HILDEGARD KNEF:

Eine große deutsche Diva

„Musik ist doch etwas ganz Wesentliches in meinem Leben“, beteuert Hildgard Knef im Laufe ihrer Vita immer wieder. Die Texte zu ihren eigensinnigen Stücken schreibt sie selbst, über mehr als eine Handvoll Gesangsstunden kommt sie aber nicht hinaus. Zu ihrem eindeutigen Erkennungsmerkmal wird daher nicht ihre technische Brillanz, sondern die rauchig-verruchte Stimme. „Ich hatte nie den Ehrgeiz, gut zu singen“.
„Gleich zwei Ausstellungen in Berlin im Filmmuseum und im schwulen Museum , widmen sich bis April 2006 dem Leben von Hildegard Knef (1925 – 2002), die am 28. Dezember 80 Jahre alt geworden wäre.

Neben Marlene Dietrich zählt Hildegard Knef zu den großen Diven Deutschlands, doch im Gegensatz zu Marlene Dietrich, die es irgendwann satt hatte „die Dietrich“ zu sein, und sich zu Tode fotografiert fühlte, suchte Hildegard Knef Presse und Öffentlichkeit. Von ihr gibt es noch Aufnahmen und Interviews, die sie im Krankenbett und ein Jahr vor ihrem Tod im Interview zeigen.

Die Knef und die Dietrich waren miteinander befreundet. In der Ausstellung im Filmmuseum ist eine kurze Korrespondenz nachzulesen, ein Brief von Marlene aus dem Jahre 1975, in dem sie die Freundin mit „dearest Hildekind“ anspricht und um einen geschäftlichen Rat bittet. Ein Brief von Hilde an Marlene aus dem Jahr 1979, in dem sie ihr einen Agenten für eine Buchveröffentlichung vorschlägt, ist mit „Ich umarme dich in Liebe“ unterschrieben. Öffentlichkeit und Presse versuchten Parallelen zwischen den Stars zu ziehen. Doch dem widersetzte sich die um 24 Jahre jüngere Hildegard Knef immer wieder.

Ihre Tochter Maria Riva, über die Bedeutung von „Star“: „Hildegard Knef war genau das Gegenteil von dem, was einen „Star“ im ursprünglichen Sinne kennzeichnet, denn sie war fehlbar, schwerkrank, zeitweise süchtig und präsentierte sich mit all diesen ihren Schwächen der Öffentlichkeit.

Die Filmkarriere

Hildegard Knef lernte Marlene Dietrich 1948 in Los Angeles kennen, wohin es die beiden deutschen Schauspielerinnen verschlagen hatte. Die Dietrich aus politischen Gründen und Hildegard Knef, weil sie sich hier eine Karriere erhoffte. In Deutschland hatte sie zuvor in erfolgreichen Filmen gespielt wie „Die Mörder sind unter uns“, aber die Aussicht auf einen Vertrag mit David O. Selznick ließ sie ihrem frisch angetrauten Ehemann Kurt Hirsch in die Staaten folgen.

In der Ausstellung ist auf einer großen Fernsehbildwand auf verschiedenen Monitoren Talkshow-Filmgeschichte von 1967 bis 2001 zu sehen. In einer Szene aus dem Jahr 1993 spricht der damalige Prälat der Kirche Dr. Carl Klinkhammer, der seinerzeit gegen den Film eingetreten ist, mit Günther Jauch und einer in knallgrün gekleideten Knef über den Sündenfall der „Sünderin“. Doch zurück nach Amerika. Nach dem Welterfolg des Skandalfilms kam der Durchbruch für Hildegarde Neff, wie sie in den Staaten genant wurde, auch in Hollywood. Sie drehte u.a., „Schnee am Kilimandscharo“ mit Gregory Peck und hatte 1954 großen Erfolg am Broadway mit dem Musical „Silk Stockings“.

