NNEKA (Nigeria/D)

Rappin´ Soul – eine wundersame wahre Geschichte

Ob Nneka nun eine soul-singende Rapperin ist, oder eine rappende Soulsängerin, das kann niemand so genau sagen. Fest steht nur, dass die aus Nigeria stammende Hamburgerin auf Englisch singt – und zudem noch eine tolle Stimme hat. Ihre Geschichte ist aber auch nicht schlecht: Am 12. September erscheint ihre erste CD „Victim Of Truth“ beim Hiphop-Kultlabel Yo Mama (Einer Unterabteilung des Fanta-Vier-Labels „Four Music“) Und das, obwohl sie sich erst seit zweieinhalb Jahren, zudem als eine der wenigen Profi-Frauen, im Hiphopbusiness schlägt. Schuld an der CD ist aber nicht einmal ihr rascher Erfolg, sondern eigentlich ihr Name: „Nneka“ bedeutet nämlich so viel wie „Mutter ist die beste“, und eben dieser Zusatz auf dem „Yo Mama“ – Firmenschild war es, der die Mittzwanzigerin wie magisch zum passenden Label gezogen hat.

„Ich ging durch die Stadt, auf der Suche nach Arbeit. Eines Nachmittags entdeckte ich dieses Schild“, berichtet Nneka lebhaft. „Also klingelte ich und durfte hoch kommen… Zum Glück hatte ich meine CD dabei, die trage ich immer mit mir herum. Sie ließen mich rein, und hörten meine Musik an… Dann besuchte ich sie ein paar Mal, zeigt ihnen meine neuen Tracks – und yeah! Es groovte.“ Offenbar war dies die Geburt einer fruchtbaren Symbiose: Nneka hatte ein angesagtes Label. Und Yo Mama bekam ein vielversprechendes Hiphop-Gewächs, das als weibliches Pendant zu dem ebenfalls verpflichteten Reggae-Künstler Patrice gut aufs internationale Parkett passt. Kein Wunder, dass sie vergangenes Frühjahr als Vorband von Patrice auf Tour ging. Rauchig, fast schon stachelig, und dennoch wundersam weich im Klang, ersang sich Nneka in Deutschland eine Fangemeinde. Keine Frage: Nnekas Stimme ist eigen und nicht artig. Irgendwo zwischen Erykah Badus Flauschteppich und Tina Turners Kraftröhre.

Dabei sei Singen niemals ihr Plan gewesen, beteuert die von sich selbst überraschte Sängerin. Mit 18 Jahren, ohne Familie, ist sie von Nigeria nach Hamburg gekommen. Bis dahin hatte weder sie selbst noch irgendein Trendscout das Naturtalent entdeckt. – Es war die Nachbarin in Altona, wie Nneka erzählt: „Sie hörte mich singen und hatte die Idee: ‚Nneka, willst du das nicht professionell machen?’… Ich sagte: du machst Witze.“ Dieser Satz sollte ihr letztes Understatement sein. Mit dem ziellosen Dahinträllern war von nun an Schluss. Plötzlich sei Ehrgeiz zu Tage getreten, erinnert sich Nneka: „Womöglich konnte ich meine Sachen auf CD aufnehmen. Das war alles, was ich wollte, einfach meine Stimme auf CD hören. So fing es an.“

Über gleichgesinnte Jungs, die deutsch oder englisch rappten, folgte der Einstieg in die Hiphop-Szene – eigentlich ein berüchtigtes Machismo-Pflaster. Aber, ganz mit dem standesgemäßen Selbstbewusstsein einer Hiphopperin, findet Nneka, dass sie einfach „ihr Ding“ mache, auch als Frau: „Ich bekam nie negative Reaktionen deswegen“, sagt sie lässig. Seit rund zweieinhalb Jahren singt sie in Hamburger Clubs, unter anderem zu den Turntable-Beats ihres jetztigen, selbstgewählten Produzenten, DJ Farhot. „Es war vor ungefähr zwei Jahren. Er suchte nach einem Sänger, und ich hörte mir seine Beats an. Ich sang nicht darauf, aber ich hörte sie mir an“, so Nneka darüber, wie sie ihren wichtigsten Businesspartner kennenlernte. Nach und nach sammelte sie dann auch ihre Band zusammen: Drummer Kilian Soldat, Keyboarder Nis Kötting, Gitarrist Fontaine Burnett und Bassist Gros Ngollé Pokossi.

Dass sich die mutige junge Frau in der Szene behaupten konnte, mag neben ihrem Talent auch daran liegen, dass sie gelernt hat, sich durchzubeißen: „Ich bin hier, allein, ich muss den Mund aufmachen, wenn mir was nicht passt. Ich spreche aus, was mich bedrückt. Das habe ich hier gelernt“, schildert Nneka. Auch dass sie sich als Nigerianerin nicht dem Szene-Vorwurf auszusetzen braucht, die Härten der „Straße“ nur in den mehr oder weniger beschaulich geltenden sozialen Brennpunkten in Deutschland erlebt zu haben, mag eine Rolle spielen. Im Hiphop-Jargon ist Nneka „real“, authentisch.

