Eva Kruse (Bass)

Sidewoman und Senkrechtstarterin

Frauen an tief tönenden Instrumenten sind leider immer noch sehr rar. Interessanterweise gibt es einige Tuba spielende, viele Posaune spielende und auch mittlerweile einige Kontrabassistinnen in klassischen Orchestern. Jazz-Kontrabassistinnen dagegen sind selten. Eine dieser Exotinnen ist Eva Kruse. Bisher trat die mittlerweile in Berlin ansässige Kontrabassistin weniger als Solistin, sondern vor allem als Teamplayer per excellence in drei hervorragenden jungen deutschen Jazzformationen in den Vordergrund.

Ihre Bassnoten veredeln die Bands: Firomanum, das Klaviertrio [em] mit Pianist Michael Wollny und Schlagzeuger Eric Schaefer und das Trio des Gitarristen Arne Jansen. Mit Eva Kruse sprach Angela Ballhorn für Melodiva in Berlin.

Eva Kruse startet durch

Die 28-jährige Norddeutsche hat spät mit dem Bass angefangen und ist dann schnell durchgestartet. Den E-Bass (das Zweitinstrument neben dem klassischen Klavier) tauschte sie erst mit 18 gegen den Kontrabass. Innerhalb eines Jahres arbeitete sie so hart, dass sie die Aufnahmeprüfung an der Berliner HdK schaffte. Ihre Lehrer Siggi Busch und später Anders Jormin in Schweden unterstützten sie, einen eigenen Weg am Bass einzuschlagen. Ihre Musikalität hört man sowohl im gelegten Fundament wie auch in der Solistenrolle. [em] ist momentan ihre wichtigste Band, ein Trio, in dem alle drei Musiker auf Augenhöhe interagieren. Für diese Band schreibt Eva Kruse auch. Meist ist der Ursprung zweistimmig linear, [em] macht aber alles Mögliche aus dem Ausgangsmaterial. Die zweite CD des Trios erscheint im Herbst, und nach erfolgreichen Konzerten in Salzau, am Jazzfest in Kanada und am North Sea Jazz Festival wird Eva Kruse mit ihren Mitspielern im Herbst auch wieder auf deutschen Bühnen zeigen, warum dieses Trio eines der momentan spannendsten ist.

Kontrabass ist noch immer kein sonderlich weit verbreitetes Instrument unter Musikerinnen.

Er war auch nicht mein erstes Instrument. Ich habe mit klassischem Klavier begonnen, als ich sechs war. Mit 13 habe ich Klavier in unserer Schul-Bigband gespielt. Unser Lehrer meinte, ich solle doch mal E-Bass ausprobieren, weil ich ja Bassnoten lesen könnte. So bin ich zum E-Bass gekommen, was mir von Anfang an sehr viel Spaß gemacht hat. Neben unserer Schul-Bigband hatte ich noch eine andere Band, und meine Lehrer wollten mich schon immer zum Kontrabss überreden. Ich wollte aber Soul und Funk spielen und keinen Jazz. Deshalb blieb ich beim E-Bass. Ich habe ein halbes Jahr Klassikunterricht am Bass genommen und in der Zeit mit Klavier ausgesetzt, was ich doof fand. Mit 18 kam ich in das Landesjugend-Jazz-Orchester Schleswig-Holstein. Zum Vorspiel ging ich mit E-Bass, und zu der Zeit spielte eine „ältere“ Rhythmusgruppe, bei denen ich zum ersten Mal in den abendlichen Jam Sessions gehört habe, was alles im Jazz möglich ist. Da war für mich klar: Entweder läßt du das ganz oder fängst richtig mit Kontrabass an.

Eva Kurse mit dem Trio „EM“, Michael Wollny (p) und Eric Schäfer (dr)

Innerhalb von einem Jahr habe ich mich dazu entschieden, die Aufnahmeprüfung für Jazz-Kontrabass zu machen und nicht für klassisches Klavier. Das war eine Zeitlang ein Zwiespalt. Klassischen Unterricht am Bass hatte ich wenig, aber so privat für mich übe ich das schon. Wenn ich übe, übe ich auch immer mit Bogen, um mit der anderen Technik klar zu kommen.

