Badi Assad (BRA)
"Stimme und Gitarre sind ihr Herz"
Eine Erfolgsstory par Excellence: Bereits mit 15 Jahren räumte Badi Assad 1984 bei nationalen Gitarrenwettbewerben zahlreiche Preise ab. Drei Jahre später kürte man sie beim internationalen „Villa-Lobos-Festival“ zur besten brasilianischen Gitarristin.
Danach jammte sie an der Seite berühmter Kollegen wie z.B. Hermeto Pascoal, Milton Nascimento oder Pat Metheny. Bekannt wurde sie jedoch, nach ihrem ersten Plattendeal beim renommierten Label „Chesky Records“. Superlative eilten ihrem Ruf voraus, wie z.B des Guitar Players:
„…eines von zehn Talenten, die in den 90er Jahren das Gitarrenspiel revolutionieren“.
Angela Ballhorn befragte Badi Assad zu ihrer allerneuesten CD-Produktion „Wonderland“, mit der sie im Herbst auch auf Deutschlandtour ist.
Du hast mit deinem neuen Album ein sehr buntes, abwechslungsreiches Album mit Stücken aufgenommen, die ich nie erwartet hätte. Eurythmics oder Asia Dub Foundation gehen noch weiter als die Björk-Stücke auf deinem letzten Album. Im EPK (Electronic Press Kit, eine Art Making Of mit Interviews) sprichst du über das Wunderland in der Musik und über Texte, die erst nett und hinterrücks böse sind.
Was ist für dich das Wunderland Musik – auch abseits der Texte?
Ich habe ein sehr besonderes Repertoire, auch für Brasilianer. Ich habe zeitgenössische Komponisten, Stücke aus den 40ern und 50er Jahren. Was sie verbindet, sind die Themen. Ich habe die besten Musiker zusammengebracht, die ich kenne, und bin sehr glücklich, Sergio als Bruder zu haben, der mir viele Stücke arrangiert hat. Seine Tochter Clarice, die 28 Jahre alt ist, ist ebenfalls eine begabte junge Dame, die mir auch hilft. Diese Leute haben mir mit den Farben geholfen.
Stimme und Gitarre sind das Herz dieser Aufnahme, darauf mußt du dich konzentrieren. Für diese CD waren die Sachen für Gitarre sehr schwer, ich muß mich eine Menge hinsetzen und üben. All das organisiert und läßt die Stücke zusammen schmelzen. Es gibt Variationen von Samba, es gibt Blues, alles ist sehr offen und kreativ.
Zudem denke ich nicht, daß Stücke nicht zusammen passen könnten. Was ist der Unterschied zwischen Bob Marley und Igor Stravinski? Es gibt nur den Unterschied, was du mit der Musik bezweckst. Willst du tanzen, nimmst du Bob Marley, willst du Liebe machen, nimmst du 2Pac.
Nach welchen Kriterien hast du die Stücke dann ausgewählt? Nach den etwas besonderen Texten?
Ich wollte ein sehr anderes Album machen. Letztes Jahr war ich schwanger, als mich die Deutsche Grammophon angerufen hatte und ein zweites Album in Auftrag gegeben hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, ich freute mich auch aufs Mutter sein. Als ich zurück reiste und Stücke gesammelt hatte, hatte ich mein Kind auf der Tour verloren. Als ich die Stücke zusammen hatte, sagte ich „Moment mal, das ist nicht, was ich vorhatte“, die Stücke waren alle etwas dunkel, aber nicht dunkel in den Sounds. Sie waren ironisch, sie waren poetisch, aber nie depressiv. Das verbindet mich mit den Stücken. Mein Wunderland ist, wenn du Glück und Schmerz gleichzeitig tragen kannst. Der Song von Tori Amos („Black Dove“) zum Beispiel ist wunderbar, so poetisch, aber wenn du genau hinhörst, singt sie über eine Vergewaltigung… Die Texte gehen durch 1000 Spiegel.
Ich möchte über die Instrumentierung sprechen. Dein Bruder und deine Nichte sind für die Arrangements verantwortlich. Mir ist vor allem die Transparenz in den Stücken aufgefallen. Alles ist sparsam gehalten.
