Simphiwe Dana – Afro Soul aus Südafrika
"Identitätswandel"
Wer zu wissen meint, wie südafrikanische Musik klingt und sich definieren lässt, sollte sich Simphiwe Dana anhören.
Die junge schwarze Sängerin wurde 2005 bereits mit ihrem Debutalbum Zandisile der Shooting Star der South African Music Awards, gerade weil sie alles andere als trendy daher kommt. Jetzt erscheint ihr Album auch bei uns. Während Kwaito und Hip Hop den südafrikanischen Musikmarkt dominieren und temporeiche Stile wie Kwela und Mbaquanga hierzulande immer noch als repräsentativ gelten, dreht Simphiwe Dana teilweise das Tempo ihrer Musik überraschend herunter, bringt soulige und jazzige Einfärbungen in den Gesang ein.
Aber man spürt andererseits noch die Atmosphäre der traditionellen Acapella-Bergarbeiterchöre. Manchmal dringen Breakbeats nach vorne wie auch unerwartete arabische Klänge. Simphiwe Dana setzt auf eine andere Identität von südafrikanischer Musik, weil der Prozess des Bewusstwerdens ihrer eigenen Identität wohl ein sehr harter war und genau zu dieser Musik führten musste.
Mit der Arbeit an einem neuen Kapitel südafrikanischer Musik hat Simphiwe Dana in ihrer Heimat wohl den Nerv der Zeit getroffen, denn Zandisile erhielt inzwischen Platin-Status. Doch es mag auch daran liegen, dass sie ebenso inhaltlich überzeugt, denn ihre Texte befassen sich genauso wie ihre Musik mit Identitätsfindung als Afrikanerin. Musikalisch setzt sie jedenfalls der immer amerikanischer klingenden südafrikanischen Popmusik eine sehr eigenständig wirkende Stilistik entgegen, etwas was weder zu traditionell noch zu sehr nach aktuellen Moden klingt, aber beides auch nicht völlig ignoriert. So verrät das erste Stück auf Zandisile anfangs nicht, wohin die Reise geht. Man hört zunächst nur Schritte, im nächsten Moment könnte es Richtung Bar-Jazz weiter gehen, dann wird es rhythmischer, souliger, ein Dancebeat schleicht sich ein. Der Gesang könnte von jetzt an aber durchaus an die Bergarbeiterchöre erinnern, doch da rappt es im Hintergrund. Dann improvisiert das Klavier wieder jazzig, der Beat kommt recht flott zurück, doch Simphiwe Dana dehnt die Vokale betont langsam dagegen, zeigt eher eine innere Intensität als dass sie vom Typ her sich die Seele aus dem Hals schreien würde. Danach gehen die Songs zunächst eine Weile auf Slow Motion, werden fast spirituell, lassen harfenartige Sounds erklingen, doch kommt die südafrikanische Rhythmik immer wieder zurück wie auch der Makwaya, der von der Kirchenmusik beeinflusste Stil, wie ihn auch schwarze Chöre á la Ladysmith Black Mambazo bekannt gemacht haben.
Die Zeit der atemlos rasenden Kwela Musik scheint vorbei zu sein.
„Kwela, kwela – Los, auf!“ rief früher immer die Polizei, wenn sie verhaftete Schwarze nach Razzias in die Gefängnisautos trieb. Simphiwe Danas Musik führt ihre Songs meist langsam ein. Ein Zeichen für eine Konsolidierung der Befreiung der Farbigen in Südafrika? Noch mischen sich die Tempi in Danas Musik und man spürt die Suche in alle musikalischen Richtungen, nach außerhalb und innerhalb des Landes, in die Moderne wie in die Vergangenheit Südafrikas. Und das macht sie ziemlich einzigartig. Ihre Musik zeigt eine Frau auf der Suche nach sich selbst. Dazu gehört erst einmal auch ihre Rolle als Komponistin wie auch die Tatsache, dass die Johannesburgerin ihre Geschmacksbildung anfangs als Modedesign-Studentin zu bilden versuchte, bevor sie sich der Musik zuwandte.
INTERVIEW – Hans-Jürgen Lenhart:
Deine Musik passt nicht ins übliche Schema südafrikanischer Musik. Wie entstand deine persönliche Mischung?