Hattest du weibliche Vorbilder?

Nö, ich kenne keine Frauen am Kontrabass, und ich hatte mich auch nie drum gekümmert. Leute wie Dave Holland kommen da eher auf einen zu, und mir war es total egal, ob die Musik von einem Mann oder einer Frau gespielt wurde, weil es mir um die Musik geht.

Und männliche Vorbilder?

Dave Holland hatte ich schon genannt, Gary Peacock und alle, die mit ihm im Klaviertrio spielen, was momentan meine bevorzugte Besetzung ist. Ich hatte eine Zeitlang in Schweden Unterricht bei Anders Jormin. Das sind meine Einflüsse. Ich habe allerdings nicht – so wie man das vor allem von Gitarristen und Schlagzeugern kennt – nach Instrumentalisten des gleichen Fachs gesucht. Mich haben die Bands interessiert oder ganz andere Instrumente als nur der Bass.

Du hast bei Anders Jormin in Schweden und bei Siggi Busch in Berlin studiert. Wie wichtig waren die beiden Lehrer für dich?

Als ich an die Hochschule gekommen bin, habe ich erst ein Jahr lang gespielt und mußte das Instrument richtig lernen – rein von der Technik her – und improvisiert hatte ich bis dato noch gar nicht. Von Siggi Busch habe ich gelernt, wie man selbständig arbeitet, mir alleine meine Sachen zum Üben rauszusuchen und dranzubleiben. Bei Anders war ich nur vier Monate. Bei ihm habe ich richtig gelernt, das Instrument technisch zu beherrschen. So wie wir gearbeitet hatten, hatte ich erstmals das Gefühl zu verstehen, wie ich mir den Bass einteilen kann. Er ist ein phantastischer Musiker, der das auch ausstrahlt. Er guckt gut hin und gibt sich nicht mit halbherzigen Sachen zufrieden. Alles was er spielt, ist da. Als Kontrast hatte ich mir Michael Formanek angehört – nicht schön, nicht diatonisch, aber rhythmisch betont und ehrlich.

Du bist mit Firomanum und [em] sehr beschäftigt. Wie bist du zu diesen Bands gekommen?

Firomanum hatte ich damals gegründet, als ich Leute für mein Vordiplom gesucht habe. Trotzdem war es nie „meine“, sondern „unsere“ Band. Arne, der Gitarrist, und ich hatten auch schnell Konzerte gebucht. Bei [em] war es ähnlich. Wir haben zu meinem Diplom gespielt. Das war das Gute an meinem Studium, dass ich überlegen mußte, mit wem ich eigentlich spielen möchte. Das war meine Initialzündung. Eric kannte ich vom Studium und Michael vom BujazzO. Es hat sofort gefunkt und es ist toll, dass es so gut weiter läuft.

Zwischen den CDs [em] I und [em] II liegen gerade mal 18 Monate, was eine kurze Zeitspanne ist. Die schnelle Veröffentlichungsfolge macht euch keine Probleme?

Eigentlich sollte der Abstand noch kürzer sein. Wir haben die ersten Aufnahmen im September gemacht, aber da waren wir noch nicht mit zufrieden. Deshalb sind wir im Februar noch mal ins Studio gegangen und dann waren wir wirklich soweit, was auch die Plattenfirma gemerkt hat. Jetzt sind wir alle total zufrieden. Wenn die zweite CD auf den Markt kommt, müssen wir schon die dritte CD andenken.

Du hast noch so eine Spassband, Soap, auf deren Website steht „Eva Kruse spielt mit uns, wenn sie denn Zeit hat….“

Ja, das ist die Band von Lars Diederich, dem Saxophonisten. Den kenne ich noch aus Schleswig-Holstein, an der Hochschule kam uns dann die Idee mit Fernsehmelodien, Computern und merkwürdigen Sounds. Aber vor einem Jahr haben wir wieder angefangen, und jeder überlegt sich seine Sachen. Wir haben eine Platte aufgenommen und suchen noch nach einem Label. Das ist aber Tanz und Spaß, weniger Jazz.