Bei „Verde“ haben wir die Tracks separat behandelt und uns für jedes einzelne Stück gefragt, was es verlangt. Deshalb hatte ich Unmengen von Musikern, die im Studio waren. Jetzt wollte ich weniger. Ich wollte auch selber wieder Gitarre spielen, und zwar nur ich – bei „Verde“ waren auch andere Gitarristen beteiligt. Ich wollte wieder Solos spielen. Ich habe mit Cello schon bei „Verde“ gespielt, und habe dann den besten Cellisten und Produzenten, Jacques Morelenbaum, angerufen. Ich wollte nur Kontrabass und Perkussion, und Flöte. Der Flötist setzt kleine Glanzpunkte. Das war alles, diese vier Leute mit mir im Studio. Wenn ich reise, reise ich manchmal solo, weil es sehr interessant ist, ein Album alleine auf die Bühne zu stellen, und mit der Band. In Brasilien konnte ich mit der ganzen Band touren. Aber ich habe auch schon nur im Duo mit dem Perkussionisten gespielt, die beste Kombination war allerdings nur Cello und Gitarre. Mit dem Cellisten komme ich auch auf Tour. Manchmal spielte er in der Funktion des Basses, oder er spielt Melodien.
Ich habe mich gefreut, Jacques Morelenbaum als Mitspieler und Produzenten zu erleben, weil ich ihn vor vielen Jahren schon einmal hier mit seiner großen Familie auf der Bühne erleben durfte. Was ist deine Verbindung mit dem Sound des Cellos? Die Kombination Cello und Gitarre ist toll, aber nicht so häufig.
Die Sache ging so los: Ich wurde von einem brasilianischen Orchester eingeladen, und später habe ich ein live-Konzert aufgenommen. Der Typ, der die CD arrangiert hat, war Cellist. Im Vorlauf zu den Aufnahmen gingen wir in sein Haus und hörten uns die Arrangements an. Wir spielten zusammen, und Cello gibt dir das klassischen Flavour, aber man kann es auch in der populären Welt spielen. Geige ist ein klassisches Instrument, und der Ambitus zur Gitarre ist zu weit auseinander. Bei Cello und Gitarre ist der Tonumfang ähnlich. Du kannst Cello mit Bogen und gezupft spielen. Es gibt eine Menge tolle Möglichkeiten. In der brasilianischen Musik ist das Cello eher verbreitet. Vielleicht ist es so verwunderlich, weil man ein sehr flexibler Musiker sein muß. Es gibt Cellisten, die spielen Barock und auch richtig energischen Rock.
Wie habt ihr die Songs bearbeitet? Wie war die Aufnahmesituation? Im EPK habe ich gesehen, daß du Gitarre und Gesang nacheinander eingespielt hast.
Um akustische Instrumente gut aufzunehmen, brauchst du Pre-Production. Ich war in Brasilien, und fünf Tage später habe ich mit dem Album begonnen. Ich hatte keine Zeit, und die einzige Möglichkeit aufzunehmen, war nacheinander. Ich habe zuerst die Gitarre aufgenommen, und die Gäste kamen danach. Der einzige Song, den ich zusammen aufgenommen habe, war „One More Kiss“, weil er ein Dialog mit Stimme und Bass ist. Das wäre schwierig gewesen, es so aufzunehmen, da wir ohne Click gearbeitet haben. Alles andere war nacheinander aufgenommen, was eine interessante Arbeitsweise ist. Der Flötist hatte keine Noten, alles hat er erfunden. Deshalb haben wir genau diese Musiker gefragt, um die Noten – falls nötig – vor Ort erst festzulegen. Meine Basics waren als erstes aufgenommen.
Und wer war dann für den schweren Gitarrenpart verantwortlich? Du hattest gesagt, daß du viel üben mußtest.
Jeden Tag habe ich am Computer geschrieben und überall geübt, wo ich nur konnte. Am Flughafen, im Zug…. es wurde für einen Gitarristen geschrieben, und meine Brüder und meine Nichte haben die Arrangements geschrieben. Oder die Arrangements mit Carlinhos Antunes, mit dem die Arbeit gut geht, weil wir nahebei in Sao Paolo wohnen und Sachen nicht aufschreiben müssen, sondern nur diskutieren. Er machte das Arrangement für „Sweet Dreams“.
Das letzte Stück fällt ganz aus dem Rahmen weil es eine alte Aufnahme ist, auf der du mit deinem Vater zusammen Musik machst und singst. Ist das dein Wunderland der Musik?