Simphiwe Dana:
Ich wuchs mit ganz normaler amerikanischer Popmusik und vor allem Gospel auf. Jeden Sonntag ging ich mit meiner Familie in die Kirche und alle Musik außer Gospel galt sozusagen als heidnisch. Erst als ich etwa 20 Jahre war, nahm ich irgendwelche Unterschiede wahr, ich wurde mir meiner Identität bewusst und mein Gehirn wurde nicht mehr so gewaschen wie bei vielen anderen. Ich begann über Ausdruckskraft und Entertainment nachzudenken. Ich entdeckte dann jede Menge südafrikanische Musiker wie Madosini oder den Township Jazz der 50er Jahre oder die Musik der Xhosa und war vor allem von den Harmonien beeindruckt. Aber auch Jazzsängerinnen wie Sarah Vaughan beeinflussten mich.
Hans-Jürgen Lenhart: Auffällig ist ein manchmal langsameres Tempo als man von den meisten südafrikanischen Produktionen her kennt. Ist das eines der Geheimnisse für deinen recht schnellen Erfolg?
Simphiwe Dana: Es war für mich von Anfang an schwer, mich irgendwo einzuordnen. Meine Musik dient nicht der reinen Unterhaltung oder dem Markt der reinen Soul Music. Ich habe einen eher lyrischen, spirituellen Aspekt in die südafrikanische Musik einbringen wollen, aber es geht mir auch um politische Aspekte.
Hans-Jürgen Lenhart: Was heißt das bezüglich deiner Songtexte?
Simphiwe Dana: Nun, es geht zumeist um die Themen Identität und Selbstbestimmung, teilweise an sehr persönlichen Angelegenheiten aufgezogen. Afrikaner wurden oft bezüglich der Respektierung unserer Abstammung einer Gehirnwäsche unterzogen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt merkte ich, dass sich dadurch alle meine Probleme erklären ließen. Man braucht sich seiner afrikanischen Herkunft nie zu schämen, man muss stolz auf sie sein, auf die älteren wie die jüngeren kulturellen Leistungen, sonst wird man sprachlos. Und das gilt für alle Afrikaner, egal wie sie leben mögen. Je mehr Afrika auf die Bühnen der Welt strebt, desto wichtiger ist das. Genau davon handeln meine Lieder.
Hans-Jürgen Lenhart: Das klingt danach, dass du ein zumeist schwarzes Publikum hast?
Simphiwe Dana: Das hängt davon ab, wo ich auftrete, in Johannisburg und Kapstadt ist das Publikum rassenmäßig gemischt, in Durban eher schwarz.
Hans-Jürgen Lenhart: Wie wirst du in Südafrika selbst eingeordnet?
Simphiwe Dana: Das ist wirklich die Frage. Ich passe weder in die Pop Musik noch ist es typische Weltmusik. Am ehesten kann man sagen, es ist Afro Soul, denn es gibt Soul-Einflüsse im Gesang und dazu die afrikanische Rhythmik.
Hans-Jürgen Lenhart: Im Song Make A Tribe hört man eine arabische Oud, was recht ungewöhnlich für südafrikanische Musik ist.
Simphiwe Dana: Ja, das stimmt, Greg Georgiades spielte die Oud sowie eine Bouzouki. Der arabische Klang wurde bewusst mit aufgenommen, weil wir zeigen wollten, dass Südafrika in der Weltgemeinschaft sich für Einflüsse von außerhalb offen zeigen will. Aus dem gleichen Grund wurde hier auch noch die indische Tabla eingebaut.
Hans-Jürgen Lenhart: Du hast mit deinem Debutalbum schnellen Erfolg gehabt und tourst jetzt damit schon in Europa. Hat das damit zu tun, dass deine besondere Variante südafrikanischer Musik einem europäischen Geschmack entgegen kommt?
Simphiwe Dana: Ich habe mich nie mit marktpolitischen Aspekten befasst. Als ich die Musik schrieb, war mir bewusst, dass sie ganz anders sein würde als was auf dem südafrikanischen Musikmarkt existierte. Es ging mir erstmal nur darum, etwas aus mir herauszulassen, was in mir steckte. Mir war bewusst, dass es andere Rhythmen beinhaltete, als die meisten gewöhnt waren. Aber selbst wenn es ein Flop gewesen wäre, hätte es bestimmt ein paar Leute gegeben, die verstanden hätten, aus welchen Gedanken und Gefühlen heraus dies alles entstanden ist.
Discographie
Aktuelle CD & Debutalbum: „Zandisile“ (Gallo/Skip Records, 2006)
Copyright: Melodiva
Autor: Hans Jürgen-Lenhart
29.05.2006