Micatone (D)
Die Berliner Band um Lisa Bassenge
Flirrende Klänge, coole Beats und eine unverwechselbare Stimme der Frontfrau Lisa Bassenge:
Die Berliner Band MICATONE. Der Titel der neuen CD „Nomad Songs“ ist Programm. Die meisten Stücke von Micatone sind unterwegs – sowohl musikalisch wie auch geographisch entstanden. Anspruch der Band um die Sängerin Lisa Bassenge war es, Lieder zu haben, die man auch am Lagerfeuer spielen könnte. Zwar hatten Micatone bisher noch keine Gelegenheit, auszuprobieren, ob die Songs wirklich lagerfeuerkompatibel sind, aber der Sommer hat ja gerade erst angefangen…..
Beim Interview im Büro des Sonar Kollektivs (Plattenlabel) in Berlin sitzt fast die komplette Band mit am Tisch, Lisa Bassenge (Vocals), Boris Meinhold (Gitarre), Sebastian „Hagen“ Demme (Keyboards) und Paul Kleber (Kontrabass). Lediglich Drummer Tim Kroker fehlt beim Frage- und Antwortspiel zum Club und Home-Listening Sound der Band. Wo könnte Micatone im Plattenladen zu finden sein? Ratlosigkeit. „Ich glaube bei Pop.“ (Lisa) „Bei Club und Dance, in einem eigenen Fach im Popbereich, so wars bei der letzten CD.“ (Sebastian). Und noch mal Lisa: „Die neue Platte könnte unter Pop stehen, vielleicht aber auch bei Jazz?“
Schnittmenge:
NYLON versus MICATONE
Von den anderen Bands mit Lisa Bassenge unterscheidet sich Micatone vor allem durch „den Spaß“ (Boris). „Das Trio ist eine reine Jazzband, für die wir auch viel gecovered haben. Da gab es eigentlich keine elektronischen Sachen. Alles ist langsamer, alles ist live eingespielt. Micatone sind nur eigene Sachen, ich kann mich da stärker persönlich einbringen. „Nylon“ ist eher ein Spaßprojekt, das dazugekommen ist.
Eigentlich sind es fast die gleichen Personen wie bei Micatone, ich singe allerdings auf deutsch und habe einen anderen Namen. Dass dieses Spaßprojekt so erfolgreich anlief, hat mich gewundert. Micatone war aber immer ganz besonders für mich, mein Seelen-Input ist da am größten.“
DIE organischste Platte & das gemeinsamste Projekt
Die neue Platte Nomad Songs entstand im Übungsraum. Alles, was es an Konzepten gab, ergab sich von alleine. Es sollte mehr eine Singer/Songwriter –Platte werden, aber nicht zwingend, Electro Stücke waren immer willkommen. Verbindendes Glied ist die ausdrucksstarke Stimme von Lisa Bassenge, doch auch in mehr instrumentaleren Abschnitten bleibt die Band-Klangästhetik bestehen, da Lisas Stimme immer noch in Stimm- und Sprachfetzen durch die Samples schwirrt. Die Sängerin erzählt: „Micatone ist kein Projekt, sondern eine Band. Das unterscheidet uns von den Bands, wo einer am Rechner sitzt. Wir haben als Live-Band angefangen und sind sehr zusammengeschweißt. Vom Bandfeeling hier sind wir eher eine Rockband.“ Paul Kleber ergänzt: „Früher haben zwei bis drei Leute die Produktion übernommen. Diesmal haben sich alle eingebracht, auch die, die keine Computercracks sind. Wir haben zusammen überlegt, Geräusche gemacht, waren immer alle beteiligt.“ Somit ist das Ergebnis „die organischste Platte“ (Sebastian) und „das gemeinsamste Projekt“ (Lisa)
Die Soundtüftelei hat der Band eine Menge Spaß bereitet.