Bevor ich ins Studio ging, hatte ich noch keine Idee, wie das fertige Produkt aussehen sollte. Mein Mann fragte, ob ich nicht ein bißchen Hoffnung geben wollte, weil ich das Repertoire doch lange singen und spielen würde. Und es stimmt, die Stücke sind reichlich düster. Ich wollte keinen Song außerhalb des Kontextes aufnehmen und ging auf die Suche, nach Stücken die Hoffnung ausstrahlen. Wo ist Hoffnung? In uns drinnen, in dem Kind, das wir einmal waren. Das Kind in uns, das Mut hat, spontan ist, und unschuldig ist. Dann erinnerte ich mich daß ich meine Stimme als Kind schon hatte und dieses Stück aufgenommen hatte. Der portugiesische Text ist so bedeutungsvoll, er startet mit dem Sonnenlicht. Ich habe dieses doch sehr schwierige Stück in Melodie und Rhythmus von Tom Jobim im Alter von vier Jahren gesungen. Das wollte ich mit meinem Publikum teilen. In Konzerten spiele ich das auch und erkläre das Stück. Auf der CD haben wir nichts poliert, wir haben den alten Sound beibehalten.
Auf deiner Website steht etwas, daß Bobby McFerrins Sohn bei den Aufnahmen dabei war, im Booklet finde ich aber nichts….
Da ist auf der Website etwas schief gelaufen, weil der Duotrack über iTunes laufen sollte. Unser Schedule war sehr voll und eng, und wir waren noch nicht zufrieden und wollten die Sachen noch verbessern. Der Typ arbeitet mit seiner Stimme, er ist Beatboxer, und was er mit meinem Track macht, ist unfaßbar…. Das Stück wird bei iTunes zu finden sein.
In welcher Besetzung wirst du auf Tour gehen?
Ich weiß noch nicht sicher, was ich im November mache. Ich werde solo spielen, und ich habe so eine Ahnung, daß ich voraussichtlich nur mit dem Cello unterwegs bin. Vielleicht kommt aber auch Percussion dazu. Mit meiner Band auf Tour zu gehen, ist ein Alptraum, sie alle ins Studio zu kriegen war schon schwierig genug. Teilweise sind die Musiker über 50 Jahre alt, dann wollen sie nicht mehr viel reisen. Ich will eigentlich auch nicht mehr so viel reisen… Ich lebe jetzt in Brasilien und habe einen Mann geheiratet, der mein Manager wurde, und wir sind immer zwei Monate am Stück auf Tour. Das ist auch ein Weg, zusammen zu sein. Wenn du in dein Apartment oder Hotelzimmer zurückgehst, bist du nicht alleine. Ich liebe es, meine Familie bei mir zu haben.
Wie ist deine Verbindung zu „Alice in Wonderland“?
Ich habe über Schmerz und Freude gesprochen, in Verbindung. Im Wunderland trifft Alice all diese Charaktere, die alle so glücklich erscheinen, aber sie sind alle verrückt und gemein. Wenn du nur an diese Katze denkst…. oder die wunderschönen, singenden Blumen? Meine Songs sind den Charaktern sehr ähnlich. Du hast die Oberfläche und wenn du tiefer gehst, kommt ein ganz anderer Charakter zum Vorschein. Ich habe das auch in den Coverphotos, wir haben weiß, wir haben schwarz, sauber und schmutzig. Die Photos sind an einem Recycle-Platz aufgenommen alles dort wird recycled. Da werden ganze Leben recycled. Auch mein Kostüm ist aus recyceltem Material hergestellt. Wir haben uns da viele Gedanken gemacht. Es sind nicht nur Photos, sondern ein Konzept, das zusammen mit der CD ein Package ausmacht. Es ist mehr als „nur“ die Musik. Ich liebe es, ein Teil des ganzen Prozesses zu sein, auch am Booklet mitzuarbeiten und Texte dafür zu schreiben.
Badi Assad – ONLINE: www.badiassad.com
Discographie
Aktuelle CD: Badi Assad „Wonderland“ (eDGe music / Universal)
Weitere CDs: Dança Dos tons (Crescente Produções Artísticas, 1989)
Badi Assad (Crescente Produções Artísticas, 1993)
Solo (Chesky Records, 1994)
Rhythms (Chesky Records, 1995)
Echoes Of Brazil (Chesky Records, 1997)
Chameleon (Chesky Records/inakustik, 1998)
Nowhere (Chesky Records, 2002)
Three Guitars (Chesky Records, 2004)
Verde (Edge Music/Dt.Grammophon, 2004) )
Interview: Angela Ballhorn/Berlin
Erschienen: November 2006
Copyright: Redaktion MELODIVA
29.11.2006