Werkers mutiges Neuland

Ein Interview mit der Songwriterin Katja Werker

Intim ist sie, die neue Platte „Neuland“ der Songwriterin Katja Werker aus Essen. Als säße sie direkt neben Dir, eine gute Freundin, die mit Dir Tacheles redet. Jetzt mal ehrlich sein. Den Weg überdenken, Tabula Rasa machen und sich nicht mehr selbst belügen. Sich nicht von Schicksalsschlägen kleinmachen lassen, sondern aufrecht stehen und den eigenen Weg gehen, auch wenn der noch nicht vorher geebnet wurde. Die Musikerin weiß, wovon sie spricht, denn ihr Lebensweg war alles andere als leicht und gradlinig.

Eigentlich hätte sie dann auch bei ihrem Majordeal mit EMI bleiben und weiterhin mit ihren englischsprachigen Songs Erfolge feiern können. Doch irgendwas stimmte nicht, der rote Faden war eines Tages weg, vielleicht der Erwartungsdruck zu groß und die künstlerische Freiheit zu klein. So musste ein Neubeginn her und der nahm ausgerechnet am Küchentisch seinen Anfang: „Ich hol mir mein Leben zurück“.

„Ich hol mir mein Leben zurück“ war einer der ersten Songs, die Du in Deutsch geschrieben hast. Wie kam es dazu?

Ich sass am Küchentisch und hatte die Trennung von meinem langjährigen Partner und Vater meiner Tochter zu verkraften, es war mein Ansatz, einen sehr schweren Verlust zu verarbeiten.

Du hast Deine ersten drei Alben bei Majorplattenfirmen veröffentlicht und damit großen Erfolg gehabt. „Neuland“ erscheint jetzt erstmals bei einem Independent-Label und enthält ausschließlich deutsche Songs wie „Geh aufrecht“, „Zu Dir selbst stehen“ oder „An alle die“, die von neu gewonnener Freiheit und Ehrlichkeit, von neuem Mut handeln. War die Platte ein Befreiungsschlag für Dich?

Ja, in dem Sinne, dass ich meine Grenzen neu ausloten konnte ohne den Druck zu haben, auf Anhieb in die Charts zu kommen. Das war schon eine Befreiung.

Es geht in Deinen Texten viel darum, versäumte Träume nachzuholen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, neuen Mut zu fassen. Du hast vor einigen Jahren selbst alle Regler auf „O“ gestellt, wie Du in Deiner Info schreibst, um wieder den für Dich richtigen Weg zu finden. Hast Du alle Brücken hinter Dir abgebrochen oder hast Du Dir nur eine längere Auszeit genommen?

Nein, ich habe keine Brücken abgebrochen. Ich brauchte aber einige Zeit, um mir Fehler, die ich der Vergangenheit gemacht hatte, auch einzugestehen und zu verzeihen. Chancen, die ich nicht genutzt habe. Nur so konnte ich mich weiterentwickeln und auch „Nein“ sagen zu Dingen, die ich definitiv in meinem Leben nicht mehr akzeptiere, wie zum Beispiel unnötiger Stress und Hektik.

Du hast ja auch schon vor „Neuland“ sehr persönliche Texte geschrieben, aber eben in Englisch, sodass Dich vielleicht nicht alle im Publikum verstanden haben. Jetzt singst Du mit Deinen deutschen Texten unmittelbarer zu den Menschen. Wie fühlt sich das an, hat sich der Kontakt zum Publikum verändert?

Es fühlt sich gut und direkt an, weil ich das Gefühl habe, in meiner Muttersprache differenzierter schreiben zu können. Aber die englischen Songs haben wiederum eine Weichheit, die auch vielen Leuten gefällt. Ich finde beides gut.

Macht Dich das verletzlicher als früher?

Nein, es bereichert mich.

Welche Rolle spielt es für Dich, in Deiner Muttersprache zu singen; was wäre z.B. an „Zu Dir selbst stehen“ auf Englisch anders?

Diese Redewendung gibt es zum Beispiel, soweit ich weiß, im Englischen gar nicht, weswegen man diesen Song auch nur in Deutsch so umsetzen kann. Andere wiederum lassen sich auch ganz gut übersetzen. Es kommt auf den Einzelfall an.