Es gibt zum Beispiel einen Bassdrumsound auf der Platte, der mit einem Staublappen erzeugt wurde. Zudem wurde die CD mehr oder weniger live im Studio eingespielt, das Schlagzeug wurde weniger programmiert, sondern von Hand eingespielt, auch ist der Anteil der Samples kleiner, und selbst diese handgemacht.
Fragt man die Band nach akustischen Vorlagen, nennen sie Feist, die von Gonzales produzierte Sängerin. Vielleicht auch noch ein bißchen Matthew Herbert, alles ein bißchen minimalistisch, begrenzt und übersichtlich gehalten. Sidsel Endresens Klangwelt findet sich auch ein bißchen widergespiegelt, und Lisa Bassenges Traum, Songs zu haben, die man auch am Lagerfeuer spielen kann und keine krass produzierten Tracks, geht in Erfüllung. „Es gibt Songs, da kann man sich ans Klavier spielen, und es funktioniert. Das ging mit dem früheren Material nicht. Diesmal ging es auch mehr ums Rauswerfen als ums Dazunehmen. Es blieben nur die stärksten Sachen übrig. Teilweise wurden ganze Drumtracks rausgeschmissen und nur noch geschnalzt.“ Hatte man früher noch überlegt, wo man noch einen Shaker einbauen könnte, flogen diesmal Tracks aus den Aufnahmen heraus. Auch Perfektion wurde nicht mehr in Großbuchstaben geschrieben, was der Aufnahme einen organischen Klang verleiht. Lisa Bassenge: „Wir haben uns dem Nu Acoustic Movement angeschlossen.“
Aber wie arbeitet die Band denn nun genau an ihren Stücken? Was ist zuerst da, Text oder Musik?
Normalerweise trifft sich Micatone im Überaum. Die dort aufgenommenen Tracks bearbeitet jeder noch mal zu Hause. Lisa Bassenge hatte die sogenannten Lay-Outs mit in ihren Frankreichurlaub genommen und Melodien und Texte entworfen. Ein paar Sachen mußten später im Studio noch „rund“ gemacht werden. „Jedes Stück ist durch alle Hände gegangen, jeder hat was dazu gemacht, es wurde gelöscht, editiert etc.“ sagt die Sängerin. Die Diskussionen, wann ein Stück fertig ist, können endlos werden, da gerät die Band schon mal aneinander. Boris Meinhold erzählt: „Der Kern war sich ab einen bestimmten Punkt immer einig. Als der Weg klar war, drehten sich die Diskussionen nur noch um kleine Sachen. Es konnten alle zum gleichen Zeitpunkt sagen „fertig“. Und Lisa Bassenge ergänzt: „Es wurde abgestimmt, wenn es zum Beispiel um Snaredrum-Klänge ging. Aber wir kennen uns so lange und haben schon so lange miteinander Musik gemacht, dass man es den anderen nicht übel nehmen kann, wenn sie einem eine Idee raushauen. Das kratzt nicht mehr am Ego. Die demokratische Entscheidung ist gut und schnell, weil niemand mehr bis zum Abwinken auf seinen Ideen beharrt.“
Wie das ganze live umgesetzt wird, darauf darf man gespannt sein.
Gitarrist Meinhold war bisher derjenige, der neben seinem Instrument auch noch die Samples bedient hat, Sebastian Demme hat eher klassisch die Keyboards gespielt. Jetzt soll es klassisch-akustisch werden. Bei einigen Songs wird man nicht um das Sampling herumkommen, trotzdem bleibt es für die meiste Zeit auf der Bühne akustisch. Und das „alte“ Programm fliegt nicht komplett raus, Micatone werden längere Shows spielen und den ersten Block akustischer halten und für den zweiten die Tanzfläche freigeben. Das wird ein heisser Sommer zum Tanzen. Mit oder ohne Staubbeutel. Und mit oder ohne Lagerfeuer. Im Juni jedenfalls hat sch Micatone auf ihrer CD-Release-Tour kreuz und quer durch Deutchland in namhaftte Clubs erstmlas live bewiesen.
Copyright: Redaktion Melodiva
Autorin: Angela Ballhorn
29.06.2005