Susanne Strobel – Wenn die Energie stimmt, trägt das ganz stark

Interview von Mane Stelzer

Ein Gespräch mit der Percussionistin, Eventkünstlerin und Musikpädagogin über magische Momente in der Musik, den Reiz großer Trommel-Paraden, phänomenale Workshop-Erfahrungen und das MUS-E Projekt der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland

Ihre Liebe zur Percussion beginnt mit 17, als sie zum ersten Mal eine Liveband mit Percussion erlebt und sie ist eine der ersten Frauen, die sich als Trommlerin einen Namen gemacht hat. Im ersten Leben Gymnasiallehrerin, vermittelt sie heute in einer Vielzahl von musikpädagogischen Projekten die faszinierende Vielfalt der Percussion und begeistert die Menschen mit ihren großartigen Events.

Melodiva: Du hast ja ein Mega-Event hinter Dir, nämlich die große Samba-Parade beim NRW-Tag mit 100 Musikern und neun Ensembles! Was reizt Dich daran? Du könntest ja auch sagen, ich mach ’ne Samba-Parade mit zwei Bands?

Susanne: Die Vielfalt! Die Kraft und Energie. Was mich gereizt hat, war auch, die Bands zusammen zu bringen. In einer normalen Parade spielt jede Band ihr Ding, ihren eigenen Stil, mit eigenen Kostümen. Das wollte ich mischen, also komplett mischen, so dass nicht mehr jede Band allein steht, sondern es sich choreografisch mischt und alle miteinander spielen. Das fegt Dich weg, wenn Du davor stehst, das ist ganz toll… Am gleichen Tag haben wir mit drei der Bands abends im Stadion die Eröffnung gemacht. Wir haben das Publikum ins Fußballstadion reingezogen und dann auf der Grundlage der Parade-Grooves gespielt. Mit einer Band hatte ich vorher geprobt und mit der anderen Bandleitung lange telefoniert, sodass wir abends noch vielschichtiger arbeiten konnten, diesmal mit 50 Leuten, nicht mehr mit 140…

[bmu:5585]Die Sambaparade 2008
mit 9 Bands aus NRW[/bmu]

Melodiva: Du hattest ja auch eine Schrottparade gemacht, was war denn das genau?

Susanne: Das war ein Projekt mit 60 Kindern und Jugendlichen. Wir haben zum NRW-Tag die Schrottparade aufgeführt im Rahmen einer größeren Parade, der „Parade Paradiso“ mit Großfiguren, Stelzenläufern, Gesang. Da sind verschiedene Kunstformen zusammengeflossen. Meine Aufgabe im Projekt war, die einzelnen Jugendgruppen vorzubereiten, zusammenzuführen und unter meiner Regie ein Gesamtkonzept zu erstellen. Dazu gab es vor dem NRW-Fest einen Workshoptag, hier konnten sich die Jugendgruppen gegenseitig kennen lernen. Alle 60 Kinder hatten drei gleiche Grooves gelernt, die sie mit allen zusammen spielen konnten,
und jede Gruppe hatte etwas Eigenes vorzutragen. Zwei Gruppen hatten Mülltonnen, diese schicken, schwarz-blauen Papier-Mülltonnen – sie wurden von unserem Sponsor, der AWG Wuppertal, zur Verfügung gestellt, die haben einen tollen Sound. Es wurde darauf getrommelt, mit dem Deckel gearbeitet, auch umgedreht, drauf gesessen und wieder auf anderen Seiten gespielt…

Melodiva: Klasse… Wie alt waren die?

