Ricardo Medeiros am Bass und Joca Moraes am Schlagzeug begleitet .
„DEUTSCH-AMERIKANISCHE BEGEGNUNGEN“
Am 11. Februar 2012 werden sich Anne Lieberwirth, Angelika Niescier, Julia Hülsmann und Susann Weinert auf der Bühne der Oper Halle präsentieren, begleitet von zumeist amerikanischen Jazzmusikern.
Anne Lieberwirth
Den Auftakt macht das Anne Lieberwirth Trio gemeinsam mit der Saxofonistin Angelika Nescier und Julia Hülsmann. Anne Lieberwirth stammt aus Leipzig, lebt aber nun in New York. Ihr Instrument war eigentlich die Elektrogitarre. Es war ihre Eintrittskarte in die amerikanischen Clubs von „Big Apple“ oder Washington. Im Internet kann man noch manchen ihrer Auftritte nachhören, wie zum Beispiel im „Creole‘s“ 2010. Wer sich auf Lieberwirth am Kontrabass einstimmen möchte, dem sei das sanfte „Through Still Water“ empfohlen. Lieberwirth über Lieberwirth: „Mein Ding sind gerade Sachen, die grooven müssen.“ Amerikanische Akzente kommen nicht nur durch ihre Erfahrung als Clubmusikerin in vielen Sessions, sondern auch durch die sie begleitenden Musiker Victor Jones am Schlagzeug und den Gitarristen Jake Hertzog. Victor Jones gilt als Pionier des Acid-Jazz; Kritiker sehen in ihm einen der weltweit produktivsten und vielseitigsten Jazz-Schlagzeuger. Jake Hertzog gewann 2006 den Großen Preis des Montreux Jazz Giutar Competition. In seiner noch jungen Laufbahn arbeitete er mit dem Grammy-Preisträger Joshua Paul Thomson zusammen. Vom Guitar Player Magazin wurde er als das „pralle Wunderkind“ unter den Jazz-Gitarristen bezeichnet.
Angelika Niescier
Die sanfte Spielweise des Anne Lieberwirth Trios passt zu den Klangwellen des Saxophons von Angelika Niescier und dem feingeistigen Spiel der Jazzpianistin Julia Hülsmann. Nescier erhielt für ihr Album „sublim III“ 2010 den Echo Jazz. Sie stellt sich in die Tradition von Klaus Doldinger und Heinz Sauer, aber sie wirkt frischer, jugendlicher und damit auch zeitgemäßer. Lebendigkeit und Groove wechseln sich ab. John Coltrane scheint durchzuschimmern wie ein Schuss amerikanisches Blut in ihren musikalischen Adern.
Julia Hülsmann
Julia Hülsmann war schon 2011 Gast bei „Women in Jazz“, damals mit ihrem Trio und dem Projekt „Imprint“. 2012 begleitet sie am Klavier Lieberwirth und Niescier. Hülsmanns Musik ist durchzogen von amerikanischen Einflüssen, die sie während eines Studienaufenthaltes in New York 2000 in sich aufgesogen hat. Dort hat sie Unterricht bei Richie Beirach, Maria Schneider, Gil Goldstein und Jane Ira Bloom genommen.
Susan Weinert
Der Abend in Halle wird komplettiert durch Susan Weinert und ihr Projekt NetworX. Weinert stammt aus Neunkirchen im Saarland. Nach Erlernen des Gitarrenspiels als Kind und Jugendliche zeichnet sich bereits in den 1980er-Jahren eine professionelle Laufbahn als Jazz-Musikerin ab. Susan Weinert nimmt Unterricht bei den Jazzmusikern David Liebman und Richie Beirach, sowie den Gitarristen John Abercrombie und Mike Stern. Außer der musikalischen Prägung durch ihre Lehrer hat sie sich von Gitarristen wie Pat Metheny, Scott Henderson und Allan Holdsworth, aber auch von traditionellen Jazzmusikern wie Charlie Parker, Miles Davis, Wes Montgomery oder Sonny Rollins beeinflussen lassen.
