Céline Rudolph (D)

"Vokalistin par Excellence"

Die vielseitige Jazzvokalistin Céline Rudolph, Professorin für Jazzgesang in Dresden, entrichtet ihren Tribut an eine frühe Liebe: die brasilianische Musik. Angeregt von Gilberto Gils Album „Oslodum“, wandte sie sich an Gils Produzenten, den legendären Rodolfo Stroeter, der z.B. Caetano Veloso produziert hat und auch für Improvisation und Jazz ein waches Ohr besitzt. Stroeter gefielen Célines Sound und Energie, und sie begannen zusammen an einem brasilianisch inspirierten Album zu arbeiten.

Das Ergebnis ist das in São Paulo aufgenommene „Brazaventure“, ein wundersames Zusammenspiel von poetischen Melodien, luftig-leichten Klängen, brasilianischen Rhythmen, starker Perkussion und einer außerordentlichen Stimme.

Als DIE Vokal-Entdeckung der letzten Jahre

wird die Stimmkünstlerin Céline Rudolph von der Presse übereinstimmend gefeiert. Die Sängerin, Improvisatorin und Komponistin überrascht durch ihre frische, ausdrucksstarke Stimme, die sich scheinbar mühelos an den Klippen der Vokalkunst vorbei windet. Unglaublich leicht verwischt sie Grenzen von brasilianischen Klängen zu den Scats des Jazz, von emotionalem Feeling bis zu freien Linien.

1969 geboren und aufgewachsen in Berlin, prägt Musik sie bereits in der Kindheit. Im Alter von zwölf Jahren schreibt sie Chansons, inspiriert von der Mutter, einer Französin. Der Vater führt sie an afro-amerikanische und brasilianische Musik heran. In der Plattensammlung der Eltern entdeckt Céline die portugiesische Sprache als Stilelement.

Zunächst studiert sie Rhetorik und Philosophie, doch die Musik ist stärker, und so nimmt sie das Studium für Jazzgesang und -komposition an der Hochschule der Künste Berlin auf. 1990 gründet Céline Rudolph ihre erste Band „out of print“, mit der sie zwei CDs veröffentlicht, das 1. Leipziger Jazznachwuchsfestival gewinnt und auf Tourneen weite Teile Afrikas und des Balkans bereist. Zahlreiche Festivalauftritte, Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen machen sie bekannt und bringen sie in den folgenden Jahren mit internationalen Musikergrößen wie Bob Moses, Anthony Cox, Marc Ducret (auf „Segredo“ zu hören) und Gary Peacock („berlin, 1999“) zusammen. 1995 taucht sie in die afrikanische Musik ein und verbringt einen Studienaufenthalt bei dem Perkussionisten Famoudou Konaté in Westafrika. Sie gewinnt 2001 den Wettbewerb der Szene Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Leverkusener Jazztage mit MOSAÏQ und mit ihrer Band „Fábula“ den Wettbewerb „JazzArt – Musik des 21. Jahrhunderts“. Auftritte mit Lee Konitz, Bobby Mc Ferrin oder David Friedman stehen neben Crossover-Projekten wie Peter Fuldas Bearbeitung von Arnold Schönbergs „Pierrot Lunaire“, „Barock meets Jazz“ mit dem französischen Countertenor Gérard Lesne für den Bayrischen Rundfunk, sowie der CD-Produktionvon Moritz Eggerts Komposition „wide unclasp“ mit u.a. Gerry Hemingway. Céline Rudolph führt Dialoge in allen Bereichen zwischen U- und E-Musik.

2003 wird sie als Professorin nach Dresden berufen und leitet seither die Gesangsabteilung Jazz/Rock/Pop der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“. Bei der „Köln Triennale“ werden ihre Kompositionen 2004 vom „Cologne Contemporary Jazz Orchestra“ mit ihr als Solistin aufgeführt. Verschiedene ArrangeurInnen wie Florian Ross, Christina Fuchs und Marko Lackner schreiben ihre Musik aus Anlass dieser Musikfestspiele für große Besetzung um. 2006 arbeitet sie mit Startrompeter Dusko Goykovich auf dessen Album „Samba Tzigane“ und bereitet ein neues Projekt vor, das 2007 in Lissabon uraufgeführt wird: „Lissabon-Maputo-Berlin“.

Interview „Ganz Körper, ganz Seele“

Du hast dein neues Album „Brazaventure“ in São Paulo mit dem renommierten Produzenten Rodolfo Stroeter und bekannten MusikerInnen wie Marcos Suzano, Toninho Ferragutti, Paulo Bellinati, Monica Salmaso sowie Sérgio Santos eingespielt. Klingt ungewöhnlich.

Die Initialzündung ging von Gilberto Gils Album „Oslodum“ aus. So wurde ich auf den Produzenten Rodolfo Stroeter aufmerksam. Er verbindet auf diesem Album Tradition mit Moderne und mehrere Kontinente miteinander. Zudem ist er auch mit dem Jazz vertraut. Ich nahm Kontakt auf und schickte ihm meine Aufnahmen. Rodolfo gefiel mein Sound und meine Energie. Wir trafen uns schließlich bei ihm zu Hause in São Paulo und sprachen lange über Musik. „Simple and beautiful“ – so sollte die Musik klingen. Unsere Idee war, eine songorientierte Form mit poetischen Melodien zu schaffen, die von starker Perkussion getragen werden. Meine Kompositionen sollten aus dem eher offenen Jazzkonzept heraus in eine neue Welt der süchtig machenden brasilianischen Grooves transportiert werden. Rodolfo lud Musiker aus São Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte ins Studio ein – eben jene wunderbaren Musiker, die jetzt auf „Brazaventure“ zu hören sind.