Und da spielst du auch Kontrabass oder wieder E-Bass?

Kontrabass. Es ist komisch, wenn ich jetzt einen E-Bass in der Hand habe, denke ich „Wo ist das Holz und der Klang“? Die Haltung beim Kontrabass ist natürlicher und der Sound direkter. Der Sound ist dafür auf dem E-Bass knackiger. Aber ich arbeite gerade daran, wie man mit dem Kontrabass auch knackige Hiphop-Grooves spielen kann.

Auf was hörst du, wenn du mit dem Schlagzeug zusammen spielst? Eric Schaefer spielt sehr unkonventionell, und zusammen seid ihr ein Super-Team.

Die Chemie ist wichtig. Eric ist schon lange einer meiner besten Freunde. Mit Nils von Firomanum verstehe ich mich auch sehr gut oder mit Pelle von Soap. In der Hochschule haben wir ein Jahr lang jeden Tag zusammen gespielt. Das schätze ich über alles. Das Timing muß zusammen kommen. Entweder reibt es sich, oder es kommt zusammen. Wo will der andere hin? Ich entscheide mich, ob ich mitgehe oder lieber etwas kontrapunktisches dazu mache. Das sich gegenseitig Raum geben sollte in der Balance sein. Das finde ich spannend.

Du komponierst recht kantige Stücke. Wie kommen einem Ideen für solche Kompositionen?

Bei [em] haben wir unterschiedliche Stücke. Da haben wir nur zwei Stimmen ausnotiert, danach wird in der Stimmung des Stückes weiter improvisiert. Da wir das aber schon seit drei Jahren machen, das Weiterimprovisieren mit schnellen Wechseln, und eigentlich immer hören, wohin die anderen gehen, haben wir ein Repertoire an improvisierenden Stilmitteln. Dann klingt das so, als hätten wir es aufgeschrieben, was aber gar nicht stimmt. Machmal ist das auch ein bißchen tricky, weil wir in sogenannte Licks zurückfallen, was wir aber nicht wollen. Dann ist es oft so, dass jemand mit einem halben Stück oder Ideen kommt und wir gemeinsam überlegen, wie wir die Ideen in eine Form bringen können oder eine Struktur in die Idee bringen können, um das Stück in unserem Sound zum klingen zu bringen. Einer stellt mehr als nur sein Instrument dar ist eine Maxime dieses Klaviertrios. Ich spiele oft die tiefen Bassnoten, zugleich aber noch hohe Flageolett-Töne. Eric schreibt gerne Stücke, in denen ich oft achtelweise von tief nach hoch wechslen muß. Das gleiche gilt für Klavier und Schlagzeug und so schaffen wir ungewöhnliche Instrumentierungen.

Eva Kruse Projekte unter deinem Namen gibt es noch nicht?

Nein, momentan ist mir [em] am wichtigsten, weil die Chance mit viel beworbenen Platten und vielen Konzerten nicht noch einmal kommt. Deswegen wäre es bescheuert, eine eigene Band zusätzlich aus dem Boden zu stampfen. Und letztendlich ist diese Band ja genau das, was wir machen wollen. Diese drei Impulse, die gleichzeitig verarbeitet müssen, sind viel spannender, als wenn nur einer mit einer Idee kommt.

Das Klaviertrio ist auch deine favorisierte Formation?

Ja, zum einen, weil ich das Klavier so gerne mag. Nicht umsonst habe ich selber 12 Jahre gespielt. Und Trio als Besetzung finde ich spannend, weil es möglich ist, mit drei Leuten zu kommunizieren und trotzdem noch alles zu hören. Das ist im Trio eher möglich als im Quartett. Zwei machen das gleiche und einer geht drüber, oder alle machen anderes, das kann man alles noch gleichzeitig hören. So eine Dreistimmigkeit zu finden, die doch klar bleibt, ist eine tolle Herausforderung.