Susanne: Die jüngsten sind neun, das ist eine komplette Schulklasse, mit der ich über das sogenannte MUS-E Programm der Yehudi-Menuhin-Stiftung-Deutschland arbeite. Die zweite Gruppe ist eine Förderschulklasse, sie sind zwischen 14 und 16 und ich arbeite mit ihnen über das Projekt „Kultur und Schule“, das ist ein anderer Träger. Die dritte Gruppe kommt aus einer E-Schule, dort haben wir ein Schrottmobil gebaut, eine richtige Klangskulptur mit Rädern, die man durch die Stadt fahren kann. Mit ihnen arbeite ich über ein Stadtteilbüro, also noch ein dritter Träger. Und die vierte Gruppe, die mitgewirkt hat, war meine Jugendband „seven beats“, die ich aufgebaut habe im Auftrag der Yehudi-Menuhin-Stiftung. In diesem besonderen Projekt der Stiftung – es nennt sich „artlantis-percussion-project“ – spielen Jugendliche auf hohem künstlerischen Niveau zusammen. Es sind Kinder aus 10 Nationen dabei, es ist ein integratives Projekt. Zusätzlich ist es sowohl altersübergreifend – der Jüngste, der mitmacht, ist 9 und die Älteste ist inzwischen 19 – als auch schulübergreifend: da treffen sich Kinder aus der Real- und der E-Schule, der Berufsschule, dem Gymnasium und der Grundschule, das finde ich klasse. Es ist ja selten, dass da so eine Durchmischung stattfindet und gelingt! Und die fünfte Gruppe, die teilgenommen hat, waren erwachsene Schüler, die bei mir in meinem Unterrichtsraum Percussion-Unterricht haben. Sie sind quasi als Coach in diese Jugendgruppen eingestiegen gezielt für das Projekt.

[bmu:5587]Jaren ist begeistert – sie trommelt mit Susanne
bei MUS-E[/bmu][bmu:5591]60 Kinder und Jugendliche spielen Schrottpercussion
zum NRW-Tag in Wuppertal[/bmu]

Melodiva: Wie war das für die Kinder?

Susanne: Großartig! Sie waren auch dadurch, dass sie ja selbst mit Percussion zu tun haben, besonders aufmerksam für das, was die anderen gespielt haben. Es gab eine entsprechende Wertschätzung, weil jeder schon gemerkt hat, was bedeutet es, so etwas zu üben und zu können. Und gerade diese Jugendgruppe „seven beats“, das „artlantis-project“ in Zusammenarbeit mit der Stiftung (YMSD): Hier spielen sie schon länger zusammen und haben von ihren Altersgenossen viel Bewunderung dafür bekommen, dass sie schon so viel drauf haben.

Melodiva: Ein großer Teil Deiner Arbeit sind ja diese pädagogischen Projekte, wenn ich das richtig sehe, und Du arbeitest ja, wie Du gesagt hast, auch für das Projekt MUS-E, ein Projekt der Yehudi Menuhin Stiftung, die europaweit eine Aktion gestartet hat, um Musik bzw. Kunst vor allem an Schulen in sozialen Brennpunkten zu bringen. Wie kam denn der Kontakt zustande, wie bist Du darauf gekommen?

Susanne: Ich hatte damals ein Trio für sephardische Musik und suchte eine Schneiderin für Bühnenkostüme für diese mittelalterliche, spanisch-jüdische Musik. Als ich mir das Kostüm schneidern ließ, hatte sie eine Ausschreibung da liegen und sagte zu mir „guck mal, das ist doch interessant, das ist doch was für Dich“.
Neben den ganzen künstlerischen Projekten war es für mich ein Herzensding, immer auch ein soziales Projekt zu machen.
So habe ich mit einer Regisseurin zusammen zwei Jahre Musiktheater gemacht mit Kindern und Jugendlichen, damals über die LAG Musik. Die Kindern stammten aus Asylanten- und Flüchtlingsfamilien und hatten einen ganz harten, zum Teil traumatischen Hintergrund. Ich habe dann mit vorbestraften Jugendlichen gearbeitet, mit Schulverweigerinnen, oder auch im Jugendzentrum eine Mädchengruppe geleitet.
Das war mir wichtig neben allem anderen, und so habe ich mir damals gedacht, „ja, das gucke ich mir mal an“. Zum Casting in der Zeche Zollverein kamen viele Künstler verschiedenster Richtungen, die sehr motiviert waren, ihre persönliche Kunst mit den Kindern zu teilen. Ich bin eher „unromantisch“ dorthin gegangen, weil ich die Schwierigkeiten in der Arbeit mit diesen Kindern kannte. Auch ging es darum, einmal pro Woche in die Schule zu gehen, was ich als Musikerin nicht unbedingt realistisch fand. Ich habe diese Vorbehalte beim Casting geäußert und mir innerlich vorbehalten, es ggf. auch wieder zu lassen, witzigerweise bin jetzt ich eine derjenigen, die am längsten dabei sind, jetzt seit 9 Jahren. Ich bin von dieser Arbeit überzeugt. Vor ein paar Jahren wurde ich von der Stiftung in den Künstlerischen Rat berufen, wo künstlerische Beratung zur Stiftung hin stattfindet, habe dann innerhalb der Stiftung auch Fortbildungen gegeben wiederum für andere, neu einsteigende Künstler und Lehrer. Zwei Jahre lang hab ich jetzt mit einer bildenden Künstlerin zusammen als Künstlerische Projektleitung in einem Modellversuch im Grundschulbereich gearbeitet, der Musemodellschule.

