UWO 10 Jahre
"...das grenzt an Zauberei..."
Das United Women’s Orchestra
Eine Band 10 Jahre am Leben zu erhalten, ist angesichts der schlechten Gigsituation ein Kunststück, doch eine rein weiblich besetzte Bigband mit 18 „Frau“ samt zwei Leiterinnen über 10 Jahre zu halten, das grenzt schon fast an Zauberei – und zeugt von einer starken Vision.
Das United Women’s Orchetrsa unter Leitung von Christina Fuchs (Köln) und Hazel Leach (Arnheim) besteht seit zehn Jahren – und die dritte CD ist paßgenau zum Jubiläum im November fertig geworden.
Melodiva sprach mit Christina Fuchs, in Köln lebender Saxophonistin und Komponistin, die Initiatorin des Orchesters war.
Das UWO stellt am Do., 14. Nov. in der Frankfurter Hochschule für Musik ihre neueste Jubiläums-CD mit einem „special Concert“ vor – unterstützt durch das Frauen Musik Büro und den Melodiva Net club.
Melodiva:
Du hattest Musikerinnen für ein größeres Projekt gesucht, und bist so vor 10 Jahren auf Hazel Leach(s. Foto unten) gestossen.
Christina Fuchs:
Das fing eigentlich über Anne Breick und das FrauenMusikBüro an. Ich hatte in Freiburg in einem rein weiblichen Bandprojekt, das auch fast Bigbandformat hatte, mitgewirkt und wollte so etwas in Köln aufziehen. Mit der Arbeitsweise habe ich gute Erfahrungen gemacht. Nach einer Zeit wollte ich mit einer ehemaligen Kollegin etwas ähnliches wieder aufziehen. Es sollte mal über die überregionale Ebene laufen, deshalb haben wir in den einschlägigen Magazinen inseriert. Anne Breick hat das Projekt unterstützt und uns Räume für unsere ersten Proben zur Verfügung gestellt. Es kamen 25 Frauen, unter anderem auch Hazel. Wir beide hatten was mitgebracht, und das ist seither so geblieben. Am Anfang war alles sehr zusammen gewürfelt von Laien bis Profis, aber trotzdem spassig. Ein Haufen Saxophone, ein bißchen Blech, kaum Schlagzeug. Es repräsentierte die Verteilung der Instrumente im weiblichen Sektor ganz gut. Die Probleme sind allerdings die gleichen geblieben, ich habe immer noch Schwierigkeiten, Blechbläserinnen zu finden. Das nächste Treffen war organisierter, man wußte, für was für eine Besetzung man schreiben konnte und es wurde deutlich, dass man für solche Niveau-Unterschiede nicht schreiben konnte. In den ersten beiden Jahren haben wir nicht gespielt, sondern Repertoire aufgebaut, und Hazel und ich brachten zu jeder Probenphase jeweils ein neues Stück mit. Letztlich bildete sich eine normale Bigbandbesetzung heraus mit einer extra Klarinette. Der Traum von Extra-Instrumenten haben wir uns abgeschminkt, auch wenn ich immer noch gerne ein Cello oder ein Fagott dabei hätte. Die Band hat viele Entwicklungsstufen durchgemacht. Heute spielen nur Profis. Die Laien sind nach und nach verschwunden, auch weil man bei einer rein weiblichen Besetzung doppelt gut sein muß und keine Schwachstellen zeigen darf. Dann wird man nur belächelt. Man muß dann 150 %ig sein, leider. Die Reaktionen sind halt leider so, und man darf sich da keine Blöße geben. Oft hörte man in den ersten Jahre „die können ja spielen“, was ich nicht so toll finde. Heute ist die Band gut und die meisten der Musikerinnen können mit ihren männlichen Kollegen mithalten.
Melodiva:
Warum wolltest du eine rein weibliche Besetzung haben? Kann man mit Frauen besser arbeiten?
Christina Fuchs:
Ich spiele die andere Zeit mit Männern, auch als einzige Frau in Bigbands, aber ich hatte in dem früheren Projekt gute Erfahrung gemacht. Das Klima ist konstruktiver, man wird besser unterstützt. Man kann angstfrei probieren, und das Konkurrenzverhalten wie unter Männern fällt weg. Und mit dem Kämpfen und sich beweisen haben Frauen halt einfach noch Probleme. Der Gemeinschaftssinn ist noch kollektiver. Die Sicht aufs Ganze dominiert, was bei einem solchen Projekt sehr hilfreich ist. Bei einem solchen Projekt ist das wichtig, weil wir nicht viel Geld haben oder nur gute Gigs haben.
Momentan gibt es auch keine rein weiblichen Besetzungen auf dem Markt. Die Resonanz war groß, und da fühlte ich mich in der Idee bestätigt. Ab da war es ein Selbstläufer. Wir haben so viele Anfragen von Musikerinnen, viele sagen, da würde ich gerne mal mitspielen. Die Entwicklung lief in Schüben, alle zwei / drei Jahren tauschte sich die Besetzung teilweise aus. Das Trennen ist allerdings etwas, das bei Frauen dramatischer ausfällt.
Melodiva:
Was reizt dich persönlich an einer so großen Besetzung?
