Viktoria Tolstoy (S)
Swedish Jazz-Vocals
Prince, Peter Gabriel, Seal oder Van Morrison sind nicht gerade die Komponisten, die einem für eine Jazzaufnahme einfallen. Doch die schwedische Sängerin Viktoria Tolstoy hat vor Jahren schon mit „White Russian“ bewiesen, dass Jazz und Pop hervorragend miteinander auskommen können. Mit ihrem hervorragenden Trio singt sie sich durch überraschende und frische Arrangements von Popsongs und eigenem Material. „Pictures Of Me“ (ACT) heißt die CD dann auch sinnigerweise, denn in jedem Stück steckt ein Prismastückchen der Sängerin.
Mit Viktoria Tolstoy sprach Angela Ballhorn.
VIKTORIA TOLSTOY – Steckbrief:
Die schwedische Sängerin wurde 1974 in dem kleinen Ort Sigtuna, nahe Stockholm geboren, doch hat sie russisches Blut in den Adern. Ihr Urgroßvater wuchs als Sohn des weltberühmten Schriftstellers Leo Tolstoi noch im russischen Zarenreich auf. Er wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Schweden sesshaft. Seither lebten die Vorfahren von Viktoria, der Ur-Urenkelin des großen Romanciers, in Schweden. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Uppsala. Ihr Vater, ein schwedischer Jazzmusiker, übernahm die musikalische Ausbildung seiner Tochter selbst und führte sie in die Welt des Jazz ein. Mitte der 90er Jahre wurde sie bei einem Auftritt in einem Stockholmer Club entdeckt, bekam einen Plattenvertrag und erwarb sich mit ihrem Debütalbum Smile, Love and Spice – für das ihr Vater einige der Stücke geschrieben hatte – als blutjunge Anfängerin auf einen Schlag die Anerkennung der maßgeblichen Jazzkreise des Landes, von Musikern wie Arne Domnerus, Putte Wickman oder Svante Thuresson
„Yesterday it was my birthday, hung another year on the line“ („Have A Good Time“, Paul Simon) über „Kiss That Frog“ (Peter Gabriel), „Don’t Make Me Wait“ (Seal) oder „Strollin‘“ (Prince) sind schöne Momentaufnahmen unterschiedlichster Stimmungen.
„Ich habe nicht speziell nach Melodien oder Texten ausgewählt. Alles kommt zusammen und die spezielle Stimmung der Stücke hat mich angesprochen. Zudem sind natürlich alle Cover-Versionen von Künstlern, die ich allesamt sehr schätze“ sagt die blonde Sängerin.
Nicht alle Popsänger waren gleich präsent. Von Seal hat Viktoria Tolstoy alle Aufnahmen im Schrank stehen, von Paul Simon dagegen kannte sie nur wenig Stücke und auf „Have A Good Time“ ist sie nur durch Zufall gestossen. Speziell die Stimmung habe sie angesprochen.
„Außerdem singe ich den Blues gerne und ich mag den ironischen Text, weil ich auch eine ironische Person bin. Letztendlich hat vermutlich der Blues den Ausschlag gegeben, ich singe so gerne Blues, weil er mir viel zurück gibt.“
Prince ist sogar doppelt vertreten. „Strollin‘“ ist sicher die jazzigste Nummer (und trotzdem noch sehr tricky arrangiert), „Te Amo Corazón“ ist von der neuen Prince-Scheibe. „Das ist flirty und charming, aber wahrscheinlich nicht sein bestes Stück – ich finde, dass wir das Lied besser aufgenommen haben als Prince selber. „Strollin‘“ von „Diamonds And Pearls“ ist eines dagegen seiner besten.“
Für den Seal-Fan fiel die Auswahl erstaunlicherweise leicht – „Alle seine Songs sind sehr produziert, alles Million Dollar Konstruktionen. „Don’t Make Me Wait“ ist es nicht, der ist sehr akustisch und für das Trio einfach umzusetzen. Wenn wir Millionen zur Verfügung hätten, könnten wir die anderen Sachen auch aufnehmen.“
Großen Anteil am stimmigen Klang von „Pictures Of Me“ hat Viktoria Tolstoys Begleittrio, mit dem sie schon seit Jahren arbeitet. Pianist Jacob Karlzon ist nicht nur „Hofkomponist“, sondern auch ein feinsinniger Begleiter und explosiver Solist. Hans Andersson am Bass ist der ruhende Pol in der Tiefe, und Drummer Peter Danemo pendelt zwischen explosiv und umschmeichelnd. Zu dieser Besetzung gesellen sich bei ausgewählten Stücken noch sparsame Orgel- und Synthieklänge sowie ein Streichquartett.
„Das war natürlich Lars Danielssons Idee. Mein Traum wäre es, ein Streichquartett mit auf Tour nehmen zu können.“
Alle, die das schwedische Energiebündeln noch nicht auf der Bühne erlebt haben, sollten sich ein Konzert nicht entgehen lassen. Viktoria Tolstoy gibt immer alles, nimmt jedes Risiko, was sich bei einem so fragilen Instrument wie den menschlichen Stimmbändern rächen kann.
„Ich habe seit bestimmt acht Jahren keine stimmlichen Probleme mehr. Früher ja, als ich jünger und kein Kostverächter war und selten eine Party ausgelassen habe. Das mache ich nicht mehr. Ich schlafe ausreichend, weil ich auch keine 20 mehr bin. Deshalb ist meine Stimme besser denn je!“
Das ist wohl wahr – Nachzuhören auf „Pictures Of Me“ oder live.
Discographie:
Viktoria Tolstoy aktuelle CD: „PICTURES OF ME“ (ACT music – 2006)
Viktoria Tolstoy CD: „MY SWEDISH HEART“ ( ACT)
Viktoria Tolstoy CD: „SHINING ON YOU“ (She sings the music of Esbjörn Svensson) (ACT)
Text: Angela Ballhorn/Berlin
Fotos: Jörg Grosse Geldermann (Act Music)
Erschienen: Oktober 2006
Infoline: Redaktion MELODIVA im
FM B – FRAUEN MUSIK BÜRO – Frankfurt/GERMANY
+49 (0) 69-49 60 848 .
Autorin: Angela Ballhorn
29.10.2006