Melodiva: Man arbeitet ja mit Lehrern zusammen, wenn ich das richtig verstanden habe?

Susanne: Die Lehrer sind in der Gruppe anwesend, im Idealfall machen sie genau wie die Kinder einfach als Teilnehmer mit, was ja den Lehrern die Chance gibt, ihre eigenen Kinder auch völlig anders wahrzunehmen. Und Du arbeitest mit der kompletten Klasse! Das ist eine große Herausforderung, Du hast da bis zu 30 Kinder.

Melodiva: Wie sieht so eine Unterrichtsstunde dann aus, wie ne normale Percussionstunde oder wie hast Du das aufgezogen?

Susanne: Ich habe viele Jahre hindurch selbst viel Material mitgebracht, bis dann irgendwann etwas Geld frei wurde und jetzt auch in der Schule einiges zur Verfügung steht, und ich mache das auf möglichst vielen verschiedenen Ebenen. Ich trommle mit den Kindern, benutze Percussion- und Bewegungselemente, singe mit ihnen und mache auch Wahrnehmungsübungen oder spielerische Sachen. Ich gucke auch, was von den Kindern kommt; das ist immer auch ein Wechselspiel.

Melodiva: Ist es denn leicht, Kinder über Musik zu erreichen?

[bmu:5624]Seven Beats mit Tonnen und
Schrottmobil[/bmu]Susanne: Sehr unterschiedlich. Wo ich selbst mit einer Faszination rangehe, vermittelt es sich auch an die Kinder. Wenn ich ein Kind wenig erreiche – es gibt ja auch sog. „schwierige“ oder „störende“ Kinder – hilft es, wenn ich aufgreife, was von ihnen kommt, sie dort abhole und damit integriere. Aber das etwas den Kindern überhaupt keinen Spaß gemacht hätte oder dass ich gar keinen Zugang gefunden hätte, hab ich noch nicht erlebt.
Bei der Schrottpercussion kürzlich wurden ganz überraschend manche Jugendliche plötzlich schüchtern und ihre Schüchternheit schlug um, sie wurden aggressiv, wie um sich zu schützen. Es stellte sich heraus, das war einfach, weil es ihnen ein bisschen unheimlich und fast peinlich war: „Ich soll jetzt mit ’ner Mülltonne öffentlich spielen.“ Ich hab ihnen dann Sachen gezeigt von Blue Man Group, von Stomp, die in musikinteressierten Kreisen ja inzwischen viel gesehen werden und bekannt sind. Das hat sie aber nicht sehr beruhigt! (Gelächter) Was sie beruhigt hat war, dass wir vor dem NRW-Tag eine Vorpremiere hatten auf einem Stadtteilfest. Hier haben sie gemerkt: Das interessiert die Leute, macht ihnen Spaß. Das Publikum war begeistert, das hat ihnen erst mal mehr Sicherheit gegeben, also schon die eigene Erfahrung.

