Deborah Weisz (USA)

"DIVA on Trombone"

Von der Wüste bis zur Broadway Show, von der Frauenbigband bis zu Frank Sinatras Band hat Deborah Weisz schon alles gesehen. Die New Yorker Posaunistin ist eine sehr ernsthafte Musikerin (und trotzdem mit schrägem Humor und freundlichem Lachen gesegnet), die sich ihrer Musik unterordnet und es versteht, ihre Gefühle in Töne umzuwandeln. Neuestes Zeugnis davon ist ihre CD „Grace“, die sie ihrem Bruder gewidmet hat. Wer mehr über Deborah Weisz´ Vita erfahren möchte, sei auf ihre Website hingewiesen: www.deborahweisz.com

Nachstehend ein Interview, das im Herbst 2006 stattfand.

Was ist wichtig, über dich zu wissen?

Ich liebe die Posaune, und ich empfinde es als Gabe, dass ich Posaune spielen darf und kann sehr viel daraus ziehen. Mein Instrument und die Musik geben mir sehr viel und ich lebe ein beachtliches Leben deswegen. Ich liebe Komposition, was allerdings später kam. Es ist ein erstaunliches Gefühl, vor einer Bigband zu stehen oder auch vor meiner kleinen Band, und etwas, das ich geschrieben habe, zum Leben kommt. Ich schreibe für die einzelnen Spieler, was kein neues Konzept ist, weil schon Duke Elligton so arbeitete. Ich lasse mich von den einzelnen Musikern inspirieren. Wenn jemand meine letzte CD ‚Grace‘ anhört, freue ich mich, wenn er sich über die Posaune freut, aber ich würde es genauso gerne hören, wenn er die Kompositionen schätzen kann. Das sind die zwei Sachen, die mir wichtig sind: Meine Art über meine Posaune und über meine Kompositionen zu kommunizieren.

„Grace‘ hat eine lange Geschichte und den Hintergrund eines tragischen Verlustes.

Ich habe meinen Bruder aufgrund einer langen Krankheit verloren, und er hat diese Krankheit mit so viel Würde getragen. Es ist immer noch schwer für mich, darüber zu sprechen. Ich habe „Amazing Grace“ für meine Mutter und meine Schwester gespielt. Es war immer eine sehr starke Inspiration für mich. Ich mußte feststellen, dass ich schon während dieses Abschieds spielen, aber nicht schreiben konnte. Dabei habe ich bis zu diesem Zeitpunkt schon viel komponiert. Es ging einfach nicht mehr. Endlich fand ich dann eine Möglichkeit, aus meinem Loch heraus zu kommen. Ich wollte immer schon mit Jim McNeely studieren, und es kam heraus, obwohl ich nicht darüber sprechen wollte, warum ich so blockiert war. Er sagte mir: Du schreibst nicht über Gefühle, du schreibst über die Inspiration, die durch die Gefühle kommt. Da klickte etwas in mir. Ich begann, die melodischen Ideen und Motive von ‚Amazing Grace‘ zu erforschen, das letztendlich in ‚Grace‘ für meinen Bruder mündete.

„Grace“ war der erste Schritt, wie sah es mit dem Blues ‚New Light‘ aus?

Leute interessieren sich immer für meinen Approach zum Plunger Mute (Klempner-Pümpel). Ich habe viel auf Hochzeiten gespielt und habe da meine Dämpfertechnik entwickelt. Ich liebe diesen Sound. Beim Herumprobieren kam dieser funky Song heraus. Der ist an das Gedicht ‚Stufen‘ von Hermann Hesse angelehnt. Als ich dieses Stück geschrieben habe, wollte ich mit dem Stück irgendwo hingehen, deshalb brauchte ich den Dämpfer. Außerdem ist das Stück ganz klassisch eine Two-Horn-Band mit Tenorsaxophon und Posaune im gleichen Register. Das ist ein sehr spezieller Sound, weil alles in der gleichen Lage ist. Andrew, der Saxophonist, und ich haben uns auf einer Jamsession getroffen, wie (Gitarristin) Sheryl (Bailey) und ich auch. Und zwar alle beide in den ersten Monaten, die ich in New York lebte. Ich wollte unbedingt mit ihnen spielen. Das macht das Leben spassiger.

Du hast eine ungewöhnliche Instrumentierung, weil du mit Tenorsaxphon, Gitarre, Bass und Schlagzeug spielst und hast als Gast einen Mundharmonikaspieler dabei.
Aber es ging nie in erster Linie um die Instrumente, es ging eigentlich immer um die Musiker. Zudem spiele ich lieber mit Gitarre, weil die Posaune genau in der Tonhöhe liegt, in der das Klavier spielt. Gitarre gibt dir akustischen Raum, und die geht auch dem Saxophon aus dem Weg. Außerdem liebe ich Gitarre, ich bin mit Jimi Hendrix aufgewachsen, und Jimmy Page. Den Harmonika-Spieler habe ich in Mexiko getroffen, auf einer Tour. Aber Posaune und Harmonika, wer hätte da gedacht, dass das zusammen paßt? Ich wollte mit ihm zusammen spielen, ich hatte mir auch überlegt, wie Flöte, Harmonika und Posaune zusammen klingen würden. Sein Spiel hat mich absolut inspiriert. Was für ein toller Musiker!

Was bedeutet Blues für dich? Ist er eine Einstellung, ein state of mind?

