Die kunterbunten Musikwelten der Erika Stucky (CH)

...zwischen Bubbles und Alphörnern

Mrs. Bubble and Bones

Es begann in einem Hotelzimmer in Leningrad. Bei einem dieser nie enden wollenden Tage auf einer Tournee, während die Musikerinnen und Musiker auf irgend etwas warten, weil alle warten. Irgendwann wurde nicht mehr Tee, sondern Wodka getrunken und dann kam dem amerikanischen Posaunisten Art Baron und der schweiz-amerika-nischen Sängerin und Performerin Erika Stucky eben diese ‚Schnapsidee’, eine Band zu gründen.

Art Baron: „Let’s do a band, you know like two trombones and a voice, that would be really cool…“

Aber scheinbar, so erzählt mir Erika Stucky in einem Interview, sollte diese Band-Idee nicht nur unter kurzfristigem Alkoholeinfluss Bestand haben: “ Dann gab es diesen Art Baron, der einfach nicht aufgehört hat, noch zwei Wochen nach der Tour mich anzurufen und zu fragen: „Hej, what’s up with our band, you know when we’re gonna do our band?“ Zwei Wochen später: „Well, Stucky?“ Er hat mich einfach gelöchert, bis ich angefangen hab, Arrangements zu schreiben für zwei Posaunen und Stimme.“

Stuckys schweiz-amerikanische Doppelkultur

1997 gründet Erika Stucky schließlich offiziell ihre neue Band aus „two horns and a voice“: „Mrs. Bubble and Bones“ ist geboren. Mit besagtem hartnäckigen Initiator, dem Posaunisten Art Baron – der noch im Duke Ellington Orchestra gespielt hat – mit Tausendsassa Ray Anderson als weiterem Posaunisten und Sousaphonspieler, und mit Jose Davila an der Tuba.

Kennen gelernt hat die Schweiz-Amerikanerin Stucky ihre Bläsersection über den Schweizer Pianisten, Komponisten und Bandleader George Gruntz, der sie 1994 als Vokalsolistin für seine Concert Jazz Band verpflichtete und auf zahlreiche Tourneen mitnahm.

Im Herbst 2001 hat Erika Stucky endlich ihr Debutalbum von „Mrs. Bubble and Bones“ beim Berliner Label Traumton veröffentlicht. Eine CD, die das illustriert, was bisher nur auf der Bühne erlebbar war: Erika Stuckys musikalischen Umgang mit ihrer schweiz-amerikanischen Doppelkultur.

„Für mich ist ein Jodel genauso herzzerreißend, wie ein Südstaatenblues“

Die Anfänge: 1962 wird Erika als Kind eines Schweizer Ehepaares in San Francisco geboren, aufgewachsen in der Nähe des Golden Gate Parks. Szenenwechsel – die Siebziger Jahre. Die Stucky-Familie zieht zurück in die Schweiz in einen kleinen Ort im Oberwallis. Statt Hare Krishna nun Jodelchöre, Trachtenvereine, das Matterhorn und Cervelatbraten. Dies waren die prägenden Jahre für Erika Stuckys gespaltenes Musikerinnen-Leben zwischen Schwyzerdütsch und Englisch, zwischen Jodler und Südstaatenblues, zwischen Fun-Faktor und Ernsthaftigkeit:

„Und jetzt als erwachsene Frau, hab ich wieder diese Schizophrenität in mir, zieh mit meinem Kind und Mann rüber nach Brooklyn und dann wohnen wir ein halbes Jahr in Brooklyn, und dann wieder ‚wumm’: why don’t we go back to switzerland? Es ist also ein Fluch mit diesem Hin und Her; mir bleibt gar nichts anderes übrig, als das zu thematisieren, als das in meine Musik einfließen zu lassen… ich bin ganz froh, hab ich jetzt gelernt, diese Schizophrenität über die Musik auszuleben und diesen Knacks auszumerzen.“

Facts und Acts:

Mittlerweile ist sie heute an der Pariser C.I.M.-Jazzschule und studiert Gesang. Außerdem: – Schauspielausbildung bei Serge Martin, – A-Capella-Frauen-Ensemble plus Bassist „The Sophisticrats“, – Band „Bubble Town“, -Zusammenarbeit mit dem Schweizer Alphorn-Trio „Roots of Communication“ etc. Großen Erfolg hatte die Künstlerin auch im Jahre 2000, als sie gemeinsam mit ihrer Duo-Partnerin, der Mundart-Sängerin Sina („Sina & Stucky“) die musikalische Leitung für Sibylle Bergs Stück „Helges Leben“ am Bochumer Schauspielhaus übernahm und auch als „Frau Gott“ mitspielte. Aber die Hauptformation der Erika Stucky ist Mrs. Bubble & Bones, mit der diesen Herbst ihr zweites Album „Lovebites“ ebenfalls bei Traumton erschienen ist.

„Wer sich was zutraut, der geht nach Bubble Town“

Bubbles ziehen sich wie ein „rosa Faden“ durch die musikalischen Welten der Erika Stucky. Doch woher stammt eigentlich der Name „Mrs Bubble’? Und was, um auf eine alte Band von ihr anzuspielen, ist Bubble Town?