„Young Friends“ Junge Jazz-Formation bei ACT MUSIC, am Bass Eva Kruse

Welches Klaviertrio ist für dich ein Einfluß?

Das Keith Jarrett Trio auf alle Fälle, obwohl das immer in Phasen verläuft. Das Bobo Stenson Trio habe ich auch öfter mal wieder angehört, und John Taylor mit seinem Trio. Michael hatte bei ihm Unterricht, und ich kenne ihn als Lehrer bei den BuJazzO Arbeitsphasen. Der hat ganz viel bei mir im Kopf bewegt. Ich habe über ein halbes Jahr lang jeden Tag „Blue Glass“, eine Live Platte aus den 80ern, die in Ronny Scott’s in London aufgenommen wurde, gehört. Die hatte ich jeden Morgen in der Küche gehört. Ich höre aber auch genausoviel Hiphop wie Jazz. Da gefallen mir einzelne Stücke von SnoopDoggy Dog, den wir im Auto auf Tour immer hörten, oder Buster Rhymes. Kürzlich war ich auf einem Black Eyed Peas Konzert, das streckenweise richtig gut war. Und natürlich Squarepusher, „Go Plastic“ ist eine meiner absoluten Lieblings-CDs. Gut gemacht, abwechslungsreich, aber nicht chaotisch.

Und was mich stark geprägt hat, weil ich die Sachen 12 Jahre lang jeden Tag gespielt habe und was auch in meinem Kompositionen nach oben kommt, ist die Musik von Johann Sebastian Bach. Wie man stilistisch andere Sachen zusammen bringen kann und mit der Band eine eigenen Sprache daraus machen kann, das finde spannend, ohne sagen zu müssen „Wir machen jetzt Jazz“, sondern „wir machen jetzt das, worauf wir Bock haben mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.“ Bei A Tribe Called Quest hört man auch oft Kontrabass, und weil die Produktionen luftig sind, hört man Bass und Schlagzeug isoliert. Mit Arne zu spielen, der viel mit Sounds macht und auch sehr von Pearl Jam beeinflußt ist, ist großartig, aber wieder ganz anders. Ich mag das Luftige sehr.

Interview/Text: Angela Ballhorn/Berlin
Fotos der Agenturen und u.a von: Joerg Grosse Geldermann (Band EM) ACTmusic

Discographie:

Als SIDENWOMEN: aktuelle CD: Michael Wollny Trio, [em] II (2006, ACT)

Mit [em]: Call It [em] (2005, ACT)

Als Sidwoman mit Arne Jansen Trio CD „My Tree“ (2006 s. Coverfoto)

Und mit :
Firomanum (2003) + Scope (2006)
Young Friends The Great German Songbook (2005, ACT)
DanGer The Danish/ German Jazzsextet feat. Eythor Gunnarsson City Crusin Ensemble Nord/Syd Live

ON TOUR

mit dem MICHAEL WOLLNY TRIO + „EM“:
11.09.2006DE – HamburgFabrik
14.09.2006DE – OsnabrückBlue Note
15.09.2006DE – MünchenJazzclub Unterfahrt
16.09.2006NL – Utrecht SJU Jazzpodium
17.09.2006DE – RegensburgLeerer Beutel
18.09.2006DE – FreiburgJazzkongress
22.09.2006FR – Strasbourg, Night of Musica Festival
16.10.2006AT – WienPorgy & Bess
19.10.2006DE – FrankfurtRomanfabrik
21.10.2006DE – HeilbronnCave 61
27.10.2006DE – BielefeldBunker Ulmenwall
09.11.2006DE – BerlinWdK (Werkstatt der Kulturen)
17.11.2006DE – KölnAltes Pfandhaus

Dieser Text ist nur nach Absprache mit der Redaktion der Melodiva und Genehmigung des Autors/ der Autorin für eine Weiterveröffentlichung zu verwenden.

Infoline: Redaktion MELODIVA im

FM B – FRAUEN MUSIK BÜRO – Frankfurt/GERMANY

+49 (0) 69-49 60 848 .

Autorin: Angela Ballhorn

29.08.2006