Evelyn Glennie/GB
"Die Außerirdische"
Reise durch die faszinierenden Klangwelten des Schlagzeugs
Die britische Percussionistin Evelyn Glennie verzauberte am Freitagabend mit ihren außergewöhnlichen Schlagzeugkünsten.
Hunderte von Zuschauern im ausverkauften Konzertsaal des Hessischen Rundfunks waren begeistert.
Zusammen mit dem Radio-Sinfonie-Orchster Fankfurt und Hugh Wolf entführte Evelyn Glennie das Publikum in Klangwelten von Außerirdischen und anderen Sphären und Welten des Schlagzeugs. Dabei bestach sie nicht nur durch ihre große musikalische Virtuosität, sondern auch durch ihre beeindruckenden Performance-Künste.
In dem 30-minütigen Stück Ufo, das der amerkanische Komponist Michael Daugherty extra für sie komponiert hat, verwandelte sich Evelyn Glennie in eine Außerirdische. Mit einem „Raumschiff Enterprise Kostüm“ bewegte sie sich barfüßig durch den Konzertsaal und auf die Bühne zu und spielte dabei mysteriöse Schlaginstrumente auf höchst außergewöhnliche Weise. Als Meisterin klassischer Schlaginstrumente zeigte sich Evelyn Glennie in dem „Konzertstück für kleine Trommel und Orchester“ von Askell Masson und dem Klassiker Bolero.
In ihren Händen scheinen die Schlagzeugstöcke ihr zur zweiten Natur geworden zu sein, so kunstvoll tanzten sie auf den unterschiedlichsten Percussionsinstrumenten
Mit einer unglaublichen Spannung verfolgte das Publikum ihrem konzentrierten und ekstatischen Spiel, bis es vollends in den Bann ihrer Schlagzeugkünste gesogen wurde und die eigene Faszination sich in tobenden Applaus entlud.
Eine begnadete Percussionistin, die mit ihrem hervorragenden Können überzeugt. Dabei erscheint nebensächlich, dass sie gehörlos ist.
Die First Lady des Schlagzeuges
Evelyn Glennie stammt aus dem schottischen Aberdeen. Im Alter von 12 begann sie Pauke und Schlagzeug zu spielen. 1982 ging sie an die Royal Academy of Music in London, wo sie bald mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Um andere Musikkulturen zu erforschen, arbeitete sie mit europäischen, indonesischen und indischen MusikerInnen zusammen sowie mit Samba-Gruppen in Brasilien.
Eines von zahlreichen Stipendien ermöglichte ihr zudem ein Studium in Japan. Heute spielt sie mehr als 100 Schlaginstrumente und tritt weltweit als begnadete Solo-Schlagzeugerin auf.
Außerdem spielt sie mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten der Welt zusammen und brilliert jährlich in zahlreichen Konzerten in mehr als zwanzig verschiedenen Ländern auf allen fünf Kontinenten. Bisher sind mehr als 10 veschiedene CDs auf dem Markt erschienen.
Töne über den Körper hören
Aufgrund ihrer Gehörlosigkeit verbrachte Evelyn Glennie viel Zeit damit, ihre Fähigkeiten im Spüren von Vibrationen zu intensivieren und zu verfeinern. Im Laufe der Zeit brachte sie es fertig, verschiedene Tonhöhen über ihrem Körper zu erfahren und entwickelte dabei eine ganz eigene Technik. Die tieferen Laute fühlt sie hauptsächlich in ihren Füßen und Beinen und die höheren an einzelnen Stellen des Gesichts, des Nackens und der Brust. Mit dieser Form der Wahrnehmung erlangt sie ein hervorragendes akustisches Bewußtsein.
Evelyn Glennie selbst möchte aber nicht, dass sich die ZuhörerInnen nach dem Konzert einzig und allein darüber wundern, wie und warum eine taube Musikerin Schlagzeug spielen kann. Denn dann hätte sie ihr Ziel als Musikerin verfehlt. Ihr Ziel ist die Kommunikation: „Eigentlich bin ich eine Tonschöpferin; jemand der nicht bloß Percussionsistrumente spielt, sondern in erster Linie eine Musikerin und Kommunikationsexpertin, die Grenzen durchbricht.“
Musik ist für sie eine universelle Sprache mit vielen Dialekten, die alle Sprachbarrieren überwinden kann.
Für mich war dieser Konzertabend und die erste Begegnung mit dieser Ausnahmemusikerin ein unvergessliches Erlebnis. Wer sie noch nicht live hören konnte, sollte dies schnellstens nachholen.
Text: Ute Kornek
Copyright: Redaktion Melodiva
31.05.2002