Christina Fuchs:
Momentan schreibe ich auch für ein neues Quartett und habe mich gefragt, was ich mit den vier läppischen stimmen machen soll. Mit einer Bigband hast du einen riesigen Farbkasten mit Flöten, Klarinetten, Dämpfern. Klänge zaubern reizt mich einfach.
Melodiva:
Ihr habt quasi passend zum Jubiläum eure dritte CD eingespielt, „The Virgo Supercluster“. Das Titelstück ist eine Suite von dir, vielleicht kannst du da etwas dazu sagen?
Christina Fuchs: Ich war vor zwei Jahren über das BMI Composers‘ Program in New York, um richtig Komposition zu studieren. Als alter Universums-Fan habe ich natürlich auch das neue Planetarium angeguckt. Die Amis haben das ja schon raus mit der Museumspädagogik, die Show war gigantisch. Virgo Supercluster ist mir hängen geblieben, das ist eine Anhäufung von Galaxien, zu der unsere Milchstraße auch gehört. Ich verarbeite ein paar der Bilder in den Teilen der Suite. Außerdem gibt es einen Text, der für sich spricht.
Jedes Stück hat eine eigene Geschichte, so habe ich in „Lost One“ über eine Fehlgeburt geschrieben. De Atem mußte da sein, in allen Lagen, wenn es essentiell wird, geht es bei mir auf den Atem zurück. „Shadow And Light“ ist auch aus New York, das Stück hat am meisten mit NYC zu tun. Ich wollte die komplementären Gegensätze zu verarbeiten. Hart, weich, schnell, langsam, hell, dunkel. In dieser Stadt liegt das alles nebeneinander, und das habe ich versucht, auch in diesem Stück zu verarbeiten.
Melodiva:
Aus New York hast du dir auch Ingrid Jensen, die Trompeterin, mitgebracht.
Christina Fuchs: Ich bin ein großer Fan von Maria Schneider, habe bei ihr auch Unterricht gehabt, und Ingrid spielt in ihrer Band. Sie schafft es sehr gut, Stimmungen aufzunehmen. Die hat eine Konzentration, das ist unglaublich. Sie kam direkt vom Flughafen, gejetlagged, aber war konzentrierter als wir anderen zusammen.
Eigentlich wollten wir noch die Gitarristin Leni Stern einladen. Da wir ja selber keine Gitarristin haben, wäre es da eine klangliche Erweiterung gewesen. Aber Leni kam nicht richtig klar mit der Musik, und noch andere Musikerinnen zuorganisieren, wäre auch ein Kostenfaktor gewesen.
Melodiva:
Am 14.November habt ihr dann Record Release. Vorher geht ihr noch mal in Proben-Klausur?
Christina Fuchs:
Ja, dringend nötig!!! Das letzte Mal haben wir uns im April getroffen. Regelmäßig Proben geht einfach nicht., weil das ein Kostenfaktor von 1500 ¤ ist. Es muß einen guten Anlaß geben. Das ist leider auch die Crux der Band, dass wir nicht regelmäßig proben könne. Aber in Köln alleine zum Beispiel würde ich keine Band zusammen kriegen. So weit sind wir noch nicht. Trompeterinnen zu finden, ist einfach schwer. Vielleicht ist Trompete auch das männlichste Instrument, weil es so ein Psycho-Instrument ist. Du mußt stehen wie eine eins und keinen Zweifel haben. Es wundert mich nicht, dass es kein Frauen-Instrument ist.
Melodiva:
Die Band klingt über die drei CDs weg immer besser zusammen und ihr beiden Leiterinnen und Komponistinnen schreibt sehr speziell für eure „Mann“schaft.
Christina Fuchs:
Auf alle Fälle, das merke ich vor allem, wenn ich mal Stücke von mir mit einer anderen Besetzung spiele. Manchmal ist es technisch besser, vor allem im Blech, aber es ist selten musikalischer besser als das UWO. Aber so universell, dass nur Frauen die Sachen spielen, ist meine Musik nicht.
Melodiva:
Wie sieht es denn mit eurem Publikum aus? Wie groß ist der Frauenanteil?
Christina Fuchs:
Ich würde sagen, so 50 / 50. Deutlich mehr Frauen, als sonst in Jazzkonzerten sind. In Frauenzusammenhängen organisierte Konzerte haben natürlich fast nur Frauen im Publikum. Ich möchte auch nicht zu sehr in diese Ecke rutschen und fast nur auf Frauenfesten spielen. Das ist für mich der falsche Weg. Meine Vision ist, dass man Musiker und Musikerinnen einfach gleichberechtigt betrachten kann. Wenn es gar nicht anders geht, nehme ich auch Männer in die Band. Wir haben auch schon mit zwei Männern gespielt. Das war klasse, weil die sich – solange sie in der Minderheit sind – sich natürlich auch anders verhalten. Meine Vision für in 10 Jahren läuft auf 50 / 50 Frauen und Männer in der Band hinaus.
Weitere Informationen:
www.unitedwomensorchestra.com
Ein Bericht von Angela Ballhorn/Berlin
erschienen: Oktober 2002
29.10.2002