Rachel Z
Wie bei Anne Lieberwirth findet das deutsch-amerikanische Aufeinandertreffen bei Susann Weinert an diesem Abend nicht nur in der Musik, sondern auch auf der Bühne statt. Weinert wird begleitet von den New Yorker Musikern Rachel Z und Omar Hakim. Pianistin Rachel Z kam über die Musik von Miles Davis zum Jazz, und spielte mit Al Di Meola, ist aber durchaus zu musikalischen Seitensprüngen bereit. So leitet sie z.B. die Rockband Peacecox. Die Schlagzeuglegende Omar Hakim bereiste mit Lionel Ritchie und Madonna die Welt und trommelte für Sting, Bruce Spingsteen und Michael Jackson. Die Liebe zum Jazz wurde ihm durch seinen Vater in die Wiege gelegt, einen Posaunisten der Bands von Duke Ellington und Count Basie.
Dieser deutsch-amerikanische Jazzabend wird allerdings nicht mit Powerplay daherkommen, eher werden die sanften Töne dominieren. Die Zuhörer in Halle erwartet ein fazinierendes Klangerlebnis in ganz eigenem Soundgewand. Junge Jazz-Talente können in der Zeit des Festivals von Lieberwirth, Hülsmann und Niescier Anregungen aufnehmen und im Rahmen eines Workshops mehr über die amerikanischen Einflüsse auf die Musik der Musikerinnen erfahren.
WEITERE FESTIVAL-KONZERTE
Die eigentlichen Festival-Konzerte in der Oper in Halle beginnen am Donnerstag, den 9.2. mit dem Olivia Trummer Quartett und Josefine Cronholm & Band.
Die junge deutsche Pianistin, Komponistin und Sängerin Olivia Trummer ist seit ihrem Debut-Album in der Jazzszene erfolgreich unterwegs, gerade hat sie ihre neue CD „Poesiealbum“ herausgebracht. Die Modern Jazz-Sängerin Josefine Cronholm aus Schweden gilt hierzulande immer noch als Geheimtipp, und das obwohl sie schon 2003 in ihrem Heimatland zur Jazz-Interpretin des Jahres gekürt wurde und in Dänemark bereits zwei Mal den Jazz-Grammy abräumte.
Am Freitag, den 10.12. bestreiten Christina Braga (s.o.) und Lyambiko das Programm. Die in der Schweiz lebende deutsch-tansanische Sängerin Lyambiko gewann 2011 den wichtigsten deutschen Musikpreis, den ECHO Jazz Award 2011. Für ihre aktuelle CD „Something like reality“ erhielt sie den Preis als „Sängerin des Jahres National“.
Das Konzert am Sonntag, den 12.12. in der Ulrichskirche mit Ida Sand bildet den Abschluß des Festivals. Ida Sand’s drittes Album „The Gospel Truth“ (erschienen im Dezember 2011) wird auf dem Programm stehen. Mit dieser CD erfüllte sich die schwedische Musikerin einen lange gehegten Traum: Ihre drei großen musikalischen Einflüsse, Jazz, Gospel und Soul, mit ihrer ganz eigenen Handschrift zu verbinden.
Neben den international hochkarätigen Konzertabenden sind eine Jazzfilmnacht und zwei Session-Abende neu im Festivalprogramm. Jazzlounge, Jazzlunch im Maritim, sowie verschiedene Ausstellungen ergänzen das Programm. Auch in diesem Jahr präsentiert die JazzAkademie, erstmals in Kooperation mit dem Deutschen Musikrat, den „Workshop für Komposition und Arrangement“ für junge JazzmusikerInnen und -formationen (siehe Melodiva Rubrik Workshops).
Autoren: Friedrich Weichelt / Hildegard Bernasconi
05.01.2012