„Bubble Town – da leben Bubbleiner. Bubbleiner sind ein bisschen wie Hobbits. Die sitzen draußen vor ihren Häusern und rauchen ihre Pfeifen und trinken ihre Säfte und die Kinder schreien rum und spielen auf ihren Tin Whistles rum. Und die Bubbleiner sind gemütliche Menschen, die viel Musik machen, ihre eigene Körpersprache haben, ihre eigene Sprache, eben bubbleinisch. Man wird Bubbleiner, man kommt nicht als Bubbleiner auf die Welt. Es ist eine philosophy mehr denn eine Passfrage. Bubble Town ist irgendwo oben in Schweden, weil ich mich da am wenigsten auskenne, Bubble Town is the place you wanna be, everybody dreams of, der melting pot von allen Kindheiten und allen Traumatas und allen Träumen – wer sich was zutraut, der geht nach Bubble Town.“

Ein Unikum und Universlagenie

Erika Stucky singt nicht nur, sie performt, manchmal zeigt sie knallig-bunte Super 8-Filme und sie erzählt kleine Geschichten: Sie berichtet von ihrem Hundehass, von ihrer Begegnung mit besserwisserischen Urschweizern oder sie kreiert düster-filmische Szenen in einem mörderischen Wiegenlied. Die Dialoge arrangiert „Mrs. Bubble“ im Zusammenspiel mit den „Bones“: Eine Unterhaltung zwischen Stimme und Blechbläsern, wobei die instrumentalen Kommentare oft sehr menschlich klingen und in ihrer Aussage ähnlich deutlich sind wie gesprochene Worte. Und ein besonderer „Ohrenschmaus“ sind immer wieder ihre eigenwilligen Versionen von Pop- und Rocksongs:

„Bei Cover-Songs ist es so ´ne Sache, entweder törnt mich einer an oder ab und dann mache ich beide. Also es sind nicht nur die Sachen, die mich antörnen, die ich singe. Britney Spears „Hit me baby one more time“ – live eines meiner gern gesungenen Stücke, das ist so ein blöder, simpler Song, das ist der Reiz daran. Und das dann zu tief zu singen, von einer 40jährigen beleibten Frau und nicht von einer 18jährigen Magersüchtigen, das kommt ganz anders daher. Er hat mich einfach abgetörnt, so sehr dass ich ihn singen wollte.
Anders wieder bei einem „Love hurts“, das ist eine Jugendliebe zu diesem Song, Nazareth, der da schmachtend Love hurts gesungen hat, das musste ich irgendwann mal covern, das wusste ich. Es hat wirklich ganz verschiedene Ansätze, warum ich einen Song covern will, aus Liebe oder aus Hass… aber aus Langeweile nie.“

The swollen eye-tour

Obwohl Erika Stucky eine deutliche Affinität zu melancholischen Liedern hat – man denke nur an ihren Cover-Klassiker „Roxanne“ von Police – und sie ihrer letzten Tournee das metaphorische Etikett „the swollen eye tour“ gegeben hat, schafft sie es nicht dauerhaft, in einer wehmütigen Stimmung zu bleiben:

„Ich nehme es mir doch immer so vor, auch auf der Bühne denke ich: jetzt mal fünf sad songs hintereinander, aber ich schaff’s nicht.. Irgendwie kommt mir zwischen den Songs was in den Sinn und sei es, dass mich die Doris Day aufgeregt hat und dann ist es auf den Lippen und dann hab ich’s gesagt und dann tut’s mir leid, dass das Publikum schon grinsen muss, aber es ist dann halt raus. Ich glaube, ich kann nicht über meinen Schatten springen, ich denke, ein Nick Cave ist auch kein Komiker, der schafft es einfach nicht lustig zu sein, und vielleicht schaffe ich es einfach nicht, grundtief gruselig zu sein. Vielleicht habe ich immer diese beiden Seiten, das lachende und das weinende Auge. Jetzt bin ich 40, vielleicht schaffe ich’s mit 60, einfach ein pures Balladenprogramm.“

Wahrscheinlich wird sich die Sängerin auch mit 80 Jahren nicht verkneifen können, kleine bösartige Spitzen in ihre Songtexte und Moderationen einzubauen. Zumal die Zuhörerinnen und Zuhörer gerade durch diese fiesen Sticheleien die unschuldige Schönheit einer reinen Ballade noch intensiver genießen können.

„Ihre Stimme – ihr Chevrolet“

Erika Stucky liebt es, mit Musikerinnen und Musikern zusammen zu arbeiten, deren musikalische Persönlichkeit wiedererkennbar und unverwechselbar ist. Sie selbst gehört zu den Musikerinnen, die eine „eigene“ Stimme haben, eine die sich aus dem Pool immer gleich klingender, blässlich säuselnder Stimmchen hervor hebt. Auch wenn sie nicht die allerhöchsten Höhen erklimmt und sich im wilden Scatgesang überschlägt: es ist einfach IHRE Stimme und sie hat etwas zu sagen:

„Ich bin sicher, so viele Sängerinnen können soviel mehr, können vielleicht höher, lauter, reiner singen, aber ich hab mich so angefreundet mit meiner Stimme – es ist ähnlich wie mit dem Körper, ich möchte auch nichts absaugen oder dazuflicken. Ich glaube, man gewöhnt sich so an sich selber, dass man sich nicht austauschen möchte mit sonst wem. Und ich kann alles machen mit meinem Körper – gut, Flickflack und Salto kann ich nicht, aber das brauche ich nicht. Ich kann so fliegen mit meiner Stimme, ich möchte keine andere.
Von dem her ist meine Stimme schon mein Instrument, my chevrolet, da kann ich mich reinhocken und losfahren.“

Discographie:

CD-„LOVEBITES“ (Release October 2003, www.traumton.de)

CD – „BUBBLES & BONES“ (Release Oktober 2001, Traumton Records)

Quelle: Dieser Text erschien in der November.-Ausgabe des LESPRESS-Magazins
www.lespress.de
Wir bedanken uns bei der Redaktion und der Autorin Anja Buchmann für die kollegiale Unterstützung.

www.erikastucky.ch

30.11.2003