Die Gesangskarriere

Hildegard Knef nutzte bei den Dreharbeiten zu „Schnee am Kilimandscharo“ ihre Chance und legte damit den den Grundstein für ihre Laufbahn als Sängerin. Darin musste sie eine Cole Porter-Nummer singen, von der Porter so angetan war, dass er ihr die Hauptrolle in seinem Broadway-Musical „Silk Stockings“ („Seidenstrümpfe“) nahe legte. Erst zehn Jahre später begegnete Hildegard Knef ihrem musikalischen Ausdruckswillen mit dem nötigen Ernst und veröffentlichte 1962 ihr Debütalbum „So oder so ist das Leben“. Zehn weitere Soloalben und eine unüberschaubare Vielzahl an Samplern, Compilations und Best-Ofs legten bis heute ein beeindruckendes Zeugnis ihrer musikalischen Zeitlosigkeit ab.

1965 nam sie ihr zweites Album „Hildegard Knef spricht und singt Kurt Tucholsky“ auf. Bereits wenige Monate später etablierte sie sich mit „Ich seh die Welt durch deine Augen endgültig als intelligente Chansongöre. 1966 ging sie mit Günter Noris und seiner Big Band auf Tournee. 1968 wurde sie als „beste deutschsprachige Sängerin“ ausgezeichnet und erhielt mehrere Goldene Schallplatten für über drei Millionen verkaufte Exemplare.

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“, heißt einer ihrer Songs, der zugleich auch Filmtitel ist. Still geworden ist es nie um Hildegard Knef, auch wenn sie nicht auf der Bühne, vor der Kamera und nur noch selten auf dem Bildschirm zu sehen war. In noch guter Erinnerung sind Liederabende, wo ihre unvergleichlich gebrochen-herbe, whisky-verhangene Stimme auffiel.

Die Fotosammlerin + Autorinnenkarriere

Hildegard Knef war in ihrer Freizeit eine leidenschaftliche Fotosammlerin. Anfangs klebte sie die Fotos noch liebevoll in ein Album und kommentierte die einzelnen Bilder, später wurden sie dann leider nur noch in Sammeltüten gepackt, die Zeit reichte einfach nicht mehr zum liebevollen Archivieren. Und sie schrieb Tagebuch. Doch davon sind nur die ersten beiden Seiten zu lesen. Den Rest des Buches hat ihr letzter Ehemann. Paul von Schell, noch nicht freigegeben. Schade für die Fans, aber es zeugt von hohem Respekt gegenüber einer Privatperson, die ja jeder Prominente auch ist, wenn die geheimsten privaten Aufzeichnungen, auch nach dem Tod privat bleiben dürfen. Als sie 1963 anfing ihr Tagebuch zu schreiben, wusste sie noch nicht, dass sie bald Buchautorin ihrer Memoiren und Erlebnisse werden sollte. Denn dort schrieb sie noch: „Ich finde meine Gegenwart, mein tägliches Leben so füllend und wichtig, dass ich mich fürchte in der Vergangenheit, und sei es nur für Stunden, einzutauchen.“ Erst zehn Jahre später, nach der Geburt ihrer Tochter Christina und ihrer ersten Krebserkrankung wurde Hildegard Knefs Welterfolg „Der geschenkte Gaul“ veröffentlicht.

Der dunkle Punkt in ihrer Karriere

Von der Zeit vor ihrem Durchbruch als Schauspielerin, gibt es nur wenig Material. In der Ausstellung wird nicht thematisiert, dass es Propagandaminister Goebbels war, der die Knef als Schauspielerin entdeckte und auch ihr Verhältnis zu Ewald von Demandowsky, einen Nazikünstler und Goebbels-Freund, kommt nicht zur Sprache. In dem TV-Dokumentarfilm „Hildegard Knef – Die frühen Jahre“, der zum Anlass der Ausstellung im Filmmuseum gezeigt wurde, wird diese Zeit beleuchtet, aber nicht aufgeklärt, weil es nur Vermutungen, aber keine Beweise gibt. Auch nicht für die Vermutung, dass die Knef letztendlich wegen ihrer Karriere ihren Liebhaber verraten habe, der nach Kriegsende von den Russen hingerichtet wurde. Ohne Belege sind diese möglichen Biografie-Ergänzungen kein Thema für eine Ausstellung. Gerade erst musste der Autor Jürgen Trimborn seine Biografie „Das Glück kennt nur Minuten“ zurückziehen, weil er unbewiesene Behauptungenals Tatsachen veröffentlichen wollte.