Woher rührt dein großes Interesse an Brasilien?

Ich war schon in meiner Kindheit von brasilianischer Musik umgeben. Mein Vater hatte eine riesige Plattensammlung, die vor allem aus Jazz, afrikanischer und brasilianischer Musik bestand. Er erzählt mir noch heute, dass ich zu Hause „Rosa Morena“ von João Gilberto mitsang. Da war ich fünf Jahre alt. Damals verstand ich die portugiesische Sprache noch nicht. Dafür liebte ich die Laute, die sanften Melodien und Stimmen. Als Jugendliche habe ich begonnen, Portugiesisch zu lernen und Bossa Nova auf der Gitarre zu spielen. So habe ich die brasilianische Musik immer als etwas Vertrautes erlebt. Etwas, das keinen Anfang kennt, weil es immer schon da war. Das Land Brasilien habe ich erst sehr viel später kennen gelernt. Ich bin ein paar Wochen mit dem Auto durchs Land gezogen, bevor ich ins Studio ging. Im Oktober 2006 haben wir „Brazaventure“ live in São Paulo vorgestellt. Wir hatten einen Riesenerfolg in dem schönen Theater Sesc Pompéia. Das Publikum hat mich mit offenen Armen empfangen, und ich konnte etwas von dem zurückgeben, was Brasilien für mein musikalisches Leben bedeutet. Da ist sozusagen ein Traum wahr geworden …

Du arbeitest oft mit KünstlerInnen aus verschiedenen Kontinenten. Welche Unterschiede siehst du? Welchen Reiz empfindest du?

Es ist, als würde ich verschiedene Orte meiner musikalischen Heimat besuchen. Als hätte ich beim Musikmachen das Land gefunden, das meine Phantasiesprache spricht, eine Sprache, deren Wurzeln in dem Quadrat von Europa, Afrika, Nord- und Südamerika liegen.

Du arbeitest auch als Professorin für Jazzgesang in Dresden. Wie vertragen sich freies Künstlertum und Hochschulkarriere?
Es ist und bleibt zeitlich ein Spagat, der sich um ein drittes Unternehmen erweitert: meine Familie.

1995 warst du zum Studienaufenthalt in Westafrika bei dem Perkussionisten Famoudou Konaté. Mit welchen Eindrücken und Erfahrungen bist du zurückgekehrt?

Bei Famoudou habe ich diese intensiven, tranceartigen Zustände erlebt, in denen ich nicht mehr Musik machte, sondern Musik war. Als ein Teil des rhythmischen Gefüges ging ich im Ganzen des Grooves auf. Der Körper ist Schwingung, die Schwingung ist Ewigkeit und Glück. Keine Fragen, keine Antworten. Du schaust in das Gesicht der anderen und siehst in einen Spiegel – pure Lebensfreude. Auch die rituelle Seite der afrikanischen Musik hat mich geprägt: der Sänger als Geschichtenerzähler, als Heiler, als Priester. Das alles verkörpere ich in einer Liveperformance, gehe durch allerhand Zustände, in denen ich alles fließen lasse. Meine Musik hat sich nach der Afrikareise stark verändert. Ich habe neue rhythmische Ideen mitgebracht, die Marimba entdeckt und mit viel Holz und dunklen Farben gearbeitet – so zu hören auf dem Album „Segredo“ mit meinem „Dark Wood Project“.

Du bist in jüngster Zeit mehrfach in der Band von Startrompeter Dusko Goykovich aufgetreten. Wie war die Zusammenarbeit?

Es hat großen Spaß gemacht, zu seinem 75. Geburtstag mit ihm und seiner Band in Belgrad aufzutreten – das Publikum hat getobt! Ich habe Kompositionen von Villa-Lobos, Baden Powell und Monk gesungen. „A descoberta da lentidão“ („Die Entdeckung der Langsamkeit“), das ich für sein aktuelles Album geschrieben habe, erfüllt Duskos wunderschöner Ton mit Seele.

Aktuelle CD: 2007 Céline Rudolph „Brazaventure“

Veröffentlichungen:

1994 Céline Rudolph & out of sprint: Paintings

1996 Céline Rudolph & out of sprint: Book of travels

1999 Peter Fulda Trio feat. Céline Rudolph: Silent Dances

1999 Céline Rudolph & dark wood Projekt: Segredo“

1999 Andreas Schmidt feat. U.a.Céline Rudolph: berlin,

2000 MOSAÏQ –: Snoopy on a Walk

2002 A-Tronic: Lichtblau, feat. Céline Rudolph

2002 MOSAÏQ „Moving“ – Céline Rudolph, Daniel Mattar, Britta-Ann Flechsenhar

2002 United Women’s Orchestra: Virgo Supercluster

2004 Moritz Eggert: wide unclasp

2006 Dusko Goykovich: Samba Tzigane

www.celinerudolph.com
Autorin: Antje Köhn

19.02.2007