Melodiva: Heutzutage wird immer beklagt, dass die Kinder so undiszipliniert sind und dass man eigentlich gar nicht richtig zum Unterrichten kommt. Ist es Dir auch so gegangen oder kannst Du über die Musik gleich so ’ne Atmosphäre herstellen, dass die achtsam sind und alles mitkriegen?

Susanne: Das ist sehr unterschiedlich, das hat echte Wellenbewegungen, von denen man auch nicht immer versteht, woran es gerade liegt. Die Kinder sind manchmal sehr, sehr aufgeregt, und dann hat man schon ein Problem mit der Lautstärke. Ich kann, da ich ein Medium habe, das natürlich hörbar ist, da reingehen und allmählich die Energien lenken. Wenn eine hohe Anspannung da ist und ich mit Erklärungen oder Worten nicht zu den Kindern durchkomme, fange ich an zu singen. Manchmal mach ich das frei, dann singe ich, was mir gerade durch den Kopf geht. Ich erzähle ihnen etwas, aber ich singe es. Das macht ganz viel aus. Dann verändert sich die Atmosphäre im Raum und sie beginnen wieder zuzuhören. Das lässt sich dadurch so ein bisschen auffangen.

Melodiva: Würdest Du das MUS-E-Projekt denn auch für MusikerInnen, die keinen pädagogischen Hintergrund haben, weiter empfehlen oder meinst Du, man müsste da schon einiges an Erfahrung mitbringen?

Susanne: In der Stiftung ist inzwischen ein gutes Programm von Schulungen aufgebaut worden, in denen man viel lernt und eben auch mit erfahreneren MusikerInnen Kontakt bekommt.

Melodiva: Es gibt ja auch solche „Buddies“, spielen die wirklich eine Rolle im Alltag, wenn man bei diesem Programm angefangen hat?

Susanne: Ich hatte diese Funktion eine Zeitlang. Wer Probleme hatte, konnte mich anrufen, um sie zu besprechen. Wir hatten auch ein Treffen mit je 5, 6, 7 Leuten, um Ideen auszutauschen, uns gegenseitig Tipps zu geben und Sachen, die in unserem Unterricht gut funktioniert hatten, weiter zu geben. Das war der sog. Ideen-Pool. Ansonsten kann man viel ausprobieren für sich selbst. Ich denke, schön ist, mit einer gewissen Offenheit da reinzugehen und zu gucken, was in der Situation passiert. Ich gehe oft mit Bausteinen im Kopf in die Musestunde, und sehe dann: Was ist hier gerade? In welche Richtung geht das jetzt weiter? Ich bin da ganz flexibel.

Melodiva: Was waren denn eigentlich so Deine Highlights bei Deiner pädagogischen Arbeit? Fällt Dir da ein Erlebnis ein, wo Du gemerkt hast, da hat die Musik wirklich einen Menschen erreicht?