Denn, was es heißt, sozial benachteiligt zu sein, hat sie am eigenen Leib verspürt, in ihrer Heimatstadt Warri: Einer trostlosen Kapitale der internationalen, und, wie sie betont, europäischen Öl-Industrie. Deren Mächtige billigten die Armut der Bevölkerung stillschweigend, kritisiert Nneka. Sie spricht plötzlich schneller und lauter, wenn sie sich daran erinnert, wie es war, wenn in der Schule die wenigen weißen Schüler privilegiert behandelt wurden. Wenn Polizisten, die Bestechungsgelder annahmen, ebenso zum Straßenbild gehörten wie das alltägliche Verkehrschaos. An Hamburg mag sie, dass man nicht so lange auf die S-Bahn warten muss.

Solche Erfahrungen hinterlassen Nachgeschmack. Nneka bewältigt sie in der Hingabe an das, was am ehesten als „Hiphop-Soul“ zu beschreiben ist: „Ich schreibe nicht immer Rap-Texte“, sagt sie. „Aber ich rappe jeden Text, wenn er sich rappen lässt und ich einen Flow finde“, also Kontinuität. „Wenn nicht, dann singe ich die Rap-Texte eben“, fügt sie hinzu. Für sich hat sie entschieden, die Form unterzuordnen. Was mehr zählt, ist der Inhalt. In ihrem Song „Africans“ prangert sie den Despotismus mancher Politiker in Afrika an, ganz wie ihr Landsmann und musikalisches Vorbild, der Afrobeat-Star Femi Kuti. Er hat auch mit Mos Def gearbeitet, den Nneka neben Lauryn Hill als einflussgebend bezeichnet. Auch Reggae-Papst Bob Marley zählt Nneka zu ihren Einflüssen. Er könnte allerdings mehr sein, etwa ein geistiger Vater. Denn wie der friedliebende Jamaicaner bekennt sich auch Nneka klar zu Gott: „Ich bin hier um meine Botschaft weiter zu geben, und es klappt. Mit Gottes Hilfe hoffentlich auch in Zukunft“, betont sie. So wie sie es sagt, klingt es echt.

Diese mit jugendlichem Eifer veröffentlichte Heilserwartung einer im Glauben gerechteren Welt zieht sich als roter Faden durch Nnekas Erstlingswerk. Der Titel „Victim Of Truth“ kommt zwar in großspurigem Idealismus daher, erinnert aber auch klar an die Angriffe der nigerianischen Regierung gegen ihre Kritiker. Allerdings muss auch hierzulande dringend Tacheles geredet werden, findet Nneka. Und beginnt gleich mit einer Rüge des eigenen Berufststandes. Im Song „Showing Love“, wendet sie sich direkt an die MC’s, die Hiphop-Sänger: „We are on stage cause god wants us to be/ it has be given to you as a sign of reponsability.“ – Damit positioniert sich die Sängerin klar in der Hiphop-Welt: „Viele Leute nutzen ihre Position aus. Sie höhlen den Begriff der Liebe aus. Anstatt Glück oder Positivität zu kreieren, rufen sie den Teufel in den Menschen hervor… Musik sollte einigend wirken, von Liebe handeln…“ Auch wenn Nneka sich in ihre allgemein gehaltene Kritik mit einbezieht, angesichts der laut gewordenen Vorwürfe der Gewaltverherrlichung an manche Hiphopper scheint die Zielrichtung klar. Nnekas Songs sind Reflexionen über Gott und die Welt im wahrsten Sinn des Wortes, und in Tagebuch-Manier. „Ich schreibe, wenn ich mich im Inneren nicht wohl fühle. Ich schreibe einfach meine Gedanken auf“, berichtet sie.

15 eigene Tracks enthält ihre Debut-CD „Victim Of Truth“. „Die Musik dazu stammt von Farhot, einige Songs haben wir mit der Band eingespielt, um mehr Musik reinzubringen… Zwei, drei Songs habe ich mit produziert“, so die Sängerin. Das Ergebnis lässt sich hören: Eine positive und gut gelaunte Scheibe, die auch noch abwechslungsreich und tanzbar klingt. Dennoch besitzt das Album der Newcomerin auch eine dicke Schicht Babyspeck: Die unter hoher Professionalität im Studio entstandenen Songs, in wohlbedachter Stilreise von Reggae über Soul zu Rap, klingen fast schon zu perfekt. Dass das Debütwerk überhaupt einen eigenen Charakter besitzt, ist hauptsächlich dem nuancenreichen Vocal zu verdanken. Wenn Nneka, noch ein Kind der Szene, so entschossen weiter kämpft, wird Hamburg bald zu klein für sie sein.

Discographie

Aktuelle Debut-CD: „Victim of truth“ VÖ – 12.09.05, Single „The uncomfortable truth“- VÖ 19.09.05

Text: Angelika Calmez/ Köln

Copyright: Redaktion Melodiva

www.nnekaworld.com

29.09.2005