Wie kannst du ohne den Blues improvisieren? Für mich ginge das nicht. Als Komponist bin ich fasziniert von konsonanter Dissonanz. Blues hat diese Farbe. Die Blue Notes fühlst du. Blues ist für mich eine sehr spezielle Sprache. Ich könnte mir nicht vorstellen, den Blues außen vor zu lassen. Ich bin mit dem traditionellen Jazz aufgewachsen, und habe mich nach vorne gearbeitet und alles erforscht. Ich spiele nicht alle Arten von Jazz, aber den Blues sicher….

Du spielst oft mit Frauen. Du spielst mit DIVA, der Frauenbigband, und du hast mit Nicki Parrott und Sheryl Bailey auch in deinem Quintett zwei Frauen.
Der ‚Hang´ nach den Gigs ist bei Frauen anders, und ich kann das sagen, weil ich oft das einzige Mädchen in der Band war. Als ich nach New York gezogen bin, wußte ich, dass es eine Menge mehr Musiker hier gab – aber es gab auch eine Menge mehr Musikerinnen. Für meine eigene Band habe ich die beiden ausgesucht, weil ihr Sound und ihr Spiel mich inspiriert. Aber ich bin nicht die einzige, die sagt, dass Sheryl Bailey eine großartige Musikerin ist. Nickis Timing am Kontrabass ist erstaunlich, sie groovt. Sie walked, da kannst du drauf stehen. Sie spielen beide auch mit DIVA. Ich glaube, weil ich das Abhängen mit den Mädels so schätze, deshalb spiele ich so viel mit Frauen. Uns verbinden die gleichen Sachen, die gleichen Erfahrungen. Wir haben unsere speziellen Herausforderungen und Kameradschaften. Ich habe das auch mit Männern, aber es ist anders. Ich wähle Musiker für meine Band nach Sound und Way of Playing aus. Es ist ein Zufall, dass es zwei Frauen sind.

Welchen Einfluß hatte Jim McNeely als Lehrer und Freund auf dich?

Er hat so profunde Kenntnisse der ganzen Jazzgeschichte, er kennt alles und kann alles spielen. Ich liebe zum Beispiel auch die klassische Musik des 20. Jahrhunderts. Sein harmonisches Konzept ist unfaßbar. Mit dieser profunden Kenntnis ist er auch ein Performer, der mich sehr berührt. Ich habe eine tolle Geschichte: Man könnte denken, dass die ganze Theorie trocken ist, aber er gab mir den Mut, zu schreiben, zu schreiben und zu spielen, was ich höre. Ich habe studiert und habe meine Skratches gemacht, immer auf kleinem Papier, und er fragte, was ich mache, ich solle doch bitte großes Partiturpapier verwenden. Er hatte recht, es war der visuelle Aspekt, der mich dann freier machte. Ich bedankte mich bei ihm per Email für diese Idee…. Er hat mich inspiriert, meinen Ohren mehr zu folgen und trauen.

Ich habe noch ein Schlüsselwort auf meiner Liste, auch wenn es schon sehr lange her ist: Frank Sinatra.

Oh ja, Frank..das ist 13 Jahre her – ist das nicht verrückt. New York macht die Zeit so viel schneller, die Zeit in Las Vegas ist lange her. Sinatra ist der Number One Interpret von Songs. Vielleicht habe ich deswegen bei ‚Body And Soul‘ nur die Melodie gespielt. Mir wurde immer gesagt – wenn die Songs lernen willst, hole dir Sinatra-Platten, die Melodien stimmen und die Phrasierung…. ist weit über perfekt hinaus. Ich kann mich erinnern, als Ava Gardner starb, Sinatras Ex-Frau. Wir spielten an dem Abend ‚It never entered my mind‘. Das war immer großartig, aber an diesem Abend – Wow. Diese Erinnerungen habe ich von Sinatra, als permanente Fotografien im Gedächtnis. Ich sehe ich mich als sehr glücklich an, dass ich sieben Jahre in dieser Band spielen und lernen durfte…

Womit bist du im Moment beschäftigt? Das Quintett, das schwierig zu buchen ist…
Und das Business of Life. Je länger ich lebe, desto mehr versuche ich in Balance zu kommen. Das ist eine Herausforderung. Sogar, wenn du jemanden fürs Booking bezahlst, ist es schwierig… Ich habe einen vollen Stundenplan. All meine Sachen die ich mache, Musik schreiben oder unterrichten, brauchen Zeit. Das muß man gut organisieren.
Ich möchte mit meinem Trio und meinem Quintett mehr spielen. Aber ich habe auch ein Leben, ich möchte meine Familie oft treffen, und ich schreibe gerade an einem Stück, das von meiner Konzertreise mit Roswell Rudd nach Afrika erzählt. Das wird wohl eine Stunde Musik werden. Nach 34 Jahren Posaune spielen, und langer Zeit die ich auch schreibe, muß ich doch Rechnung tragen, dass ich ein Leben haben muß, sonst könnte ich nicht über etwas schreiben.

Ich will ein Leben haben, auch, um davon auf meiner Posaune erzählen zu können.

Discographie

**Aktuelle CD: Deborah Weisz Quintet GRACE (for Will) 2005 Deborah Weisz Quintet CD
(latest release – 2005) Vertreib: Deborahs Website oder den Vertrieb „Cadence“

**Deborah Weisz Quintet CD – (released 1998) featuring Deborah Weisz – Trombone

Interview: Angela Ballhorn/Berlin, Fotos: Amy Chace
Erschienen: Dezember 2006

Copyright: Redaktion MELODIVA

Autorin: Angela Ballhorn

14.12.2006