[bmu:5590]MUS-E-Kinder, Seven Beats und Apito Fiasko beim Mega-
Event unter der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands[/bmu]Susanne: Vor zwei Jahren habe ich ein größeres Projekt gemacht, mit insgesamt sieben beteiligten Jugendgruppen aus drei Städten, wir hatten eine Aufführung unter der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands, der Müngstner Brücke in der Nähe von Wuppertal. Damals hatte ich eine Gruppe, die in der Vorbereitung äußerst schwierig und unkonzentriert war. Es lag auch daran, dass die Lehrerin langfristig krank war und für die Kinder eine Verunsicherung stattgefunden hatte; sie hatten verschiedene Vertretungslehrer, eine für sie unsichere, unangenehme Zeit.
Normalerweise arbeite ich sehr prozessorientiert, aber hier, kurz vor dem Event, musste die Arbeit auch zielorientiert sein. Wie kriegen wir das Geplante jetzt auf die Bühne? Die Kinder waren von der Konzentration her dazu im Moment nicht in der Lage und meine Erklärungen haben sie nicht mehr erreicht. Ich war kurz vor dem Aufgeben, vor dem Gefühl, wir schaffen das nicht.
Dann hab ich aus einer spontanen Idee heraus einen Gong genommen, kein Wort mehr geredet und einfach angefangen zu spielen. Dabei ist eine unglaubliche Faszination entstanden und ich bin in der rein musikalischen Interaktion wieder mit den Kindern zusammengekommen, hab ihnen wortlos etwas in die Hand gedrückt, bin mit ihnen in den Dialog gegangen von Instrument zu Instrument, bis sich daraus ein komplettes Orchester entwickelt hat mit diesen 30 Kindern, und das hatte dann so eine Magie, es hat getragen bis zum Event! Das war ein ganz besonderer Moment, ich habe gemerkt, die Musik selbst hat so eine starke Kraft, das trägt, das braucht gar nicht so viel von mir.
Was für mich auch ein „pädagogisches“ Highlight ist, ist, wenn ich mit Menschen arbeite und spüre, dass meine Art zu arbeiten deren Kreativität freisetzt. Das macht mir unglaubliche Freude. Ich mache seit 9 Jahren einmal im Jahr eine Trommelreise für Frauen und da passieren solche magischen Momente. Es kommen 20, 22 Frauen zusammen in einem ehemaligen Frauenkloster und musizieren zusammen, singen, tanzen, leben, essen zusammen, trinken Rotwein zusammen und kommen aus völlig unterschiedlichen Hintergründen. Von der Frau, die sich zum ersten Mal fürs Trommeln interessiert, bis zu der Frau, die schon in Bands spielt und ganz viel Erfahrung hat oder selber eine Band leitet, im Sambabereich zum Beispiel. Dann zu merken, wie eine unglaubliche Vielfalt zusammenkommt und sich daraus etwas Gemeinsames entwickelt, das für jede Frau etwas hat. Egal, auf welchem Niveau sie sich bewegt, kann sie den nächsten Schritt tun und für sich Erfahrungen schöpfen, das finde ich faszinierend. Wir beenden die Woche immer mit einem Abschlusskonzert. Diese Abschlusskonzerte sind phänomenal und phänomenal ist, was in einer Woche passieren kann!

Melodiva: Wenn Du sagst, Du förderst die Kreativität, lässt Du es einfach geschehen, habt Ihr
da Improvisationszeiten oder machst Du das hauptsächlich?

Susanne: Ich mache improvisatorische Sachen als ein Element und beschreite verschiedene Wege, z.B. eine angeleitete Improvisation oder eine mit Vorgaben und festen Regeln oder eine ganz freie, das kann sehr unterschiedlich aussehen. Oder ich erarbeite bestimmte Muster, Pattern, Breaks mit einer Gruppe und gebe ihnen dann völlig andere Instrumente wie z.B. mein Tonnenset oder Tempelblocks und Effektpercussion und sage „Okay, mach was daraus, hier sind 150 Jahre alte Tonnen, probier aus, was für Töne sie machen, setz das um, mach was eigenes draus!“. Oder ich unterrichte ganz amtlich, so wie der Rhythmus in Brasilien gespielt wird oder auf Kuba oder im Candomblé. „Wie kann Dich das inspirieren?“, was Neues daraus
zu machen, das finde ich spannend. Als Europäerin kann ich sozusagen aus einem riesigen kreativen Pool schöpfen!
Kürzlich hat mich eine Firma eingeladen, zum Firmenjubiläum mit ihrem Mitarbeiterstab ein Percussionevent zu machen. Ich habe Instrumente für 120 Menschen mitgenommen und mit
den 120 Menschen sofort und aus dem Stand dieses Event gemacht. Wir haben eine Stunde lang zusammen musiziert und es war so, als ob wir das schon zusammen vorbereitet und geübt hätten. Es geht ganz viel nonverbal, ich dirigiere auch mit viel Körpersprache, das transportiert sich ohne Erklärung…

Melodiva: Jetzt würd ich gern mit Dir noch über Deine künstlerischen Projekte sprechen, weil mir aufgefallen ist, dass Du diverse Projekte schon ganz lange machst, z.B. Dein Duo besteht schon seit 17 Jahren! Das finde ich enorm, entwickelt Ihr Euch zusammen weiter oder macht Ihr zeitlose Musik oder versteht Ihr Euch einfach so gut?

