Barbara Buchholz goes Moskau

"Emotionale Technologie"

Zurück zur Menschlichkeit
Barbara Buchholz und Olga Kumeger holen mit „Human Interactivity“ die Menschlichkeit zurück in die elektronische Musik.
Den Unsicherheitsfaktor Mensch ausgleichen, seine Mangelhaftigkeit überwinden, das war das Hauptanliegen des technischen Fortschritts im 20. Jahrhundert. Diese Suche nach der perfekten Maschine machte dabei auch vor der Kunst nicht halt.
Von den Anfängen der elektronischen Musik in den 20ern bis hin zu Computertechnologie und zunehmender Digitalisierung in den 80ern und 90ern war deshalb einer nach Möglichkeit unsichtbar:

Der Mensch hinter der Maschine.

Deutsch-Russisches Ko-Projekt

Heute nimmt Barbara Buchholz, Bassistin und wohl einzige professionelle Thereminspielerin Europas, einen neuen Trend wahr: „Es besteht offensichtlich ein Bedürfnis nach einer menschlichen Seite im Umgang mit Elektronik. Man möchte auf Bühnen wieder Live-Musiker erleben.“

Diese Suche nach einer „emotionalen Technologie“ ist die Grundidee von „Human Interactivity“, einem Konzept, das die russische Computer-Painterin Olga Kumeger und Barbara Buchholz im Frühjahr diesen Jahres gemeinsam auf die Beine stellten. Die erste Begegnung auf dieser Achse Berlin-Moskau fand statt auf dem „International Festival of Contemporary Art“ in Briansk, im Rahmen eines gemeinsamen Projektes zusammen mit einem DJ und einer Modedesignerin.

Das charmante Theremin

Das Instrument, mit dem Barbara Buchholz dabei auf der Bühne steht, ist das Thereminvox
für „Human Interactivity“ das ideale Instrument, da es, wie die Künstlerin selbst formuliert, „einen mit menschlichem Charme gekoppelten Umgang mit Elektronik bereits repräsentiert“. Denn obwohl es sich bei dem Theremin um ein elektronisches Instrument handelt, wird es intoniert wie die menschliche Stimme.

Die Magie der hörbaren Bewegung

Tatsächlich hat es etwas beinahe Magisches, Barbara Buchholz dabei zuzusehen, wie sie rein durch fließende Bewegungen ihrer Hände die Musik dirigiert und die Klänge formt. Diese unglaubliche Ästhetik und Expressivität wird in „Human Interactivity“ bewusst in Szene gesetzt. Denn die Musikerin ist dabei nicht nur Autorin, sondern gleichzeitig Gegenstand und Folie: Sie wird zur Projektionsfläche für Olga Kumeger, die in Echtzeit zur Musik produzierte Computergrafiken, Video-Art und Licht-Effekte auf ihren Körper zaubert. Musikerin und Malerin kommunizieren so interaktiv durch ihre Kunst, in einer atemberaubend schönen Kombination aus vorproduzierten Elementen und freier Improvisation.

Garagentor in A-Moll

Neben dem Thereminvox verwendet Barbara Buchholz auch ein auf ihre Anregung gebautes Midi-Theremin, mit dem man Samples durch Handbewegungen in der Luft spielen kann. Das Klangmaterial, das Barbara Buchholz für ihre Samples verwendet, entnimmt sie dem Alltag. „Das kann dann schon mal ein zufallendes Garagentor in A-Moll sein“, beschreibt sie schmunzelnd eine mögliche Klang-Anekdote.
Auch in diesem Punkt erfüllt sich das Kernziel von „Human Interactivity“: Kommunikation zwischen menschlicher Realität und Virtualität, technischer Perfektion und Ästhetik, klanglichen und visuellen Impulsen, Improvisation und Programmierung.
So wird „Human Interactivity“ zum Sinnbild eines neuen, emotionalen Umgangs mit Technik und eine Anregung, „die eigenen Antennen auszustrecken und sich einzulassen auf die kuriosen möglichen Unmöglichkeiten des Lebens.“

Barbara Buchholz (Berlin)

Barbara Buchholz studiert bis 1985 Musik an der Universität Bielefeld und tourt anschließend als Bassistin mit dem Jazzorchester „Reichlich Weiblich“ durch die Lande. Es folgen zahlreiche weltweite Soloprojekte, für die sie mehrfach Auszeichungen und Förderpreise erhält, Produktionen mit und für den WDR und 1997 eine Einladung des Goethe-Instituts Tansania. Zunehmend gestaltet Barbara Buchholz Film- und Theaterprojekte – Erfahrungen mit dramatischem Ausdruck und Visualisierung, die ihr später für das expressive Element im Thereminspiel zu Gute kommen.

Im Jahr 2000 nimmt sie erstmals Theremin-Unterricht bei Lydia Kavina in Moskau (s. Foto), es folgt ein längerer Studienaufenthalt als Kavinas Meisterschülerin am Theremin-Center.

2003 erhält sie eine Einladung des Russischen Kulturministeriums für einen 4-monatigen Arbeitsaufenthalt am Theremincenter Moskau, gefördert durch ein Stipendium des Ministeriums für Kultur NRW. Barbara Buchholz ist die einzige diplomierte Theremin-Spielerin Europas.

Lydia Kavina (Moskau)

Lydia Kavina is the leading thereminist active in the world today. The granddaughter of Leon Theremin’s first cousin, she was the inventor’s last protégée. She began studying the instrument with him at the age of nine, and was concertizing by age fourteen. Since then, Kavina has given over 500 performances on the instrument, including radio and television broadcasts and theater productions in Russia, Europe, the U.S. and Brazil. She has served as Master Teacher in Russia, Germany, England and the U.S., including the Theremin Summer Institute in Portland, Maine. Kavina studied composition at the Tchaikovsky State Conservatory in Moscow, where she graduated summa cum laude in 1992 and finished post-graduate studies in 1997. Her own works have significantly extended the repertory for the intstrument. Her theremin concerto, The Seasons of the Year (1997), was premiered by the Boston Modern Orchestra Project conducted by Gil Rose. With Robert Moog she has produced a video entitled Mastering the Theremin.

Ms. Kavina was the featured theremin soloist with the London Philharmonic Orchestra in the soundtrack score by Howard Shore to the Oscar winning movie „Ed Wood“. Shore later composed theremin parts for her in the soundtrack to David Cronenberg’s „Existenz“, as well as creating a special „Suite“ with chamber orchestra from the Ed Wood score for Ms. Kavina’s debut recital at The Lincoln Center Summer Festival (2000), New York City.
The Lincoln Center debut also featured premiere works written for Ms. Kavina by Christian Wolff and Olga Neuwirth, as well as Miklos Rosza’s Spellbound Concerto, all of which have been recorded for Mode (to be released in 2002).

www.lydiakavina.com

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www.barbarabuchholz.com
Autorin: Martina Taubenberger

31.07.2003