Aber die Diskussionen um diesen möglichen dunklen Punkt in der Knef-Biografie laufen außerhalb des Museums. Im Kinosaal des Filmhauses im Rahmen der Sonderveranstaltungen und in den Feuilletons. Auch die Diskussion darüber, in wie weit ein Künstler nur aufgrund seiner künstlerischen Ambitionen politisch uninteressiert bis gleichgültig oder naiv sein darf.

Ihre Solidarität und ihr starker Wille

Manch eine mag sich fragen, warum gerade das schwule Museum Hildegard Knef eine Ausstellung widmet. Sie war weder lesbisch noch hatte sie je eine Affäre mit einer Frau. Zumindest ist dies nicht bekannt. Doch ihren eigenen Worten nach, spürte sie zeitlebens eine gewisse Affinität zur homosexuellen Szene. Gemeinsam mit ihrem Ehemann David Cameron nahm sie 1971 in New York an der Gay-Pride-Demonstration teil, dem zweiten Jahrestag der Geschehnisse in der Christopher Street, um für die Rechte von Schwulen und Lesben zu kämpfen. Wieder in Berlin gab sie dem ersten deutschen Homomagazin „Du und ich“ ein großes Interview und das genau in der Zeit, als Homosexualität noch ein großes Tabu in der Gesellschaft war. Um Tabus jedoch hat sich Hildegard Knef nie geschert – sie hat gemacht und getan, was immer sie für richtig hielt, genau so, wie der Titel eines ihrer Chansons lautet: „So oder so ist das Leben“.

Autorin: Dagmar Trüpschuch für LESPRESS
Mit Ergänzungen zu ihrer musikalischen Karriere, zusammengestellt von Anne Breick

Photos:
**Hildegard Knef Porträt von Ulrich MackPercha, 1964
Copyright und Foto: Ulrich Mack
**Hildegard Knef beim Verfassen von ChansontextenBerlin, 1965
Copyright und Foto: Lothar Winklerby Hipp-Foto-Marianne Winkler-Berlin
Quelle: Filmmuseum Berlin à Deutsche Kinemathek
**Hildegard Knef (1989) © Dieter Bornemann
Quelle: Schwules Museum

DISCOGRAPHIE

2005 Erinnerungen (DVD)
2005 Ihre Lieder Sind Anders (Tribute-Album)
2005 Schöne Zeiten – Ihre Unvergessenen Singles (2-CD)
2003 Stationen (Das letzte Konzert 28. Januar 1986) (DVD)
1999 17 Millimeter (mit Till Brönner)
1980 Da Ist Eine Zeit
1980 Tournee, Tournee
1979 Eins & Eins
1978 Überall Blühen Rosen
1978 Heimweh-Blues
1977 Lausige Zeiten
und der Vollständigkeit halber:
* Bei Dir War Es Immer So Schön – (1976)
* Ich Bin Den Weiten Weg Gegangen (Album)(1974)
* Und Ich Dreh Mich Nochmal Um – (1972)
* Worum Geht’s Hier Eigentlich – (1971)
* Knef (1970)
* Knef Concert (1968)
* Träume Heißen Du (1968)
* Halt Mich Fest (1967)
* Na Und (1967)
* Die Neue Knef (live) (1966)
* Ich Seh Die Welt Durch Deine Augen (1965)
* Hildegard Knef Spricht Und Singt Kurt Tucholsky (1965)
* Die Großen Erfolge (1964)
* Hildegard Knef (1964)
* So Oder So Ist Das Leben (1963)

Quelle: Dieser Text erschien in abgeänderter Version auch in der Dezember-Ausgabe 2005 des Magazins LESPRESS.

Wir bedanken uns bei der Redaktion und der Autorin für die kollegiale Unterstützung.
Text: Dagmar Trüpschuch
ergänzt: Anne Breick-Frankfurt

29.01.2006