Susanne: Zeitlose Musik auf jeden Fall (allgemeines Gelächter). Im Duo haben wir eng zusammengearbeitet, das ist einfach ein Basisschatz. Sobald wir zusammen spielen, ist eine einfache und klare Verständigung wieder da. Bei meiner Sambaband „Apito Fiasko“, die in diesem Jahr seit 15 Jahren besteht, ist natürlich auch viel Bandentwicklung drin. Bei einer so großen Gruppe gibt’s Leute, die schon ganz lange dabei sind, und Leute, die vor kurzer Zeit dazu gekommen sind. Das Repertoire besteht zu 1/3 aus typisch brasilianischen Sachen, traditionellen und modernen, und zu 2/3 aus Sachen, die ich für die Gruppe geschrieben habe, auch inspiriert von ganz unterschiedlichen Kulturen. So spielen wir ein orientalisches Stück mit unserem Saxophonisten, oder kürzlich habe ich ein Stück geschrieben, das „Soundmachine“ heißt, es ist ziemlich brachial… Andere Stücke sind inspiriert von der Süßwassergöttin Oxun aus der Yoruba-Religion…

15 Jahre Apito Fiasko – beim Bremer-Samba-Festival

Apito Fiasko als Feuerwesen beim Ballonglühen

Melodiva: Ist es komplett ohne Text oder hast Du manchmal auch Gesang dabei?

Susanne: Ich hab manchmal Gesang dabei, afrikanische oder brasilianische Gesänge. Die Mehrstimmigkeit setze ich selbst, die sind meistens einstimmig.

Melodiva: Afrikanisch kannst Du nicht auch noch?

Susanne: (lacht) Ich kann ein paar Worte Woloff, die Hauptsprache im Senegal. Ein Stück haben wir mit deutschen Text, das Lied von Matthias Claudius „Der Mond ist aufgegangen“, ich habe es als Percussionstück gemacht, sehr lustig. Ein neues Stück heißt „Caipirinha“, das ist ein Vegetarier-Rap (beide lachen laut).

Melodiva: Meine letzte Frage: Wann schläfst Du eigentlich? Bei all Deinen Projekten! Wann tankst Du auf? Jetzt gerade bei dem NRW-Tag, das hat Dich doch bestimmt viel Kraft gekostet oder ziehst Du soviel raus, wenn es dann gut läuft?

Susanne: Das ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Punkt. In dem Moment, wo die Musik funktioniert, im Sinne von „es groovt, es fließt“, oder auch, wenn ich auf der Bühne bin oder meine Band leite und merke, dass die Energie stimmt, dann erschöpft mich das nicht. Ich bin dann vielleicht müde, klar, es ist anstrengend, es ist ja auch eine körperliche Arbeit, aber es erschöpft mich nicht in dem Sinne.
Wenn mich Dinge erschöpfen: ich bade, ich bade jeden Tag, bin ein echter Wassermensch. Und ich bin auch viel in der Stille. Ich lebe in einer sehr ruhigen Wohnung , wohne allein und höre selten Musik oder Radio. Diese Stille entspannt mich dann sehr.

Melodiva: Liebe Susanne, vielen Dank für dieses interessante Gespräch!

Aktuelle Konzerte & Workshops mit Susanne Strobel:

08.11.2008 Der Trommelwohlfühltag! für Frauen; VHS, Velbert-Langenberg

06.12.2008 Rhythmus- und Trommelspaß; Kulturzentrum Die Färberei, Wuppertal

07.12.2008 Rhythm & Voice – auch für Kids; VHS, Velbert-Langenberg

21.12.2008 Soloperformance zur Feier der Nacht (Wintersonnwende); St. Petri Kirche, Dortmund

03.-08.04.2009 Einwöchiges Percussionseminar „Die Magie des Rhythmus!“ für Frauen in einem ehemaligen Frauenkloster mitten in Deutschland

Copyright: Redaktion MELODIVA

www.strobel-percussion.de
Autorin: Mane Stelzer

15.10.2008