Foto: Wolfgang Borrs

Du bist Autodidaktin, spielst sehr gut akustische Gitarre, E-Gitarre und Piano. Hast Du Dir das Spielen im stillen Kämmerlein selbst beigebracht?

Vieles entsteht im Austausch mit anderen Musikern und Musikerinnen, es ist ein Geben und Nehmen von Impulsen und Ideen. Aber ansonsten bin ich Autodidakt, hatte also keinen Musikunterricht. Was mich heute manchmal einschränkt in der Kommunikation mit anderen Musikern, was manchmal etwas umständlich ist.

Hast Du nie Unterricht genommen? Warum?

Keine Ahnung, es war eben so. Ich komme in dem Sinne von der Straße.

Nach drei Majordeals hast Du Dich jetzt für das Independent-Label t3records entschieden, um „Neuland“ zu veröffentlichen; was ist jetzt anders bei dem neuen Label? Triffst Du alle Entscheidungen selbst?

Es ist genau wie bei einem Majorlabel so, dass man sich mit den Verantwortlichen über gewisse Dinge wie Songauswahl, Instrumentierung, Fotos, etc auseinandersetzt. Der Unterschied ist vielleicht, dass bei majors verschiedene Leute verschiedene Aufgaben betreuen und bei dem kleineren Indie Label alles von einer Person gemanaged wird. Alles alleine entscheiden kann man nur, wenn man selber ein Label gründet und die Verantwortung trägt. Und auch dann ist man ja auf die Mitarbeit von Profis angewiesen, macht also auch nicht alles alleine. Alleine kommt man nicht weit. Aber die „Keimzelle“ aus der alles entsteht, muss autark sein, sonst geht es nicht.

Deine Begleitmusiker (Andrew McGuinness/Drums, Rene Flächsenhaar/Bass, Sebastian Düwelt/Orgel, Karen-Elisabeth Weber/Cello und Ulrike Tannert/Geige) unterstützen Dich dezent und agieren eher zurückgenommen. Sind das MusikerInnen, die Du schon lange kennst?

Nein, ich habe sie im Studio kennengelernt.

Du wirst in Kürze in Deutschland auf Tour gehen, solo oder mit Band?

Ja, ich spiele dieses Jahr bundesweite Solo-Konzerte, verstärkt im Oktober und November. Zunächst solo – aber mittelfristig auch wieder mit Bandbegleitung.

Du bezeichnest den deutschen Liedermacher Stoppok als „Mentor“, warst mit ihm früher schon im Studio und auf Tour. Jetzt hat er die Entstehung von „Neuland“ begleitet. Hat er Dich zu dem neuen Schritt ermutigt?

Stoppok ist für mich einer der wichtigsten Menschen und Kollegen in meinem Leben. Er hat meinen gesamten Weg seit 1998 mitverfolgt, mir Möglichkeiten gegeben, live und im Studio Erfahrungen zu sammeln und mich weiter zu entwickeln. Vor allem auf der Bühne habe ich sehr viel von ihm gelernt. Eine große Bereicherung in meinem Leben.

Es gab ja vorher noch ein Schlüsselerlebnis mit einem anderen, noch bekannteren Musiker, nämlich mit Peter Gabriel, den Du 1999 auf einer Englandreise kennen gelernt hast…

Ja, und später nach einem Konzert in Köln. Ein unglaublich feiner, intensiver Mensch. Ein Vorbild für mich.

Mit „Neuland“ nicht genug, Du hast gerade noch ein neues Album aufgenommen, das im Herbst erscheinen soll. Was ist das für eine Produktion?

Es ist ein sehr schönes Album aus dem Hause stockfisch records mit englischen und deutschen Songs, das wir rein akustisch mit ganz minimaler Besetzung zusammen im dem bekannten Gitarristen Ian Melrose aufgenommen haben. Eine audiophile, sehr emotionale Produktion.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ich möchte vor allem schöne CD’s machen und wieder mit einer guten Band auf größeren Bühnen spielen.

Aktuelle CD: „Neuland“ (2011)
Label: T3 Records

Tourtermine:
20.05.2011 Einbeck, Esel
21.05.2011 Berlin, Chrystal
22.05.2011 Halle, Objekt 5
23.05.2011 Dresden, Dreikönigskirche

http://www.katja-werker.com
Autorin: Mane Stelzer

15.05.2011